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So vertraut treten Umweltministerin Steffi Lemke (l.), Familienministerin Lisa Paus und Vizekanzler Robert Habeck nicht immer auf.

© Geisler-Fotopress/Bernd Elmenthaler

Wer hat die Macht bei den Grünen?: Der alte Flügelstreit bricht zunehmend auf

Formal gilt Habeck als der starke Mann bei den Grünen. Doch Machtfragen machen dem Realo zu schaffen. Anders als Lindner und Scholz ist er in seiner Partei nicht unangefochten.

Robert Habeck ist kaum zu stoppen: „Das ist kein Glanzstück gewesen“, sagt er im ZDF-Interview über die Blockade des sogenannten Wachstumschancengesetzes durch die grüne Familienministerin Lisa Paus. Mit der rechnet Habeck auf offener Bühne ab: „Wir versauen es uns permanent selbst“, sagt Habeck genervt, die Blockade von Paus sei wohl durch „Frust und falsche Taktik“ zustande gekommen.

Am Mittwochabend ist ein Vizekanzler zu beobachten, wie man ihn bislang selten erlebt hat. Dabei scheint Habeck nicht nur zu nerven, dass es mal wieder Streit in der Ampel gibt – ein Zustand, den er in den vergangenen Wochen mehrfach überwunden wissen wollte. Doch mit seiner unverhohlenen Kritik an seiner Parteifreundin scheint er auch klarmachen zu wollen, wer bei den Grünen das Sagen hat.

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Denn darüber wird innerhalb der Partei, aber auch von außen immer wieder spekuliert. Formal gilt Habeck als Vizekanzler und Wirtschaftsminister als der starke Mann bei den Grünen, die entscheidenden Verhandlungen führt er gemeinsam mit Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner.

Der alte Flügelstreit bricht zunehmend auf

Doch anders als Lindner und Scholz ist Habeck bei den Grünen nicht unangefochten, hat weniger Beinfreiheit. Entscheidungen werden bei den Grünen generell in der sogenannten Sechserrunde mit Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock, den Parteichefs Omid Nouripour und Ricarda Lang sowie den Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann getroffen.

Doch in der Runde ruckelt es immer wieder. Es werde zwar viel beraten, aber wenig entschieden, heißt es von Kritikern aus den eigenen Reihen. Die kurzzeitige Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, der Streit bei der Reform der Asylpolitik, die Hängepartie im 30-stündigen Koalitionsausschuss – überall habe das Gremium keine rasche Position gefunden. Nach Paus’ Blockade in der vergangenen Woche gab es nicht einmal eine Telefonschalte der Runde.

Dabei hat die Aktion von Paus massiv Habecks Autorität beschädigt, schließlich hatte der Wirtschaftsminister dem Wachstumschancengesetz, das im Kern einige Steuererleichterungen für Unternehmen vorsieht, bereits zugestimmt.

Die Blockade der Familienministerin mit Verweis auf die Kindergrundsicherung, der sich dann auch noch Umweltministerin Steffi Lemke (wie Paus vom linken Parteiflügel) anschloss, war ein Affront. Selbst linke Grüne bezeichnen dies hinter vorgehaltener Hand als taktischen Fehler. Zumal Habeck noch aus dem Urlaub versuchte, Paus umzustimmen. Vergeblich.

Die gleichen Personen sehen aber auch Habecks ZDF-Abrechnung kritisch. Durch die öffentliche Kritik mache er den Grünen-Streit für alle sichtbar und schwäche sich und die Verhandlungsposition der Grünen bei der Kindergrundsicherung.

Politik ist sehr kompetitiv. Wenn man Schwächen zeigt, ist die Chance immer groß, dass jemand draufhaut.

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) kurz nach ihrem Amtsantritt über Schwäche in der Politik

Das Wachstumschancengesetz wird auf der Kabinettsklausur in Meseberg wohl beschlossen. Ein Durchbruch bei der Kindergrundsicherung lässt dagegen weiter auf sich warten. Dabei ist sie für große Teile der Partei das wichtigste sozialpolitische Vorhaben in dieser Legislaturperiode.

Umso verwunderter ist man daher in der Grünen-Fraktion, dass Habeck seine Zustimmung zum Wachstumschancengesetz nicht mit der Kindergrundsicherung verknüpft hat. Für manche Beobachter ist es der Ur-Fehler der ganzen Problematik – ausgelöst durch Habeck und seine Staatssekretärin Anja Hajduk, die eigentlich die Interessen der Grünen in den Ressortverhandlungen berücksichtigen soll.

Den schwersten Schaden könnte dabei Habeck erleiden, denn je länger die Kindergrundsicherung in der Luft hängt, desto größer werden die Vorbehalte gegen den Oberrealo in der Partei. Der alte Flügelstreit bricht zunehmend auf, zudem drohen zwei Enttäuschungen bei den Wahlen in Bayern und Hessen. Und über allem schwebt der unausgesprochene Machtkampf, der im Hintergrund mit Baerbock um die Kanzlerkandidatur gärt.

Paus’ Blockade hat Habecks Schwäche offenbart. Was das für den Vizekanzler bedeutet, hat die Familienministerin selbst einmal im „Spiegel“ gesagt: „Politik ist sehr kompetitiv. Wenn man Schwächen zeigt, ist die Chance immer groß, dass jemand draufhaut.“

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