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Durchsuchungen in Berlin: Polizisten tragen sichergestellte Beweismittel aus einem Haus.

© dpa/Paul Zinken

Update

Sie sollten Waffen nach Berlin bringen: Vier mutmaßliche Hamas-Mitglieder unter Terrorverdacht festgenommen

Plant die Hamas nun auch Anschläge auf Juden in Europa? Darauf deuten Festnahmen in Berlin und Rotterdam sowie in Dänemark hin. Am Abend gab es Durchsuchungen in der Bundeshauptstadt.

| Update:

Weil sie Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Europa geplant haben sollen, hat die Bundesanwaltschaft am Donnerstag in Deutschland und den Niederlanden vier mutmaßliche Mitglieder der radikalislamischen Hamas festnehmen lassen.

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gab es drei Festnahmen in Berlin und eine in Rotterdam. In der Bundeshauptstadt wurden demnach durch das Bundeskriminalamt (BKA) Haftbefehle gegen den im Libanon geborenen Abdelhamid Al A. und den Ägypter Mohamed B. vollstreckt sowie der ebenfalls aus dem Libanon stammende Ibrahim El-R. vorläufig festgenommen. Der Niederländer Nazih R. wurde der Mitteilung zufolge auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls durch die niederländische Polizei festgenommen.

Terrorverdächtige sollen Erddepot mit Waffen gesucht haben

Die Festgenommenen stehen demnach im Verdacht, dass sie ein Waffendepot ausfindig machen wollten.Spätestens ab dem Frühjahr 2023 war Abdelhamid Al A. damit befasst, im Auftrag der Hamas ein Erddepot mit Waffen in Europa ausfindig zu machen, das die Organisation dort in der Vergangenheit konspirativ angelegt hatte“, teilte die Bundesanwaltschaft mit. „Seine Weisungen nahm er von Führungskadern der Hamas im Libanon entgegen.“

Im Oktober hätten sich die drei in Berlin wohnhaften Männer mehrfach von dort aus auf die Suche nach den Waffen gemacht. Die Waffen hätten nach Berlin gebracht und für mögliche Anschläge in Europa bereitgehalten werden sollen. Konkrete Anschlagsziele gab es – nach bisherigem Kenntnisstand der Behörden – noch nicht.

Generalbundesanwalt: Kontakte bis in die Hamas-Spitze

Alle vier Festgenommenen sind der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung dringend verdächtig. „Abdelhamid Al A., Mohamed B., Ibrahim El-R. und Nazih R. sind seit Jahren Mitglieder der Hamas und beteiligten sich an Auslandsoperationen der Vereinigung“, hieß es in der Mitteilung der Bundesanwaltschaft.

Das Trio verfüge über eine enge Anbindung an Führungskräfte der „Izz al-Din al-Qassem“-Brigaden, den militärischen Flügel der Hamas. Auch der vor kurzem getötete stellvertretende Kommandeur der „Izz al-Din al-Qassem“-Brigaden, Khalil Hamed Al Kharraz, habe zu ihren Kontaktpersonen gehört.

Ibrahim El-R., mit Geburtsjahrgang 1967 der älteste der mutmaßlichen Verschwörer, wurde bislang nur vorläufig festgenommen, er gilt lediglich als Unterstützer des Trios. Ein Ermittlungsrichter soll am Freitag darüber entscheiden, ob auch gegen ihn ein Haftbefehl erlassen wird.

Fünf Wohnungen und ein Restaurant in Berlin durchsucht

Wie die ARD berichtete, wurden am Donnerstagabend fünf Wohnungen und ein Restaurant in Berlin durchsucht. Eine der Wohnungen befindet sich der „Welt“ zufolge in der Alten Jakobstraße in Mitte.

In Berlin rückte die Polizei zu sechs Durchsuchungen aus.
In Berlin rückte die Polizei zu sechs Durchsuchungen aus.

© dpa/Paul Zinken

Maskierte Einsatzkräfte stürmten demnach, begleitet von Hunden, ein Mehrfamilienhaus. Die dortige Wohnung soll dem Unterstützer Ibrahim El-R. gehören. Auch die Anti-Terror-Einheit GSG 9 war in Berlin im Einsatz.

Sicherheitskreise: Erster Hinweis auf die Männer bereits aus dem Sommer

Die Aktivitäten der Männer fielen den Behörden nicht erst nach dem Überfall der Hamas in Israel am 7. Oktober auf. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen soll der erste Hinweis bereits aus dem vergangenen Sommer stammen.

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Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass die Männer als Mitglieder der Hamas Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Europa geplant haben, wäre dies ein Novum. Bislang war Deutschland für Hamas-Mitglieder nach Einschätzung des Verfassungsschutzes ein Rückzugsort, an dem höchstens versucht wurde, Propaganda zu betreiben und Spenden zu sammeln. Um auch dies zu unterbinden, waren in den Jahren 2002 und 2005 zwei der Hamas nahe stehende Vereine verboten worden.

Zentralrat der Juden dankt den Sicherheitsbehörden

„Mein Dank gilt allen Beteiligten, die mit diesem Ermittlungserfolg ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass Jüdinnen und Juden in Europa weiterhin in Sicherheit und Frieden leben können“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). „Wir müssen daher alles dafür tun, damit Jüdinnen und Juden in unserem Land nicht abermals um ihre Sicherheit fürchten müssen.“

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lobte die Arbeit der Sicherheitsbehörden.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lobte die Arbeit der Sicherheitsbehörden.

© IMAGO/Bernd Elmenthaler/IMAGO/Bernd Elmenthaler

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, die Festnahmen zeigten, „dass unsere Sicherheitsbehörden äußerst wachsam sind und konsequent handeln“. „Wir haben die islamistische Szene im Visier.“

Der Zentralrat der Juden zeigte sich besorgt über die möglichen Anschlagspläne der Hamas. Dies „zeigt in erschreckender Weise, wie akut die terroristische Bedrohung auch in Deutschland ist“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster. „Gleichzeitig ist es beruhigend, mit welch wachem Blick die Sicherheitsbehörden jüdisches Leben in Deutschland schützen. Ihnen gilt mein Dank.“

Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, warnte vor den Gefahren für jüdisches Leben.
Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, warnte vor den Gefahren für jüdisches Leben.

© dpa/Jörg Carstensen

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) dankten den beteiligten Einsatzkräften. „Die Berliner Sicherheitsbehörden waren frühzeitig eingebunden und haben heute die Maßnahmen des BKA unterstützt“, teilten Wegner und Spranger mit. „Das zeigt, dass die Sicherheitsbehörden länderübergreifend und auf allen Ebenen gut und engmaschig - auch bei Terrorismusverdacht - zusammenarbeiten.“

Der islamistische Terrorismus stelle nach wie vor eine ernste Bedrohung in Deutschland dar. „Wir werden weiterhin entschlossen und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen Terrororganisationen, Antisemitismus und Israelfeindlichkeit vorgehen.“ Der Schutz jüdischen Lebens habe für sie höchste Priorität. 

Verfassungsschutz: rund 450 Hamas-Mitglieder in Deutschland

Seit dem Terrorangriff vom 7. Oktober nehmen Befürchtungen zu, dass es auch in Deutschland zu Anschlägen kommen könnte. Erst Anfang November hatte Faeser ein Betätigungsverbot für die Hamas erlassen. Außerdem sprach Faeser ein Vereinsverbot für den deutschen Ableger des palästinensischen Netzwerkes Samidoun aus. In Deutschland geht das Bundesamt für Verfassungsschutz von rund 450 Mitgliedern der Hamas aus.

Im Gegensatz zu islamistischen Terrorgruppen wie Al-Kaida oder Islamischer Staat (IS) verübte die Hamas bisher keine Anschläge in westlichen Staaten, sondern ausschließlich in Israel und den Palästinensergebieten.

Festnahmen auch in Dänemark – aber kein Hinweis auf gemeinsame Pläne

In Dänemark gaben die Behörden am Donnerstag Festnahmen von drei Verdächtigen wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Terrorangriffs bekannt. Nach israelischen Erkenntnissen haben auch diese Verbindungen zur Hamas – die dänischen Behörden bestätigten dies bislang nicht.

In einer Mitteilung des Büros des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu war unter Berufung auf den Auslandsgeheimdienst Mossad von sieben Festgenommenen in Dänemark die Rede. Nach dpa-Informationen gehen die Sicherheitsbehörden in Deutschland bislang nicht von gemeinsamen Plänen dieser Verdächtigen mit den in Rotterdam und Berlin festgenommenen Männern aus.

Angaben zu möglichen Terrorzielen oder zum dahintersteckenden Motiv machten die dänischen Behörden nicht. Der operative Leiter des Geheimdienstes PET, Flemming Drejer, sagte auf einer kurzen Pressekonferenz in Kopenhagen lediglich, ihnen würden Verstöße gegen Terrorgesetze vorgeworfen. Auch er sprach von einer weiteren Festnahme in den Niederlanden.

Die Ermittlungen hätten ein Netzwerk an Personen offengelegt, die dabei gewesen seien, eine Terrortat vorzubereiten, sagte Drejer. Es gebe Verbindungen ins Bandenmilieu und ins Ausland. (Tsp, AFP, dpa)

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