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Im Ton soll es zwischen Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner (v.r.n.l.) gesittet zugehen, in der Sache aber hart.

© dpa/Christoph Soeder

Dreigestirn im Dauereinsatz: Scholz, Habeck und Lindner nach 200 Stunden auf der Zielgeraden?

Seit knapp einem Monat suchen der Kanzler, sein Vize und sein Finanzminister einen Ausweg aus der Haushaltskrise. Nun könnte es an diesem Mittwoch ein Ergebnis geben – vielleicht.

200 Stunden, so hat es Olaf Scholz am Dienstag berichtet, ist er nun schon mit Robert Habeck und Christian Lindner beisammen gesessen, um in der Haushaltskrise den Knoten zu durchschlagen. Seit dem Karlsruher Urteil vom 15. November, das ihrer Ampelkoalition die finanzielle Grundlage entzogen hat, ringen sozialdemokratischer Kanzler, grüner Vizekanzler und liberaler Finanzminister immer wieder in der Regierungszentrale miteinander – auch am Dienstag.

Um die Mittagszeit empfingen sie die Chefs der Regierungsfraktionen, was sofort Spekulationen über einen baldigen Abschluss der Gespräche befeuerte, was jedoch schnell dementiert wurde.

Am früheren Nachmittag, kurz bevor im Bundestag die Fraktionssitzungen begannen, hockte das Dreigestirn der Ampel noch zusammen und ließ die eigenen Abgeordneten warten. Ohnehin sollte es direkt im Anschluss weitergehen. Aus Koalitionskreisen ist zu hören, dass zu Scholz’Verhandlungstaktik auch gehört, sich mal mit Habeck, mal mit Lindner zu Zweiergesprächen zurückzuziehen.

Scholz später zum Gipfel?

Mehr als diese kleinen Informationsfetzen zum Ablauf sind auch am Dienstag schwer zu bekommen gewesen. In diese Kategorie gehört auch, dass Scholz seinen für Mittwochnachmittag geplanten Abflug nach Brüssel verschieben und den Westbalkangipfel vor dem eigentlichen Europäischen Rat notfalls sausen lassen könnte. Inhaltlich aber ließ die Runde auch am Dienstag nichts heraus, was in der Koalition zumindest als Zeichen dafür gewertet wird, dass noch eine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit existiert.

Eine Belastungsprobe für ihre Beziehung ist der Gesprächsmarathon aber allemal – manche sprechen sogar von massiven Verwerfungen zwischen Scholz und Lindner. Im Kanzleramt ist man genervt vom Finanzminister, weil für Scholz angeblich nicht einmal klar ist, was der FDP-Chef eigentlich erreichen will? Welche Position soll noch neu sein? Welches Wort noch nicht gesagt? Aus Scholz’ Umfeld hört man dazu nur: Schweigen. Zu hören ist, dann eher zwischen den Zeilen, dass man die wochenlange Hängepartie im Lager von Scholz inzwischen für unverantwortlich hält.

So klar wie ihm in dieser Lage möglich hat der Kanzler am Wochenende auf dem SPD-Parteitag seine Haltung bekräftigt: Wer die Ukraine langfristig unterstützen will, muss auch nächstes Jahr die Haushaltsnotlage erklären. „Nicht klug“ nannte Scholz, die finanzielle Förderung der Chipindustrie infrage zu stellen, wie Lindner das zuvor getan hatte. Selten zuvor ist er den Finanzminister, ohne ihn namentlich zu nennen, so direkt angegangen – er mag es nicht, wenn andere öffentlich rote Linien ziehen. Scholz, der ehemalige Finanzminister und Sozialliberale, und Lindner begegneten sich immer respektvoll – inzwischen sei ein Bruch zu spüren, heißt es in Regierungskreisen.

Bei den Grünen nehmen sie es mit verstohlener Genugtuung zur Kenntnis, dass die Hauptkonfliktlinie in der Ampel nicht mehr primär zwischen Grünen und FDP, sondern zwischen Liberalen und Sozialdemokraten verläuft. Dass Scholz ohne Einigung auf den SPD-Parteitag musste, wird bei den Grünen als Demütigung empfunden, die auf Lindners Kappe ging. Aber auch der Kanzler trage Schuld an der aktuellen Lage – ihm falle nun die Verhandlungstaktik auf die Füße, Gespräche in die Länge zu ziehen und keinen Entscheidungsmoment herbeizuführen. Jedenfalls sehen die Grünen plötzlich ihren Mann in der Rolle des Moderators.

Spielt die FDP mit dem Feuer?

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann erklärte nach ihrem Besuch im Kanzleramt zwar, dass sie mit einer „zeitnahen“ Lösung rechne, doch hinter vorgehaltener Hand äußern viele Spitzengrüne erhebliche Zweifel. Das Mitgliedervotum mache die FDP unberechenbar. Offenbar wollten die Freien Demokraten keine Zusage machen, bevor die Basis abgestimmt hat. Ein Spiel mit dem Feuer.

Das wiederum weisen die Liberalen weit von sich. Die Annahme des Mitgliedervotums über einen Ausstieg aus der Ampel sei satzungsrechtlich geboten gewesen und kein politisches Manöver gewesen, um damit in den Etatgesprächen in eine bessere Verhandlungsposition zu kommen. Es geht Lindner und der FDP, so ein Präsidiumsmitglied, „allein um einen verfassungskonformen Haushalt, der nicht auch in Karlsruhe scheitert“.

Für Scholz, der auch unter Druck seiner Fraktion steht, ist dagegen klar, dass es nicht reicht, an den großen Haushaltsposten Abstriche zu machen, um die fehlenden 17 Milliarden Euro zusammenzubekommen. Scholz setzt daher vor allem auf die ukrainische Karte – wenn Lindner den andauernden russischen Angriffskrieg jedoch nicht als Begründung einer weiteren Etatnotlage akzeptiert, ist schwer vorstellbar, wie Scholz seinen Leuten einen anderen Kompromiss verkaufen will.

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