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Verteidigungsminister Boris Pistorius sieht sich mit der Forderung konfrontiert, mehr deutsche Leopard-2-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Bisher waren es 18 Stück.

© IMAGO/Political-Moments/imago stock

„Jeder Leopard 2 ist für die Offensive Gold wert“: Ukraine bittet um deutlich mehr deutsche Panzer

Kiews stellvertretender Außenminister bittet angesichts der militärischen Lage um zusätzliche Leopard-2-Kampfpanzer und weiteres schweres Gerät. In Berlin finden sich bereits Unterstützer.

Mit dem Beginn der ukrainischen Gegenoffensive, die am Freitag vom russischen Präsidenten Wladimir Putin und am Wochenende mit Einschränkungen auch vom Kiewer Staatschef Wolodymyr Selenskyj bestätigt wurde, mehren sich erneut die Rufe nach stärkerer westlicher Unterstützung.

Zudem kam es offenbar gleich in der Anfangsphase zum Verlust schweren Geräts, das die Verbündeten geliefert hatten. So verlieh Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Sonntag Medaillen an Soldaten, die nach Moskauer Angaben bei der Abwehr eines ukrainischen Gegenangriffs vier deutsche Leopard-Panzer und fünf Bradley-Kampffahrzeuge aus US-Produktion zerstört haben sollen.

„Die ukrainische Armee braucht am dringendsten viel mehr westliche Kampfpanzer, Schützenpanzer und weitere gepanzerte Fahrzeuge“, sagte Kiews Vize-Außenminister Andrij Melnyk, zuvor Botschafter seines Landes in Berlin, dem Tagesspiegel: „Jeder Leopard 2 ist für die entscheidende Offensive buchstäblich Gold wert.“

Die Bundeswehr wäre seiner Ansicht nach in der Lage, mehr als die bereits gelieferten 18 Stück aus ihrem Bestand von mehr als 300 zur Verfügung zu stellen. Die aktuelle Zahl könne „verdreifacht werden, ohne die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu gefährden.“

Melnyk bat zudem darum, der Ukraine „weitere 60 Marder-Schützenpanzer“ zu überlassen. Auch Kiews Bürgermeister Witali Klitschko sagte der „Bild am Sonntag“ mit Verweis auf die aktuelle Lage: „Es braucht weitere Panzerlieferungen auch aus Deutschland“.

„Zerstörtes Material umgehend ersetzen“

Unterstützt wird die Forderung vom CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter. So müssten „die Unterstützer sämtliches zerstörte Material – also auch Leopard-Kampfpanzer und Schützenpanzer - umgehend ersetzen sowie weiteres Material liefern“.

Der FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber äußerte sich ähnlich: „Deutliche Aussagen zum Ersatz des verlorenen Materials kann die Überfallenen in ihrer Offensive unterstützen“, sagte er dem Tagesspiegel: „Beispielsweise hat der Bundestag den Ersatz von Leopard2-Abgaben aus der Bundeswehr beschlossen - hier können wir die Stückzahlen zur Hilfe also erhöhen.“

Das Verteidigungsministerium wollte sich dazu am Sonntag nicht äußern.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, verwies darauf, dass Deutschland die Militärhilfe bereits deutlich ausgeweitet, zuletzt ein 2,7-Milliarden-Euro-Unterstützungspaket geschnürt „und damit die ukrainische Offensive tatkräftig unterstützt“ habe. Zudem sei klar, dass hinsichtlich einer weiteren Unterstützung „unser Willen dazu nicht erlahmen“ werde.

„Was wir zusätzlich liefern müssen, werden wir an die Lage anpassen“, kündigte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) an, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. 

„Deutschland tut, was es kann, wenn es um die Lieferung aus Beständen und die Ausbildung geht“, erklärte die Grünen-Verteidigungspolitikerin Sara Nanni: „Drängendste Herausforderung für die Ukraine bleibt die dauerhafte Versorgung mit Munition.“

Weitergehende Forderungen nehmen zu

Die Forderungen gehen immer noch weit darüber hinaus. Melnyk erinnerte an eine offenbar bereits im vergangenen Jahr ausgesprochene Bitte an die Bundeswehr, „zehn Prozent des Bestandes von Puma-Schützenpanzern (350),  Radpanzern Boxer (400), Transportpanzern Fuchs (900) oder Spähpanzern Fennek (220) zur Verfügung zu stellen“.

Er erneuerte zudem die Bitte nach Marschflugkörpern vom Typ Taurus und dem Aufbau einer schlagkräftigen ukrainischen Luftwaffe.

Die Ukraine warte, so der Vize-Außenminister, „auf die strategische Entscheidung Deutschlands, an der Kampfjet-Koalition aktiv teilzunehmen, das Training ukrainischer Piloten an Eurofightern sofort zu ermöglichen und einen Teil von über 130 Flugzeugen beizusteuern“.

Bei einem Überraschungsbesuch des kanadischen Premiers Justin Trudeau am Samstag hatte dieser nicht nur weitere Militärhilfe angekündigt, sondern auch die Ausbildung ukrainischer Kampfpiloten angekündigt.

Man müsse die Erwartungen an die ukrainische Gegenoffensive „sehr niedrig“ halten, solange Kiews Verbündete dem Land das Gefecht mit verbundenen Waffensystemen verweigerten, sagte der CDU-Politiker Kiesewetter.

Die Ukraine könne den quantitativen Nachteil an Personal und Material auf dem Schlachtfeld nur ausgleichen, „wenn Waffensysteme geliefert werden, die es der Ukraine ermöglichen, russische Versorgungslinien weit hinter der Front zu zerstören“.

Die ukrainischen Streitkräfte haben bei ihrer Offensive gegen die russische Armee im Gebiet Saporischschja im Süden des Landes nach Einschätzung westlicher Experten dennoch lokale Erfolge erzielen können.

Die Gewinne gebe es im Westen des Gebiets Saporischschja und dort im Südwesten und Südosten der Stadt Orichiw, teilte das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) in Washington am Sonntag mit.

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