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Boris Pistorius hat kürzlich die 10. Panzerdivision im fränkischen Veitshöchheim besucht - sie soll der Leitverband der Division sein, die ab 2025 der Nato zur Verfügung stehen soll.

© dpa/Heiko Becker

Bundeswehr erfüllt Nato-Zusage nur bedingt: „Minister Pistorius muss jetzt echt Gummi geben“

Vor zehn Monaten hat Kanzler Scholz der Allianz ein weitreichendes Versprechen gegeben. Eingehalten werden kann es aber nur mit Einschränkungen.

Olaf Scholz hat die Erwartungen an den deutschen Beitrag zur Verteidigung von EU und Nato mächtig in die Höhe geschraubt. „Deutschland wird in Europa bald über die größte konventionelle Armee im Rahmen der Nato verfügen“, erklärte der SPD-Kanzler Ende Mai vergangenen Jahres.

Mit Zusatzschulden von 100 Milliarden Euro – so die Botschaft an die europäischen Partner – werde nicht nur Deutschlands Abwehrbereitschaft gestärkt, sondern die aller Verbündeten.

Als die Staats- und Regierungschef des westlichen Verteidigungsbündnisses einen Monat später in Madrid zusammenkamen, um die Zahl schnell einsetzbarer Nato-Truppen gegen eine mögliche russische Aggression zu erhöhen, legte der Kanzler ebenfalls noch einmal nach.

„Die Bundeswehr“, so sein Versprechen, „wird zusätzlich und in hoher Einsatzbereitschaft im Kern eine gepanzerte Division in der Größenordnung von 15.000 Soldatinnen und Soldaten zur Verteidigung Nordosteuropas, über 60 Flugzeuge und bis zu 20 Marineeinheiten dauerhaft vorhalten.“

Strittig war damals schon, wie schnell die Versiebenfachung jederzeit verfügbarer Kräfte auf 300.000 gelingen solle. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gab damals als Zieltermin den nächsten Gipfel Anfang Juli in Litauen aus, was die Bundesregierung damals schon als unrealistisch einschätzte. Fix war jedoch die Zusage, dass die von Scholz genannte Division ab 2025 bereitstehen solle. Ihr Leitverband wird die 10. Panzerdivision im fränkischen Veitshöchheim sein.

Nun wackelt aber auch diese Zusage. Zumindest kann laut einem Schreiben von Heeresinspekteur Alfons Mais an Generalinspekteur Carsten Breuer, über das am Dienstag die „Bild“ berichtete, die Einsatzbereitschaft der ab 2025 zugesagten Division nur „bedingt“ hergestellt werden. Deren volle Ausstattung sei auch dann nicht möglich, wenn auf andere Bestände des gesamten Heeres zurückgegriffen werde.

„Nicht ausreichend mit Großgerät ausgestattet“

Es könne damit „seine Verpflichtungen gegenüber der Nato nur eingeschränkt wahrnehmen“, zitierte die Zeitung den Brief weiter. Die Bereitstellung einer zweiten einsatzbereiten Division bis zum Jahr 2027 sei sogar gänzlich „unrealistisch, da sie der bisherigen Beschaffungsplanung zufolge „nicht ausreichend mit Großgerät ausgestattet sein“ werde.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kennt die Umsetzungsprobleme, stellt aber den Zeitplan deshalb nicht grundsätzlich infrage. „Die Bundeswehr wird der Nato vom Jahr 2025 an wie zugesagt eine einsatzbereite Division stellen“, sagte ein Sprecher seines Ministeriums dem Tagesspiegel mit Blick auf das Schreiben des Heeresinspekteurs.

Das Zögern und Zaudern der Bundesregierung beim Thema Beschaffung führt jetzt dazu, dass Deutschlands guter Ruf bei seinen Verbündeten nachhaltig Schaden nimmt.

Florian Hahn (CSU), verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag

„,Bedingt‘ heißt in diesem Fall, dass vielleicht noch auf ältere Waffensysteme oder auf solche aus anderen Truppenteilen zurückgegriffen werden muss.“ Aber auch damit werde die Bündniszusage eingehalten, „so, wie das auch der Fall war, als bei den Schützenpanzern Marder statt Puma angemeldet wurden.“

Strack-Zimmermann vom Kanzler überrascht

Als so harmlos empfindet die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag den Vorgang nicht – auch wenn die Probleme bei der Ausrüstung alles andere als neu sind. „Es ist keine Überraschung, dass eine voll ausgerüstete Division bei den bestehenden Problemen der Bundeswehr so schnell nicht erreicht werden kann“, sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) dem Tagesspiegel: „Eine Überraschung war eher, dass der Kanzler in Madrid überhaupt so kühn war und versprochen hat, den Zeitplan dafür von 2027 auf 2025 vorzuziehen.“

Dies sei angesichts der Sicherheitslage in Europa zwar „gut gemeint“ gewesen, nun aber müsse die Truppe Gerät aus anderen Bereichen der Bundeswehr abziehen, bis die Neuanschaffungen die Streitkräfte erreichten: „Minister Pistorius muss jetzt bei der Organisation und bei der Beschaffung echt Gummi geben.“

Die Union als größte Oppositionspartei beklagt in diesem Zusammenhang „das verlorene erste Jahr Sondervermögen ohne eine einzige nennenswerte Beschaffung“, wie ihr verteidigungspolitischer Sprecher Florian Hahn (CSU) dem Tagesspiegel sagte: „Das Zögern und Zaudern der Bundesregierung beim Thema Beschaffung führt jetzt dazu, dass Deutschlands guter Ruf bei seinen Verbündeten nachhaltig Schaden nimmt.“

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