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Karl Lauterbach muss um seine Klinikreform kämpfen.

© dpa/Ann-Marie Utz

Showdown im Vermittlungsausschuss: Kann Lauterbach das Kliniksterben verhindern?

Viele Krankenhäuser stehen vor dem Konkurs. Gesundheitsminister Lauterbach will mit einer stärkeren Spezialisierung der Versorgung gegensteuern. Zum Ärger der Länder.

Zum Jahreswechsel blieb nur noch die Insolvenz. Seit Jahren schreibt die Klinikkette Regiomed hohe Verluste – ein Rettungsplan für das Unternehmen mit 5000 Beschäftigten und einem Dutzend Standorten scheiterte. Nun ist die medizinische Versorgung in der Region Oberfranken und Südthüringen in Gefahr.

Zwar geht der Betrieb vorerst weiter, doch seit dem Insolvenzantrag am 2. Januar läuft ein unheilvoller Countdown. Wenn in den kommenden Wochen keine Lösung gefunden wird, stünden das Mittelzentrum Coburg und vier weitere Städte ohne Krankenhaus da.

Kein Einzelfall. Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, warnt, dass 2024 bundesweit bis zu 80 Krankenhäuser Insolvenz anmelden könnten – nach 33 im vergangenen Jahr. Durch die Inflation, weniger Patienten und steigende Personalkosten rutschen immer mehr Krankenhäuser ins Minus. Laut DKG ist jedes vierte bis fünfte Krankenhaus gefährdet. Bis Ende 2023 sei ein Defizit von rund neun Milliarden Euro entstanden, sagte Gaß. Dieses steige 2024 Monat für Monat um 500 Millionen Euro an.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach will mit einer umfassenden Krankenhausreform gegensteuern. Doch die Landesgesundheitsminister wehren sich hartnäckig gegen seinen ersten Reformschritt. Denn mit dem Transparenzgesetz drängt der SPD-Politiker auf eine bessere Behandlung. Nur dann will er den Krankenhäusern Soforthilfen von sechs Milliarden Euro gewähren.

Länder fürchten digitalen Pranger

Im Internet sollen sich Patienten künftig informieren können, wie gut Krankenhäuser bestimmte Krankheiten und Operationen bewältigen. Lauterbachs Länderkollegen befürchten einen digitalen Pranger für Feld- und Wiesenkrankenhäuser, die bei komplizierten Eingriffen oft wenig Erfahrung haben. Seit dem Sommer blockieren sie deshalb das Transparenzgesetz.

Am Mittwoch entscheidet nun der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Lauterbach forderte die Länder am Wochenende noch einmal eindringlich auf, den Weg freizumachen. „Mit dem Transparenzgesetz können Insolvenzen in diesem Jahr abgewendet werden“, sagte er der „Rheinischen Post“.

Die Finanzsituation der Krankenhäuser wird sich verbessern.

Karl Lauterbach, Gesundheitsminister

Nach Tagesspiegel-Informationen zeichnet sich nach langem Ringen eine Zustimmung ab. Aus verschiedenen Quellen hieß es zuletzt, dass Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) aufgefordert habe, zuzustimmen. Er sei zuversichtlich, dass das Transparenzgesetz den Bundesrat beim nächsten Termin am 22. März passieren werde, erklärte Lauterbach.

Lauterbach bootet Länder aus

Für den Gesundheitsminister wäre das nur ein kleiner Etappensieg. Denn bereits Ende April soll das Bundeskabinett Lauterbachs grundlegende Reform der Klinikfinanzierung beschließen. Die umstrittenen Fallpauschalen sind für viele Häuser nicht mehr kostendeckend. Künftig sollen die Kliniken deshalb auch Geld dafür erhalten, dass sie Equipment und Personal für die Behandlung vorhalten. „Die Finanzsituation der Krankenhäuser wird sich verbessern“, wirbt Lauterbach. Viele bereits angemeldete Insolvenzen werde die Krankenhausreform noch abwenden, verspricht er.

Der Haken aus Sicht der Länder: Nicht alle Krankenhäuser werden die Reform überleben. Lauterbach will eine starke Spezialisierung durchsetzen und eine Einteilung nach sogenannten Leistungsgruppen vornehmen. Komplizierte Behandlungen, etwa von Krebspatienten, sollen nach Lauterbachs Willen nur noch in Universitätskliniken und anderen spezialisierten Häusern stattfinden.

Man braucht als Geschäftsführer eine klare Perspektive.

Michael Musick, Chef der insolventen Regiomed-Gruppe

Bedroht sind kleinere, kaum spezialisierte Kliniken – gerade wenn sie sich in der Nähe größerer medizinischer Zentren befinden. Besonders betroffen sind etwa Kleinstadt- oder Stadtteilkrankenhäuser in den Ballungsräumen von Nordrhein-Westfalen. Aber auch im ländlichen Raum dürfte manches Krankenhaus zum Ärztehaus mutieren.

Lauterbach möchte letztlich ein unkontrolliertes Kliniksterben durch den Abbau von überflüssigen Standorten ersetzen. Viele Landesgesundheitsminister sehen darin eine Einmischung. Denn für die Planung von Klinikstandorten sind eigentlich sie zuständig. In den Landesregierungen fürchtet man massiven Unmut in der Bevölkerung. Die Krankenhausreform könne für die Ampel das nächste Heizungsdebakel werden, heißt es aus Länderkreisen.

Universitätsklinikum Gießen und Marburg. Komplexere Eingriffe sollen in Zukunft eher in großen, spezialisierten Einrichtungen vorgenommen werden.
Universitätsklinikum Gießen und Marburg. Komplexere Eingriffe sollen in Zukunft eher in großen, spezialisierten Einrichtungen vorgenommen werden.

© dpa/Sebastian Gollnow

Lauterbach will sich von diesen Bedenken nicht länger aufhalten lassen. Seine Finanzierungsreform plant er nun so, dass die Länder ihr im Bundesrat nicht zustimmen müssen – was vor der Abstimmung über das Transparenzgesetz für neuen Unmut bei seinen Länderkollegen sorgte.

In den Kliniken schaut man verärgert auf den Bund-Länder-Streit. „Man braucht als Geschäftsführer eine klare Perspektive“, sagte Michael Musick, der Chef der insolventen Regiomed-Gruppe, dem MDR. Da sei bei der Krankenhausreform noch viel Luft nach oben.

Für seine Häuser zeichnet sich jetzt aber immerhin eine Lösung ab. Wie Ende vergangener Woche bekannt wurde, ist der Landkreis Coburg nun doch bereit, die Sanierung seiner Krankenhäuser mitzufinanzieren.

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