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Der türkische Premier Erdogan will für die islamische Welt sprechen.

© afp

Proteste gegen "Innocence of Muslims": Erdogan gibt sich als Anwalt der islamischen Welt

Der türkische Premier Erdogan fordert, international die Islam-Feindlichkeit zu ächten, wie sie in dem Film über den Propheten Mohammed zum Ausdruck kommt. Damit unterstreicht er seinen Führungsanspruch in der islamischen Welt.

Premier Recep Tayyip Erdogan verurteilte die gewaltsamen Proteste in der islamischen Welt gegen den Mohammed-Film und nannte den tödlichen Angriff auf den US-Botschafter einen Akt des „Terrors“, der mit dem Wesen des Islam nicht vereinbar sei. Gleichzeitig unterstrich er in einer von seinem Büro verbreiteten Erklärung, dass eine Beleidigung des Propheten nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sei – die Muslime sollten aber „nicht der Provokation in die Falle gehen“.

In einem Gespräch mit mitreisenden türkischen Journalisten auf dem Rückweg von einem Besuch in Bosnien-Herzegowina fügte Erdogan nun hinzu, dass die internationale Gemeinschaft handeln müsse, um der Islamophobie endlich Einhalt zu gebieten. Die Türkei habe als muslimisches Land den Antisemitismus geächtet – Ähnliches sei im Westen mit Blick auf die Islam-Feindlichkeit bisher aber ausgeblieben. Westliche Länder – Erdogan nannte auch Deutschland – hätten die Islamophobie sogar ermuntert.

Fotostrecke - Die Proteste gegen den Schmähfilm:

Bei der UNO in New York will Erdogan nun dafür werben, dass internationale Standards vereinbart werden, was die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Respekt für die Religion angeht. Möglich ist nach seinen Worten eine internationale Konferenz zu dem Thema, etwa im Rahmen der UN-Initiative „Allianz der Zivilisationen“ unter Leitung der Türkei und Spaniens. Die Türkei selbst will nach den Worten des Premiers ihre Gesetze ebenfalls ändern, um religiöse Beleidigungen schärfer von erlaubten Meinungsäußerungen zu trennen.

Die von Erdogan angekündigte internationale Initiative hat kaum Aussichten auf Erfolg, weil sich Länder wie die USA nicht von der UNO in die eigene Gesetzgebung hineinregieren lassen. Doch das kümmert Erdogan nicht. Die Aussagen des türkischen Premiers sind vor allem als Ausdruck des türkischen Führungsanspruchs im Nahen Osten zu sehen: Erdogan will in New York für die islamische Welt sprechen.

Gleichzeitig ist die türkische Regierung darauf bedacht, die USA nicht zu verärgern, weil Ankara die Unterstützung Washingtons unter anderem im Syrien-Konflikt braucht. Erdogans entschiedene Verurteilung der gewaltsamen Protestes als „Terror“ brachte ihm Lob vom Weißen Haus ein; Präsident Barack Obama hatte den türkischen Premier darum gebeten, die Gewalt zu verdammen. Die Türkei will zeigen, dass sie ein verlässlicher Bündnispartner ist. 

Auch innenpolitisch zeigt Erdogans doppelte Botschaft – Verurteilung der Gewalt bei gleichzeitiger Kritik an dem Schmähvideo – ihre Wirkung: Proteste wie in anderen muslimischen Ländern blieben in der Türkei aus, der Aufruf einer kleinen Islamisten-Partei zu Protesten gegen das Video vergangene Woche verhallte fast ungehört. Für Erdogan ist das ein Ergebnis der Bemühungen seiner Partei, den radikal-islamischen Sumpf in der Türkei durch politische Reformen zugunsten frommer Muslime trockenzulegen. „Wie ein Blitzableiter“ sei seine Regierung in diesem Bereich in den vergangenen Jahren gewesen, sagte er.

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