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Eine der großen Nachkriegsgesten: Helmut Kohl und François Mitterrand stehen 1984 Hand in Hand an den Soldatengräbern von Verdun.

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Zerwürfnis zwischen Scholz und Macron: Die Vorgänger mit Bilderbuch-Verhältnis

Bundeskanzler Scholz und Frankreichs Präsident Macron „können“ nicht miteinander. Manche ihrer Vorgänger kamen hingegen exzellent miteinander aus. Das hatte historische Dimension.

Sie galt als ein politisches Wunder: die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich nach 1945 und diversen Kriegen, einer „Erbfeindschaft“. Am engsten verknüpft ist sie mit dem ersten Kanzler Konrad Adenauer (CDU), einem katholisch, konservativ, karolingisch geprägten Mann, der im Rheinland, also in relativer Nähe zu Frankreich aufwuchs und wirkte – und Charles de Gaulle.

Die Unterzeichnung des Élyseé-Vertrages, des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages, am 22.01.1963 in Paris besiegeln Bundeskanzler Konrad Adenauer (Vordergrund, l) und der französische Präsident Charles de Gaulle (Vordergrund, r) mit Freundschaftsküssen. Foto: UPI/dpa
Die Unterzeichnung des Élyseé-Vertrages, des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages, am 22.01.1963 in Paris besiegeln Bundeskanzler Konrad Adenauer (Vordergrund, l) und der französische Präsident Charles de Gaulle (Vordergrund, r) mit Freundschaftsküssen. Foto: UPI/dpa

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Adenauer, Kanzler von 1949 bis 1963, trieb zusammen mit de Gaulle, französischer Präsident von 1959 bis 1969, den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag voran. Jener Élysée-Vertrag, unterzeichnet am 22. Januar 1963, sieht regelmäßige Regierungskonsultationen vor, außerdem eine Kooperation in der Außen-, Europa- und Verteidigungspolitik. Frankreich, eher auf Distanz zu den USA, suchte den engen Schulterschluss mit der jungen Bonner Republik. „Der Vertrag beendet eine Auseinandersetzung, die über vier Jahrhunderte gedauert hat“, sagte Adenauer: „Das gibt dem Vertrag seinen geschichtlichen Rang.“ 

Spaziergänge durch Paris

Valéry Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt absolvierten eine fast parallele Amtszeit, beide kamen 1974 ins Amt – zuvor waren sie beide jeweils Finanzminister. Giscard regierte bis 1981, Schmidt bis 1982. Giscard, geboren in Koblenz, und Schmidt schlenderten bei ihrem ersten Treffen 1974 gemeinsam durch Paris. Der französische Liberale und der deutsche Sozialdemokrat kamen gut miteinander klar, trotz Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Parteifamilien. Oder deswegen? Für zwei weitere „Traumpaare“ sollte das später auch gelten.

Valery Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt, die beide durch ihr freundschaftliches Verhältnis die Beziehungen förderten.               Foto: Bunk / Ullstein
Valery Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt, die beide durch ihr freundschaftliches Verhältnis die Beziehungen förderten. Foto: Bunk / Ullstein

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Die Duzfreunde Giscard und Schmidt trieben die europäische Integration voran, etwa die Schaffung des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs im Jahre 1974. Außerdem gründeten sie 1975 den Vorläufer der heutigen G-7, die „Gruppe der Sechs“.

Hand in Hand vor Kriegsgräbdern

Geradezu ikonisch ist Foto von Helmut Kohl und François Mitterrand, die sich 1984 über den Gräbern von Verdun die Hände reichten. Der Christdemokrat Kohl regierte von 1982 bis 1998, der Sozialist Mitterand von 1981 bis 1995. Der Historiker Kohl sah in der Aussöhnung mit Frankreich und der Vertiefung Europas einen historischen Auftrag.

Die beiden Männer trieben die Einheitliche Europäische Akte (EEA) 1987 voran, die die Basis für den Amsterdamer und den Maastrichter Vertrag 1992 schuf. Das wiederum begründete die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Kohls gute „Chemie“ mit Mitterand, wie er gern sagte, war 1989/90 wichtig. Trotz aller Vorbehalte baute Paris, anders als London, keinen Widerstand gegen die Vereinigung Deutschlands auf.

Der Irakkrieg brachte Schröder und Chirac zusammen

Der Sozialdemokrat Gerhard Schröder und der konservative Gaullist Jacques Chirac waren alles andere als ein natürliches politisches Paar. Chirac, Präsident von 1995 bis 2007, regierte schon, als Schröder kam (1998) und noch immer, als er ging (2005). Der von den USA forcierte Krieg gegen den Irak 2003 schweißte die beiden Männer zusammen. Sie widersetzten sich der Regierung von George W. Bush.

Frankreichs Präsident Jacques Chirac (l.) und Bundeskanzler Gerhard Schröder bei einem Staatsbesuch 2005 in Paris.
Frankreichs Präsident Jacques Chirac (l.) und Bundeskanzler Gerhard Schröder bei einem Staatsbesuch 2005 in Paris.

© AFP/PATRICK KOVARIK

Das war ein gewagtes Spiel, flankierten doch wichtige Europäer – Briten, Italiener, Polen, Spanier – den Krieg und schickten sogar eigene Soldaten. Hätte Schröder dem Druck aus den USA standhalten können ohne Chirac? Vermutlich nicht.

Macron und Merkel – schwierig, aber effizient

Übrigens, das Verhältnis von Angela Merkel und Emmanuel Macron, Präsident seit 2017, war alles andere als das eines Traum-Paares. Die beiden hatten ein Arbeitsverhältnis, das nicht unbedingt von großer Wärme geprägt war. Merkel, Kanzlerin von 2005 bis 2021, hat auf die Sorbonne-Rede Macrons von 2017 nie reagiert. Der Vorstoß des Präsidenten im Sinne einer europäischen Souveränität wurde von der Kanzlerin nicht aufgenommen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, begrüßt Emmanuel Macron, Präsident der Französischen Republik im Bundeskanzleramt, anlässlich des Westbalkantreffens 2019 in Berlin.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, begrüßt Emmanuel Macron, Präsident der Französischen Republik im Bundeskanzleramt, anlässlich des Westbalkantreffens 2019 in Berlin.

© imago images / photothek/Felix Zahn/photothek.net

Doch als es in der Corona-Krise darauf ankam, hat sie dem Drängen Macrons nach einer gemeinsamen Aufnahme von Schulden im Wiederaufbaufonds doch nachgegeben. Der Fonds konnte im Kreis der 27 EU-Staaten nur zustande kommen, weil sich Macron und Merkel im Vorfeld einig gewesen waren. Eine solche Einstimmigkeit, etwa für einen Fonds für Waffen für die Ukraine, ist heute kaum vorstellbar.

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