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Pressestatement zur Festnahme.

© AFP/Michael Matthey

Update

„Reihenweise Vorladungen verschickt“: Ermittler übten offenbar Druck auf Familien der Ex-RAF-Mitglieder aus

Bundesinnenministerin Faeser (SPD) bezeichnet die Festnahme von Daniela Klette als „großen Erfolg der Polizei- und Ermittlungsbehörden“. Wie kam es dazu?

| Update:

Kurz nach der Verhaftung des früheren RAF-Mitglieds Daniela Klette haben Fahnder am Dienstag ebenfalls in Berlin einen weiteren Verdächtigen festgenommen. Der Mann wurde in der Nacht zu Mittwoch aus dem Gewahrsam entlassen, er gehöre nicht zu den gesuchten Ex-RAF-Leuten.

Es handele sich allerdings um eine Person im „gesuchten Alterssegment“ der einstigen RAF-Männer Burkhard Garweg, 55 Jahre, und Ernst-Volker Staub, 69, hatte das federführend ermittelnde Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen zuvor mitgeteilt.

Klette war fast 35 Jahre auf der Flucht, sie soll unbestätigten Angaben zufolge 20 Jahre unentdeckt in Berlin gelebt haben. Ein Hinweis aus dem November 2023 habe die Ermittler auf die Spur der Ex-Terroristin geführt, teilte Niedersachsens LKA-Chef Friedo de Vries mit: „Es stellte sich heraus, dass aus dem Hinweis eine echte Spur wurde.“

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Auch nach der Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ vor einigen Wochen sind demnach Hinweise eingegangen, die noch ausgewertet würden. Die Sendung habe 250 neue Hinweise gebracht, Tausende aber seien schon in den vergangenen neun Jahren bearbeitet worden, sagte de Vries.

Faeser: „Niemand sollte sich im Untergrund sicher fühlen“

Klette wurde am Dienstag mit einem Hubschrauber von Berlin nach Bremen geflogen, von dort aus zum Amtsgericht Verden gebracht. Der 65-Jährigen wurden am Dienstag sechs Haftbefehle wegen verschiedener Überfälle verkündet. Sie sitzt nun in Untersuchungshaft. Klette bestritt den LKA-Angaben zufolge ihre Identität nicht, machte aber keine Aussagen zu den konkreten Tatvorwürfen.

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens sprach nach der Festnahme von einem „Meilenstein“ in der deutschen Kriminalitätsgeschichte. Die SPD-Politikerin sagte, dass es sich um einen bedeutenden Tag für die Sicherheitsbehörden ganz Deutschlands handele.

Ermittler hatten Klette am Montagabend in Berlin-Kreuzberg festgenommen. Dort lebte sie in einer Mietwohnung, in der sie sich zum Einsatzzeitpunkt allein aufhielt. In der Wohnung, die nicht von Klette angemietet worden war, fanden die Polizisten eigenen Angaben zufolge zwei Magazine für eine Pistole sowie Munition. Eine Schusswaffe sei nicht sichergestellt worden.

Die mutmaßliche Ex-Terroristin wurde laut Staatsanwaltschaft durch Fingerabdrücke identifiziert. Klette habe in den vergangenen Jahrzehnten eine falsche Identität genutzt, hieß es, ein italienischer Pass mit anderem Namen werde derzeit untersucht.

Die Taten, die Klette mit RAF-Bezug begangen haben soll, sind womöglich verjährt. Der Staatsanwaltschaft Verden und dem LKA Niedersachsen geht es um in den letzten fast 25 Jahren verübte Raubüberfälle, an denen sie mit den früheren RAF-Männern Garweg und Staub beteiligt gewesen sein soll.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die Festnahme als „großen Erfolg“, der Rechtsstaat habe „langen Atem“ gezeigt: „Niemand sollte sich im Untergrund sicher fühlen.“

Auch auf die Familien der drei Gesuchten aus der RAF übten die Behörden offenbar Druck aus, zuletzt wurden Briefe und Computer ausgewertet. Zudem ermittelten die Fahnder intensiv in der autonomen Szene, unter mutmaßlichen Sympathisanten.

Behördlicher Druck auf autonome Szene

Noch vor einer Woche hieß es in der Szene: „Da die Verfolgungsbehörden völlig ahnungslos sind, wo die drei sind, verschickt die Staatsanwaltschaft Verden derzeit reihenweise Vorladungen.“ So steht es auf Indymedia, einer unter Linken vielfach genutzten Internet-Plattform. „Die Vernehmungen laufen so: Nach kurzem Vorgeplänkel wird das Video einer Überwachungskamera gezeigt, das den versuchten Überfall auf einen Geldtransporter in Stuhr (bei Bremen) zeigt. Aus dieser Situation resultiert der Vorwurf ,versuchter Mord’.“

Ein Trio hatte im Juni 2015 versucht, mit Maschinenpistolen bewaffnet vor einem Einkaufsmarkt in Stuhr in Niedersachsen einen Geldtransporter zu überfallen – die Waffen, so eine These der Ermittler, stammten aus RAF-Zeiten. Bei dem Überfall schossen die Täter auf den Geldtransporter.

In den letzten Monaten, hieß unter Autonomen, hätten die Ermittler in den Familien der Gesuchten sowie nach dem Leben in der unter Hausbesetzern beliebten Hafenstraße in Hamburg gefragt. In der Hafenstraße hatten sich RAF-Anhänger in den 80er-Jahren politisch engagiert. Der Eindruck in der Szene: Staatsanwaltschaft und Polizei wollten darauf hinwirken, dass sich die Gesuchten stellen.

Die RAF bezeichnete sich selbst als Stadtguerilla, ihr werden 33 Morde von Anfang der Siebziger- bis Anfang der Neunzigerjahre zugeschrieben. Im Jahr 1977 tötete sie Generalbundesanwalt Siegfried Buback und Dresdner-Bank-Vorstand Jürgen Ponto, 1989 den Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen bei einem Sprengstoffanschlag. Mit einem entsprechenden Schreiben löste sich die Terrorgruppe 1998 auf.

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