zum Hauptinhalt
Blick auf die AfD-Fraktion im Plenum des Bundestages Ende Januar.

© Imago/Thomas Trutschel/Archiv

Update

Auch Weidel und Chrupalla belastet: AfD soll mehr als 100 Rechtsextremisten im Bundestag beschäftigen

Bei der Bundestagsfraktion der AfD sind einer Recherche zufolge mehr Personen aus dem rechtsextremen Spektrum angestellt als bislang bekannt. Politiker fordern Konsequenzen für die Parlamentsarbeit.

| Update:

Die AfD-Fraktion und ihre Abgeordneten im Deutschen Bundestag sollen einem Medienbericht zufolge in ihren Büros mehr als 100 Personen beschäftigen, die in von deutschen Verfassungsschutzämtern als rechtsextrem eingestuften Organisationen aktiv sind.

Wie der Bayerische Rundfunk (BR) unter Berufung auf eigene Recherchen berichtet, werden einige der Angestellten „namentlich in Verfassungsschutzberichten erwähnt“ oder „bekleiden Führungspositionen in beobachteten Organisationen“.

Den Angaben zufolge hat das BR-Rechercheteam „aktuelle Mitarbeiterverzeichnisse aus der AfD-Fraktion einsehen“ dürfen sowie Zugang zu „internen Namenslisten aus dem Bundestag“ erhalten und somit die Hintergründe von Angestellten ermitteln können.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Bundestagsfraktion der AfD umfasst insgesamt 78 Abgeordnete. Nach eigener Auskunft von Mitte Februar hat sie 182 Mitarbeiter. Wie viele Mitarbeiter allerdings die Abgeordneten beschäftigen, ist unklar. Insgesamt stehen der AfD-Fraktion und ihren Abgeordneten jährlich mehr als 30 Millionen Euro für Mitarbeiter zur Verfügung.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Unter Verweis auf Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte hat die AfD-Fraktion keine Angaben machen wollen, heißt es. Dennoch hat der BR eigenen Angaben zufolge insgesamt „mehr als 500 Personen identifiziert, die für die AfD-Bundestagsfraktion oder ihre Abgeordneten arbeiten“.

Recherche belastet auch Fraktionsvorsitzende Weidel und Chrupalla

Demnach beschäftigt mehr als die Hälfte der AfD-Abgeordneten „Personen, die in Organisationen aktiv sind, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden“. Dies betreffe auch die Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla.

Unter den Angestellten sollen dem BR zufolge nicht nur Mitglieder der „Jungen Alternative“ (JA) sein, die das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als „gesichert rechtsextreme Bestrebung“ einstuft.

Auch Aktivisten aus dem Umfeld der „Identitären Bewegung“, der „Neuen Rechten“ und andere Rechtsextremisten, die etwa Verbindungen zur „Reichsbürger“-Szene und anderen rechtsextremen Gruppierungen pflegen, sollen dabei sein.

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, wies den Bericht als „Teil einer üblen Kampagne“ scharf zurück. Demnach handle es sich dabei um nebulöse Verdächtigungen. „Da ist nichts dran.“

AfD-Chefs weisen Bericht zurück

Die AfD-Partei- und Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla haben den Bericht des Bayerischen Rundfunks zurückgewiesen. „Das ist so lächerlich, an den Haaren herbeigezogen“, sagte Weidel bei einem Presse-Statement am Dienstag in Berlin vor einer Sitzung der Bundestagsfraktion. Es gehe darum, „die AfD weiter zu diskreditieren“.

Chrupalla nannte die Recherchen zu den Mitarbeitern diffamierend. Die Beschäftigten seien intern von der Fraktion geprüft worden „und alle, die hier arbeiten, die einen Hausausweis besitzen, sind auch vom Bundestag geprüft. Das sind unbescholtene Bürger, gegen die nichts vorliegt“. Chrupalla wies darauf hin, dass auch er in Sachsen einem AfD-Landesverband angehöre, der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde. „Was bin ich für Sie?“, fragte er die anwesenden Journalisten

Faeser spricht sich für schärfere Regeln aus

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat für verschärfte Regeln bei der Beschäftigung von Abgeordneten- und Fraktionsmitarbeitern plädiert. „Der Bundestag kann seine eigenen Regeln überprüfen und Verschärfungen diskutieren“, sagte Faeser der „Rheinischen Post“ vom Mittwoch. „Wir sind eine wehrhafte Demokratie und müssen alle Mechanismen nutzen, um diese vor ihren Feinden zu schützen.“

„Es muss alle Demokraten umtreiben, dass rechtsextremistische Netzwerke bis in den Bundestag reichen“, sagte Faeser. Die Regierung habe in solchen Fällen wegen der Gewaltenteilung aber keine Handhabe, hier könne nur das Parlament selbst aktiv werden.

Die Innenministerin verwies darauf, dass in Regierung und Behörden nur Menschen arbeiten dürften, „die fest auf dem Boden des Grundgesetzes agieren“. So habe sie das Disziplinarrecht gerade verschärft, damit Extremisten den demokratischen Staat nicht von innen sabotieren könnten.

„Die Einbindung der AfD in rechtsextremistische Netzwerke muss weiter genau geprüft werden“, forderte Faeser weiter. „Immer stärkere Verbindungen treten offen zutage.“ Organisationen wie die Identitäre Bewegung seien als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.

SPD fordert Konsequenzen aus der Recherche

Dirk Wiese, Vize-Chef der SPD-Bundestagsfraktion, fordert dagegen Konsequenzen: „Wenn es zutrifft, dass mehr als 100 Mitarbeiter der AfD im Bundestag dem rechtsextremen Milieu zuzuordnen sind, ist dies ein weiterer Beleg dafür, wie eng die AfD längst mit dem Rechtsextremismus verflochten ist.“ Die deutsche Geschichte lehre: „Rechtsextremisten, Reichsbürger und Nazis wollen unsere Demokratie kapern und können ausgerechnet im Parlament besonderen Schaden anrichten“, sagte Wiese dem Tagesspiegel am Dienstag. „Sie haben dort nichts zu suchen.“

Der Vize-Fraktionschef zeigte sich besorgt von den Erkenntnissen des Bayerischen Rundfunks. „Mich besorgt es sehr und es muss alle Demokratinnen und Demokraten in diesem Land umtreiben, dass die AfD engste Verbindungen zu rechtsextremistischen Netzwerken hat und diese selbst im hohen Haus des Deutschen Bundestages auf Staatskosten aktiv versucht zu installieren“, sagte Wiese.

Die erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, nannte die Enthüllungen „erschütternd“. „Dass die AfD waschechte Nazis und Rechtsextreme beschäftigt, überrascht mich nicht, das Ausmaß ist jedoch noch viel größer, als ich befürchtet habe“, sagte Mast dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Die AfD versucht gezielt, die Demokratie zu unterwandern.“ In der AfD sitze „ein Haufen rechter Nazis“, so Mast.

Bundestagspräsidentin soll „umgehend handeln“

Die Union sieht Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) in der Pflicht. „Sollte sich dieser Pressebericht bewahrheiten, muss die Bundestagspräsidentin umgehend handeln“, sagte Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) der Nachrichtenagentur AFP. „Es wäre ein Unding und absolut inakzeptabel, wenn die AfD Rechtsextremisten beschäftigt.“ Es wäre aus seiner Sicht auch „entlarvend, sollten tatsächlich Personen bei der AfD beschäftigt sein, die zuvor von der AfD wegen extremistischer Umtriebe offiziell ausgeschlossen worden sind.“

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann sagte, es müsse „Schluss sein mit der Banalisierung und der Verharmlosung der AfD“. Der Bundestag müsse sich mit den Erkenntnissen aus der Recherche befassen. „Es ist an der Zeit, sich das sehr genau anzuschauen“, sagte Haßelmann. „Das Innere dieses Parlaments“ müsse geschützt sein. Wer Verbindungen zu rechtsextremen Netzwerken pflegt, müsse geprüft werden - „auch mit allen Mitteln hier im Haus“.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr forderte eine öffentliche Diskussion darüber, „welche Leute dort mit Steuerzahlergeld finanziert werden von der AfD.“ Das sei zu hinterfragen. Es sei wichtig, die „Dinge zu entlarven“.

Bundestagspräsidium will über Folgen reden

„Ich bin sicher, dass die damit einhergehenden Fragen zur Sicherheit des Landes und von Abgeordneten und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit aller Dringlichkeit im Präsidium des Deutschen Bundestags intensiv erörtert werden“, sagte Wiese. „Unser Staat ist wehrhaft und wird Zähne zeigen. Verfassungsfeinde werden wir mit allen rechtsstaatlichen Mitteln konsequent bekämpfen – insbesondere in der Herzkammer unserer Demokratie.“

Zuvor hatten sich schon die Vize-Präsidentinnen des Parlaments, Yvonne Magwas (CDU) und Katrin Göring-Eckhardt (Grüne), zu den Ergebnissen der Recherche geäußert. „Wir müssen hier als Präsidium aktiv werden“, schrieb Magwas auf der Plattform X. Göring-Eckardt erklärte, Verfassungsfeinde dürften nicht mit Steuergeld finanziert werden.

Verfassungsschutz hat AfD im Blick

Der Verfassungsschutz hatte die Gesamtpartei im März 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft - eine Einschätzung, die rund ein Jahr später in erster Instanz durch das Verwaltungsgericht Köln bestätigt wurde.

Die AfD setzt sich dagegen juristisch zur Wehr. Im Verfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster gibt es an diesem Dienstag eine mündliche Verhandlung.

Im Februar hatte die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, das BfV habe ein neues Gutachten zur AfD bereits weitgehend fertiggestellt. Demnach möchte es allerdings die Ergebnisse des Münsteraner Gerichtsverfahrens abwarten, bevor es eine etwaige Neubewertung der Partei bekannt gibt.

Die AfD-Landesverbände in Sachsen und Thüringen werden von den dortigen Verfassungsschutzämtern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet. Der BR-Recherche zufolge arbeiten Dutzende Mitglieder aus diesen Landesverbänden für Abgeordnete und die Fraktion im Bundestag. (cst, dpa, AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false