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25.04.2023, Brandenburg, Potsdam: Steffen Freiberg, designierter Bildungsminister des Landes Brandenburg,stellt nach der Kabinettssitzung zwei Gesetzesnovellen für den Kinder- und Jugendbereich vor. Damit will das Land viele Familien entlasten und die Kindertagesbetreuung in Kitas, in Tagespflegestellen und bei der familienähnlichen Unterbringung verbessert werden. Foto: Bernd Settnik/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Bernd settnik

Rechtsextremismus an Schulen : Scharfe Kritik an Maulkorb-Politik in Brandenburg

Das staatliche Schulamt hat den Lehrern, die rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule öffentlich machten, mit Abmahnung gedroht, wenn sie weiter öffentlich über Schulinternes sprechen. Nicht nur die Opposition kritisiert das Bildungsministerium.

Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) gerät wegen seines Umgangs mit Rechtsextremismus an Schulen weiter unter Druck. Linke, Freie Wähler und die in der Kenia-Koalition mitregierenden Grünen üben Kritik, dass entgegen aller Klare-Kante-Verlautbarungen von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) Lehrer, die sich zu solchen Fällen an ihren Bildungseinrichtungen öffentlich gegenüber Medien äußern, wegen der Ministeriums-Linie immer noch mit Schwierigkeiten und sogar Abmahnungen rechnen müssen.

Das ist selbst im Fall der Lehrer Max Teske und Laura Nickel erneut passiert, die alltäglichen Rechtsextremismus an ihrer Schule in Burg öffentlich machten und nach Anfeindungen nun um Versetzung baten.

„Es besorgt mich zutiefst, dass der Rechtsruck auch mit voller Wucht in den Brandenburger Schulen angekommen ist. Ohne mutige Lehrer*innen wie Laura Nickel und Max Teske hätten wir von der Dimension dieses Rechtsrucks nichts erfahren“, sagte Grünen-Landeschefin Alexandra Pichl am Montag dieser Zeitung. „Daher kann es nicht die Lösung sein, ihnen mit Abmahnung zu drohen, wenn sie darüber berichten. Vor allem nicht, wenn ihre Meldungen schulintern nicht weitergeleitet werden.“ Das Bildungsministerium müsse schnell reagieren, etwa eine Hotline einrichten. „Die Probleme müssen angepackt werden, bevor die Situation weiter eskaliert.“

Unverständnis bei Linken und Freien Wählern

Sebastian Walter, Partei- und Landtagsfraktionschef der Linken, erklärte: „Bildungsminister Freiberg muss Schluss machen mit der Maulkorb-Politik! Mit dem ständigen Verschleiern und Totschweigen sorgt er am Ende für mehr Angst bei denjenigen, die sich einsetzen und Haltung zeigen.“ Um das weitere Erstarken der Rechten zu verhindern, „brauchen wir volle Transparenz und volle Rückendeckung durch das Bildungsministerium“. Es sei „völlig absurd, dass beiden Lehrern mit Abmahnungen gedroht wird, während die rechten Täter und ihre Netzwerke in Burg weiter unbehelligt agieren können“.

Die Lehrer Max Teske und Laura Nickel hatten den von der Schulleitung ignorierten Alltag mit Rechtsextremismus an ihrer Schule in Burg/Spreewald in einem anonymen Brandbrief und dann in Interviews öffentlich gemacht, aber mittlerweile wegen massiver Bedrohungen und mangelnder Unterstützung um Versetzung gebeten.

 Ich habe ein Schreiben vom Schulamt bekommen, in dem es mir mit einer Abmahnung droht, wenn ich weiter über schulinterne Vorgänge spreche.

Max Teske, Lehrer in Burg

Der Fall hat bundesweit Aufsehen erregt. Und doch müssen sie trotz des Lobes für ihre Zivilcourage selbst durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier oder den Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider, weiter genau überlegen, was sie öffentlich äußern. Teske war nun in einem MAZ-Interview nach Reaktionen in der Schülerschaft und im Kollegium auf die Anfeindungen befragt worden, seine Antwort: „Dazu kann ich nichts sagen. Ich habe ein Schreiben vom Schulamt bekommen, in dem es mir mit einer Abmahnung droht, wenn ich weiter über schulinterne Vorgänge spreche.“

Und genau das ist nach wie vor generell die Linie des Bildungsministeriums, schon unter Vorgängerin Britta Ernst, nun unter Freiberg, dass sich egal zu welchem Problem an Schulen nicht einzelne Lehrer, sondern allenfalls Direktor:innen öffentlich äußern dürfen. „Nach Außen vertritt die Schulleitung die Schule. Das ist unsere Haltung“, erklärte Ministeriumssprecherin Ulrike Grönefeld auf Anfrage gegenüber dieser Zeitung.

Zumindest der interne Dienstmeldeweg in Brandenburgs Schulsystem funktioniert seit dem Brandbrief der beiden Burger Lehrer offenbar besser. Nach einer Recherche der „Welt am Sonntag“ hat es seitdem aus Schulen im ganzen Land, auch aus Potsdam, insgesamt etwa 70 Meldungen über rechtsextreme, auch antisemitische Vorkommnisse an das Bildungsministerium gegeben.

Doch das reicht nicht, mahnt Peter Vida, Chef der Freien Wähler gegenüber dieser Zeitung: „Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das in die Schulen getragen wird. Das kann nicht auf dem verwaltungsinternen Weg durch Ministerialbeamte geklärt werden.“ Nötig sei eine offene Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Problem. Wenn es öffentlich werde, sei das „kein Angriff auf die Schule“, sagte Vida. „Ich verstehe nicht, warum das Ministerium reagiert, als ob Nestbeschmutzer unterwegs sind.“

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