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Nach dem Cannabis-Konsum sollen künftig Grenzwerte im Straßenverkehr gelten. Aktivisten haben den negativen Scherenschnitt eines Cannabis-Blattes auf das Grün einer Behelfsampel in Leipzig geklebt.

© dpa/Peter Endig

Exklusiv

Nach der Cannabis-Freigabe: Bundesländer rechnen mit größerer Unfallgefahr im Straßenverkehr

Seit dem 1. April ist Cannabis für Erwachsene zu Genusszwecken freigegeben. Bayern, Sachsen und Niedersachsen befürchten, dass sich vermehrt Autofahrer unter Drogeneinfluss ans Steuer setzen.

Knapp zwei Monate nach der begrenzten Cannabis-Freigabe ist der Unmut in vielen Bundesländern über den zusätzlichen Personalaufwand bei der Kontrolle der umfangreichen Gesetzesvorgaben immer noch nicht verraucht. Vor allem für den Straßenverkehr werden mit der Hanf-Freigabe neue Risiken befürchtet.

Am deutlichsten ist dabei die Kritik aus Bayern. Der Freistaat hatte sich schon vor der Cannabis-Legalisierung am entschiedensten gegen das Projekt von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) positioniert. Daran hat sich in der Zwischenzeit nichts geändert. „Die Regelungen des Cannabis-Gesetzes bedeuten einen erheblichen Kontroll- und Vollzugsaufwand“, sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums dem Tagesspiegel.

Die Zahl der Anzeigen im Freistaat im Zusammenhang mit der Teil-Legalisierung werde zwischen dem 1. April und dem 13. Mai auf 2011 beziffert, sagte der Sprecher weiter. Am häufigsten waren dabei Ordnungswidrigkeiten – nämlich 1242 – im Zusammenhang mit dem Paragrafen 24a der Straßenverkehrsordnung, der das Autofahren nach Cannabis-Genuss regelt.

Begleitend zur Cannabis-Freigabe hat sich die Ampel inzwischen auch auf einen neuen Grenzwert geeinigt, der das Limit für den Konsum mit Blick auf den Straßenverkehr näher festlegt. Künftig soll ähnlich wie bei der 0,5-Promille-Marke beim Alkohol beim Cannabis-Konsum eine Obergrenze gelten. Sie soll – bezogen auf den Wirkstoff THC – bei einer Konzentration von 3,5 Nanogramm je Milliliter Blutserum liegen.

Die bayerische Polizei werde bei Verkehrskontrollen verstärkt auf Drogeneinfluss achten, kündigte der Ministeriumssprecher an. Auch Schwerpunktkontrollen seien vorgesehen. Durch die Legalisierung müsse man leider mit einem erheblichen Anstieg der Fahrten unter Drogeneinfluss und damit einhergehend höheren Unfallgefahren im Straßenverkehr rechnen.

In Fußgänerzonen darf tagsüber nicht gekifft werden.

© dpa/Jörn Hüneke

Nach den Worten des Sprechers liege bei den Kontrollen im Bereich der Ordnungswidrigkeiten der Schwerpunkt vor allem dort, wo der Kinder- und Jugendschutz es erfordere, sagte der Sprecher weiter. Laut dem Gesetz zur Cannabis-Freigabe darf nicht in Sichtweite von Schulen, Spielplätzen und Kitas gekifft werden.

Seit dem 1. April ist das Mitführen von 25 Gramm Cannabis für Erwachsene legal. Deutliche Kritik kommt aus Sachsen an der Tatsache, dass auch Dealer künftig nicht belangt werden können, solange sie nicht mehr als 25 Gramm mit sich führen. Die Unterscheidung „zwischen erlaubtem Konsum und illegalem Vertrieb“ falle den kontrollierenden Beamten deutlich schwerer, hieß es aus dem Innenministerium in Dresden.

Diese sogenannte Legalisierung ist nur eine Teil-, aber keine Totalfreigabe.

Armin Schuster, sächsischer Innenminister

Auch bei den sächsischen Behörden wird ähnlich wie in Bayern aufgrund der Legalisierung mit einem größeren Unfallrisiko im Straßenverkehr gerechnet. „Schon jetzt übersteigt der Anteil der Fahrten unter anderen berauschenden Mitteln, zum Beispiel Drogen, den der Fahrten unter Alkohol deutlich“, hieß es aus dem sächsischen Innenministerium weiter.

„Diese sogenannte Legalisierung ist nur eine Teil-, aber keine Totalfreigabe“, sagte Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) dem Tagesspiegel. „In Sachsen sorgen wir mit entsprechenden Regeln, Bußgeldern und der Polizei dafür, dass das klar ist“, fügte er hinzu. Vor allem im Straßenverkehr sei für die Sicherheit aller Beteiligten unerlässlich, dass weiterhin „strengste Grenzwerte“ gelten.

Dagegen sagte ein Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums, dass es für eine detaillierte Bewertung der Auswirkungen des Cannabis-Gesetzes nach gegenwärtigem Stand „heute noch zu früh“ sei. Allerdings erwarte die Polizei in Niedersachsen „erhebliche Mehraufwände aufgrund zunehmender Kontroll- und Überwachungstätigkeiten, gegebenenfalls steigender Unfallzahlen im Straßenverkehr sowie der Zunahme des illegalen Handels mit Cannabis auch im Bereich der Organisierten Kriminalität“.

Polizeibeamte sind im Görlitzer Park in Berlin unterwegs. Der Park gerät wegen der Drogendelikte immer wieder in die Schlagzeilen.

© picture alliance/dpa/Paul Zinken

Die Zuständigkeit der Ordnungsbehörden für die im Gesetz vorgesehenen Kontrollen sei gegenwärtig in Niedersachsen noch nicht abschließend geregelt, dies solle jedoch „möglichst zeitnah erfolgen“, sagte der Sprecher weiter. Derzeit laufe die Ressortabstimmung innerhalb der Landesregierung, die Staatskanzlei werde in den nächsten Wochen den Entwurf einer Zuständigkeitsverordnung verfassen. „Auch ein Bußgeldkatalog soll nach derzeitigem Stand der Planungen erstellt werden“, sagte der Sprecher weiter.

Im Rahmen der alltäglichen Polizeiarbeit würden selbstverständlich Kontrollen durchgeführt und Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz geahndet, hieß es zudem aus dem niedersächsischen Innenministerium. Verstöße gegen Lauterbachs Gesetz könnten derzeit aber noch nicht über die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik (PKS) abgebildet werden, sagte der Ministeriumssprecher. Nach einer Momentaufnahme mit dem Stand des 29. April seien aber seit dem Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes Straftaten im niedrigen dreistelligen Bereich zu verzeichnen, die überwiegend mit der Einfuhr und dem Handel zusammenhingen.

Die Anzahl der polizeilich erfassten Ordnungswidrigkeiten, bei denen es sich überwiegend um Missachtungen der Konsumverbotszonen handele, liege „im niedrigen zweistelligen Bereich“. Allerdings würden Ordnungswidrigkeiten nicht zentral erfasst, hieß es in Hannover einschränkend.

Noch zurückhaltender mit Blick auf aktuelle Zahlen zu den Verstößen gegen das Cannabis-Gesetz äußert man sich bei der Polizei in Berlin. Vereinzelt „konnte ordnungswidriges Verhalten festgestellt werden“, sagte eine Sprecherin des Polizeipräsidiums. Eine Auswertung im automatisierten Verfahren zur Zahl der Ordnungswidrigkeiten sei jedoch nicht möglich. Zuvor hatte eine Anfrage des Abgeordneten Vasili Franco (Grüne) an die Senatsgesundheitsverwaltung, über die der Tagesspiegel berichtet hatte, in Berlin die Zahl von 113 Straftaten zwischen dem 1. und dem 25. April im Zusammenhang mit dem Cannabis-Gesetz ergeben.

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