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Vor der Hessen-Wahl steht die Weiterführung der schwarz-grünen Koalition zumindest auf der Kippe.

© dpa/Frank Rumpenhorst

Vor der Hessenwahl: Welche Koalitionen wahrscheinlich sind - und welche nicht

Vor der Landtagswahl in Hessen scheinen viele Koalitionen möglich. Eine Übersicht - und eine Wahrscheinlichkeitsprognose.

Von Robert Birnbaum

SCHWARZ-GRÜN

Volker Bouffier als Ministerpräsident gerettet, das schwarz-grüne Bündnis bestätigt – für die CDU-Chefin Merkel wäre das der Idealfall. Denn obwohl das bisher niemand offen thematisiert hat: Hessen ist auch ein Test darauf, ob sich für die CDU die Öffnung zur liberal-grünen Mitte hin gelohnt hat. Gerade die hessischen Christdemokraten galten traditionell eigentlich eher als konservativer Kampfverband. Den Umschwung hatte schon Roland Koch eingeleitet. Aber den kann heute niemand mehr zur Verantwortung ziehen von denen, die diesen Weg falsch finden.

Für Merkel als Kanzlerin allerdings könnte das parteipolitisch so erfreuliche Ergebnis zum Bumerang werden. Geht es nämlich zu stark auf Kosten der SPD, bricht ihr als Nächstes womöglich in Berlin der Koalitionspartner weg. Bei den Sozialdemokraten würde eine Bestätigung von Schwarz-Grün schließlich die Sorge bestärken, auf absehbare Zeit ohne Koalitionsoption dazustehen.

Wahrscheinlichkeit: Auf der Kippe

SCHWARZ-ROT

Eine Hessen-Groko – für die schwarz-rote Regierungskoalition in Berlin wäre das ein Ausgang zwischen Aufatmen und Aufseufzen. Vor allem in der SPD ist der Bund der alten Volksparteien ja mittlerweile ziemlich unbeliebt. Aber Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel zählt zum Realo-Lager der Sozialdemokraten. Für ihn dürfte Mitregieren am Ende besser sein als nicht regieren, zumal dieser Zweierbund in Hessen wohl nur zustande käme, wenn seine SPD stärker abschneiden würde als erwartet. Das ist nicht undenkbar: In Hessen halten sich CDU und SPD normalerweise die Waage.

Eine große Koalition in Wiesbaden nähme auch den Gegnern der Bundes- Groko viel Wind aus den Segeln. Merkel und Nahles bekämen wohl noch eine Chance, das schlechte Erscheinungsbild ihrer Koalition nachzubessern.

Wahrscheinlichkeit: Nicht so hoch

SCHWARZ-GRÜN-GELB

Eine schwarz-grün-gelbe Jamaikakoalition hätte aus Sicht aller drei Partner einigen Charme. Bouffier bliebe Ministerpräsident und die CDU dominierende Kraft. Die Grünen wären als Partner gestärkt und könnten ihr Programm ohne zu große Abstriche weiterverfolgen. Und die FDP könnte den Makel abstreifen, dass sie vor bunten Bündnissen davonläuft, sobald es ernst wird. Dass alle drei sich ein Modell für die nächste Bundestagswahl schaffen könnten, das unter dem Konsenskünstler Bouffier obendrein erfolgversprechend erscheint, erhöht den Reiz nur noch.

Die Berliner Regierungsgeschäfte würde Jamaika an Rhein und Main nicht stören. Die SPD würde sich sicher anderes wünschen. Aber wer ums eigene Überleben kämpft, darf schon froh sein, wenn er ein rettendes Floß erobert und muss den anderen die Insel überlassen.

Wahrscheinlichkeit: Recht hoch

ROT-ROT-GRÜN

Im dritten Anlauf Ministerpräsident zu werden, wäre für Thorsten Schäfer-Gümbel die Erfüllung eines Traums. Doch die eher konservative Hessen-SPD hat Rot-Rot- Grün schon einmal durchfallen lassen. Kanzlerin und Spitzengenossen in Berlin wären ebenfalls nicht angetan, würde ein Modellfall im Herzen des Westens doch brisante Debatten über ein Linksbündnis im Bund auslösen. Auch die Grünen dürften nach kurzem Bedenken abwinken.

Wahrscheinlichkeit: Sehr gering

GRÜN-ROT-ROT

Gehen die Grünen vor der SPD ins Ziel, wäre auch ein umgekehrter R2G-Bund denkbar – Grün mit zwei roten Partnern. Für Hessens Chefgrünen Tarek Al-Wazir liegt die Versuchung nahe, auf Winfried Kretschmanns Spuren als grüner Ministerpräsident zu wandeln. Ihr nachzugeben hätte allerdings einen Preis: Auf dem Marsch zur ökoeuroliberalen Volkspartei könnte den Grünen ein klares Linksbündnis in die Quere kommen. Denn zuletzt die Bayern-Wahl hat gezeigt: Der grüne Aufschwung wird von einst SPD- wie von früher unionsnahen Wählern getragen.

In Berlin wäre Merkel das Opfer dieser Konstellation. AfD befördert und Grünen zur Macht geholfen – das wäre zu viel.

Wahrscheinlichkeit: Ziemlich gering

Lichtgestalt? Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) kämpft in Hessen um die Rückkehr seiner Partei in die Regierung.
Lichtgestalt? Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) kämpft in Hessen um die Rückkehr seiner Partei in die Regierung.

© REUTERS/Kai Pfaffenbach

ROT-GRÜN-GELB

Oft genannt, selten verwirklicht: Die rot-grün-gelbe Ampel gilt nur noch als mathematische Notlösung, seit sich die FDP unter Guido Westerwelle im „bürgerlichen“ Lager verortete. Christian Lindner liegt wenig daran, Offenheit nach links zu demonstrieren; die FDP-Auferstehung verdankt er vor allem CDU-Abtrünnigen. Den Grünen drängt sich ein Seitenwechsel in Hessen ebenfalls nicht auf.

In der Berliner Koalition wäre zweifellos Merkel die Leidtragende – muss Bouffier aus der Staatskanzlei, droht ihr Ärger. Die Sozialdemokraten würde ein neuer SPD-Ministerpräsident selbst über schwache Prozentwerte hinwegtrösten.

Wahrscheinlichkeit: Gering

GRÜN-ROT-GELB

Bisher kam eine grün-rot-gelbe Koalition nicht infrage, deshalb hat sie keinen Namen – vielleicht Grampel? Die Ampel auf dem Kopf, Grün oben, böte Hessens Chefgrünem Tarek Al-Wazir die zweite Möglichkeit, vom beliebtesten zum mächtigsten Politiker im Land aufzusteigen. Die Kombination ist indes so unwahrscheinlich wie die Ampel, zumal obendrein die SPD sich einer Partei unterwerfen müsste, die sie bisher als „kleine“ behandelt hat.

Der Berliner Groko könnte eine Grampel allerdings den Todesstoß geben. Merkel könnte sich nur schwer des Vorwurfs erwehren, dass ihr Helfer Bouffier der Öko-Truppe den Weg bereitete.

Wahrscheinlichkeit: Sehr gering

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