zum Hauptinhalt
ARCHIV - 23.06.2010, Thüringen, Sömmerda: ILLUSTRATION - Ein Baustellenschild ist vor einem Autobahnschild platziert. (zu dpa: «Koalition vereinbart beschleunigten Ausbau auch von Autobahnstrecken») Foto: Martin Schutt/zb/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Martin Schutt

Update

Lkw-Maut, Autobahnausbau, Gasheizungen: Die Beschlüsse des Koalitionsausschusses im Überblick

Zweieinhalb Tage verhandelten SPD, Grüne und FDP über Streitthemen wie das Aus für Gasheizungen. Am Dienstagabend fasste die Koalition einen Beschluss.

| Update:

Es war ein Ringen, wie Grünen-Chefin Ricarda Lang es ausdrückte. Auch SPD-Chef Lars Klingbeil beschrieb die zweieinhalbtägigen Verhandlungen von SPD, Grünen und FDP als solches. Oder wie FDP-Vorsitzeder Christian Lindner bei der Pressekonferenz am Dienstagabend sagte: „Man schweigt sich auseinander und man diskutiert sich zusammen.“ Die Ampel-Koalition hat am Dienstagabend ein Ergebnis ihrer langwierigen Verhandlungen in mehreren Streitfragen veröffentlicht. Dabei geht es vor allem um Klimaschutz, Infrastrukturprojekte und die Umrüstung von Heizungen.

Klingbeil, Lang und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner äußerten sich zufrieden mit den Ergebnissen. Generell hätten alle Entschlüsse des Ausschusses keine Auswirkung auf den Bundeshaushalt, beteuerte FDP-Chef Christian Lindner.

Hier die Beschlüsse der Koalition im Überblick:

Die Ampel-Koalition will die Lkw-Maut erhöhen, um mehr finanziellen Spielraum für Investitionen in die Bahn zu haben. Das Geld daraus solle zu 80 Prozent in den Ausbau der Schiene fließen, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang am Dienstagabend in Berlin. Die Lkw-Mautpflichtgrenze wird den Beschlüssen zufolge zum 1. Januar 2024 abgesenkt, „sodass grundsätzlich alle Nutzfahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen technisch zulässiger Gesamtmasse in die Gebührenerhebung einbezogen sind“, wie es im Beschlusspapier der Koalition heißt.

Außerdem solle die Bahncard 100 verbessert werden: Das Deutschlandticket soll kündigt „ohne Aufpreis in die BahnCard 100 integriert werden, so dass sie in allen Städten auch für den ÖPNV genutzt werden kann“, heißt es in dem Beschlusspapier der Koalition.

Lang kündigte außerdem eine „riesige Solarausbauoffensive“ an. Es werde in Deutschland keine neue Autobahn mehr gebaut, ohne, dass der Platz entlang der Strecke für erneuerbare Energien genutzt wird. Die Ampel-Koalition hat in diesem Zuge auch einen beschleunigten Ausbau auch von Autobahnstrecken vereinbart. FDP-Chef Christian Lindner sagte, 140 Autobahnprojekte sollten künftig im überragenden öffentlichen Interesse liegen.

„Wir fokussieren darauf, Planungs- und Genehmigungsverfahren massiv zu beschleunigen“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil bei der Pressekonferenz nach dem Ausschuss. Ricarda Lang sagte, man wolle besonders schneller werden beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Stromnetze, Bahnschienen und bei den Straßen. Man wolle eine „begrenzte Anzahl von Straßen“ ausbauen, sagte Lang.

Auch das Klimaschutzgesetz war Thema im Ausschuss. Laut Christian Lindner solle es „konzeptionell geändert“ werden. Konkret sollen künftig die strikten Sektorziele beim Reduzieren von Emissionen aufgegeben werden. Stattdessen blicke man nach vorne, „zum Beispiel in das Jahr 2030“, wie Lindner sagte. Für dieses Jahr würden sektorübergreifend Klimaziele festgelegt. Die Ziele sollen so unbürokratischer, realistischer und wirtschaftsfreundlicher werden, wie Lindner ankündigte.

Mehr zu Klimawandel, Energie und Umwelt hören Sie im Tagesspiegel-Podcast „Gradmesser“. Alle Folgen finden Sie bei Spotify, Apple, Deezer und überall dort, wo es Podcasts gibt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Klimaschutz solle damit zu einer „echten Querschnittsaufgaben der Bundesregierung“ werden, heißt es in dem Beschlusspapier der drei Regierungsparteien. „Alle Sektoren leisten ihren Beitrag: Stromerzeugung, Industrie, Verkehr, Bauen und Wohnen sowie Landwirtschaft.“

Bei der „Wärmewende“ mit dem Umbau von Heizungen solle, so versprach Ricarda Lang, für soziale Gerechtigkeit gesorgt werden. Die Ampel-Koalition hatte zuvor wochenlang über die Pläne des Wirtschafts- und Bauministeriums, zum Januar den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen zu verbieten, gestritten. Das Gebäudeenergiegesetz werde nun aber reformiert, womit künftig auf „klimafreundliche Alternativen bei Heizungen“ gesetzt würde. Da das viele Haushalte belasten werde, werde die Ampel für einen sozialen Ausgleich sorgen, sagte Lang.

Olaf Scholz hatte zuvor ein „gutes Gesamtwerk“ angekündigt

Kanzler Olaf Scholz hatte wenige Stunden vor Ende der Sitzung angekündigt, es werde „sogar sehr, sehr, sehr gute Ergebnisse geben“. „Es wird sich gelohnt haben“, sagte er. „Ich bin sehr, sehr zuversichtlich, dass wir ein großes Werkstück zustande bringen“, fügte Scholz hinzu.

Robert Habeck soll einem Medienbericht zufolge vor allem mit Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner angeeckt sein.
Robert Habeck soll einem Medienbericht zufolge vor allem mit Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner angeeckt sein.

© picture alliance/dpa

Die Länge der Verhandlungen spielte er herunter. Auch in früheren Regierungen habe es sehr lange Beratungen gegeben. Es sei nun wichtig, dass man als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt alles richtig mache. Es gehe um eine Tempo-Beschleunigung der Entscheidungen.

Scholz lobte die gute Sacharbeit zwischen den drei Parteien. „Es geht um die größte Modernisierung einer Volkswirtschaft. In der Ampel-Koalition wachse durch diese Debatte auch das Gefühl, „dass wir es sind, die es machen müssen“, sagte er angesichts der Vorwürfe etwa der Opposition, dass die Ampel heillos zerstritten sei.

So hatte CDU-Chef Friedrich Merz etwa gesagt, er halte die Regierung aus SPD, Grünen und FDP angesichts der Hängepartie im Koalitionsausschuss für nicht mehr regierungsfähig. „Wir haben ganz offensichtlich in Deutschland eine Regierungskrise“, sagte er am Dienstag in Berlin.

Scholz deutete an, es werde einige überraschende Beschlüsse auch zu Themen geben, mit denen im Vorfeld niemand gerechnet habe. Die Ampel-Koalition hatte ihre Gespräche am Sonntagabend aufgenommen, am Montag aber am frühen Nachmittag unterbrochen, weil Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und mehrere Minister zu deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen nach Rotterdam reisten.

Scholz berichtete dort von einer vertraulichen wie freundlichen Atmosphäre unter den Koalitionären. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach am Dienstagmorgen von einer leidenschaftlichen, aber zugleich kontroversen Debatte.

Medienbericht: Harte Konfrontationen im Ausschuss

Wie die „Bild“-Zeitung erfahren haben will, soll es bei den Gesprächen jedoch immer wieder zur Konfrontation gekommen sein, vor allem zwischen SPD und FDP auf der einen und den Grünen auf der anderen Seite. „Die Grünen werden zunehmend bockig, weil sie sich in die Enge gedrängt fühlen“, zitiert die Zeitung aus Koalitionskreisen.

Demnach soll Wirtschaftsminister Habeck etwa sauer auf Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner gewesen sein. Streitthema sei dabei offenbar das geplante Aus von Öl- und Gasheizungen gewesen. Während Habeck am Verbot ab 2045 festgehalten habe, wollte Scholz offenbar laut der Zeitung einige Sonderregelungen durchsetzen. Lindner soll sogar eine Generalüberholung von Habecks Gesetz gefordert haben. 

Die Stimmung kochte offenbar auch beim Thema Klimaschutz im Straßenverkehr hoch. Außenministerin Annalena Baerbock sprach von einer „leidenschaftlichen Debatte“. Die Grünen-Politikerin sagte am Dienstag in Berlin zum Auftakt einer internationalen Konferenz zur Energiewende, saubere Energie sei eine Frage von nationalem Interesse und eine Frage der Sicherheit.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Deutschland habe sich wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine von fossilen Abhängigkeiten von Russland gelöst. Auch die Heizungen seien eine „Frage von Sicherheit“, sagte Baerbock. Sie sprach zugleich von kontroversen Debatten. Umstritten ist etwa, wie konkret Gas- und Ölheizungen ausgetauscht werden sollen.

„Aus Streit-Ampel wird Streik-Ampel“

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt stellte derweil die Handlungsfähigkeit der Ampel-Koalition in Frage. Mit etwa 17 Beteiligten sei das Ampel-Gremium ein „XXL-Koalitionsausschuss – zu groß, zu langsam und zu müde“, sagte der Vorsitzende der CSU-Abgeordneten im Bundestag am Dienstag in Berlin. Er fügte hinzu: „Und was soll bei einem Bläh-Koalitionsausschuss schon hinten rauskommen.“ 

Linken-Chefin Janine Wissler bezeichnete das Ampel-Bündnis im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag) als „Blockadekoalition“. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert betonte dagegen am Montagabend in der Sendung „RTL Direkt“: „Es ist besser, zwei Tage lang hart um Lösungen in wichtigen Fragen zu ringen, als zwei Jahre lang ohne Lösungen in diesen Bereichen regieren zu müssen. Das könnten wir dem Land nicht zumuten. Die zwei Tage sind, glaube ich, mit viel Augen-Zudrücken schon zumutbar.“

Was soll bei einem Bläh-Koalitionsausschuss schon hinten rauskommen.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt

Die Spitzen des Bündnisses wollten im Kanzleramt eine lange Liste von Streitpunkten abarbeiten. Als größtes Konfliktthema deutete sich vorab der Klimaschutz im Verkehr an - denn hier muss die Bundesregierung eine Trendwende schaffen. Laut Umweltbundesamt stiegen die Treibhausgasemissionen in diesem Bereich zuletzt, anstatt zu sinken, wie es eigentlich nötig wäre.

Vor allem die Grünen verlangen von Verkehrsminister Volker Wissing mehr Anstrengung. Dessen FDP lehnt aber nicht nur ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen und eine Reform der Dienstwagenbesteuerung strikt ab.

Auch bei anderen Fragen war der Ton in der Koalition zuletzt rau geworden:

Austausch von Öl- und Gasheizungen

Die Grundidee ist in der Koalition eigentlich längst vereinbart: Ab 2024 sollen möglichst nur noch solche Heizungen neu eingebaut werden, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. De facto bedeutet das ein Aus für konventionelle Öl- und Gasheizungen. Habeck goss das in einen umstrittenen Gesetzentwurf. SPD und FDP betonen beide, Hausbesitzer und Mieter dürften nicht überfordert werden. Auf der Suche nach einem Kompromiss war die Ampel schon vor dem Spitzentreffen vorangekommen - ohne dass bisher Details durchsickerten.

Finanzierung der Kindergrundsicherung

Ab 2025 soll die Kindergrundsicherung die staatlichen Leistungen für Familien und Kinder bündeln. Umstritten ist, was alles dazugehören soll. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) will eine Aufstockung, weil die bisherigen Hilfen ihrer Meinung nach Kinderarmut nicht ausreichend bekämpfen. Sie hat deshalb einen Bedarf von zwölf Milliarden Euro angemeldet. Lindner hält Aufstocken nicht für zwingend, weil die Koalition gerade das Kindergeld angehoben habe.

Unterschiedliche Haltung beim Geldausgeben

FDP-Politiker mahnten vor dem Koalitionsausschuss wiederholt Disziplin bei den Finanzen an - vor allem mit Blick auf den ausstehenden Bundeshaushalt für 2024. „Alle Koalitionsparteien müssen die aktuellen finanzpolitischen Realitäten anerkennen“, sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Allerdings hätten die drei Parteien kein gemeinsames Grundverständnis in dieser Frage. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false