zum Hauptinhalt
Längst auf dem Trockenen: Der Bootssteg der Deutschen Lebenrettungs-Gesellschaft DLRG am Groß Glienicker See bei Kladow.

© Andreas Klaer

Groß Glienicker See schrumpft: Anwohner würden viel Geld für Gegenmaßnahmen ausgeben

Was schätzen die Menschen in Groß Glienicke an dem See? Und wie nutzen sie das Gewässer? Das soll durch eine Umfrage herausgefunden werden.

Am Ufer des Groß Glienicker Sees stehen viele Stege, doch längst nicht alle reichen auch ins Wasser: Einer davon ist der DLRG-Bootssteg am Kladower Ufer, der schon seit langem auf dem Trockenen liegt. „Eine Anwohnerin hatte mir ein Foto von dem Steg gezeigt, wo ihr Sohn noch vor 20 Jahren geangelt hatte“, sagt der Umweltökonom Jesko Hirschfeld vom Berliner Institut für ökologische Wirtschaftsforschung. „Der jetzige Zustand hat sie ziemlich fertig gemacht.“

In den letzten 20 Jahren ist der Pegel des Sees um einen Meter gefallen. Eine Entwicklung, die schon länger andauert: Zwischen 1970 und 2022 sank der Wasserspiegel um insgesamt 2,40 Meter. Ursache dafür ist der Klimawandel: Weniger Niederschläge, höhere Temperaturen, verstärkte Verdunstung im Sommer. „Das ist leider bei vielen Seen in Brandenburg so“, sagt Hirschfeld.

2,40
Meter ist der Wasserspiegel des Groß Glienicker Sees seit 1970 gesunken

Der Wissenschaftler ist Teil des Forschungsprojektes Cliwac („Climate and water under change“), das die Veränderungen am Groß Glienicker See untersucht und aktuell eine Umfrage unter Anwohnerinnen und Anwohnern durchführt.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler möchten herausfinden, was die Menschen in Groß Glienicke an ihrem See schätzen, wie sie ihn nutzen, welche Wünsche sie an Politik und Verwaltung haben und was es ihnen wert wäre, ihn vor dem Austrocknen zu bewahren. Bislang haben sich mehr als 600 Menschen daran beteiligt.

Der Wasserstand ist in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken.
Der Wasserstand ist in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken.

© Andreas Klaer

Die Umfrage (zu finden unter dem Link www.bit.ly/cliwac-umfrage) läuft noch bis zum 5. September, aber Hirschfeld kann schon ein paar Ergebnisse verraten: „Ganz zentral ist, dass die Groß Glienicker den Wasserverlust des Sees total dramatisch finden und auf keinen Fall wollen, dass es so weiter geht“, sagt Hirschfeld.

Mit der Wasserqualität sind die Befragten recht zufrieden, auch hier soll es jedoch möglichst zu keiner Verschlechterung kommen. Derzeit beträgt die Sichttiefe im Sommer durchschnittlich 2,5 Meter, doch auch die könnte sich verringern, wenn es weitergeht wie bisher.

„Wir waren ein bisschen verblüfft, wie stark der Wert der Natur und Artenvielfalt rund um den See gewertschätzt wird“, sagt Hirschfeld. Um diese zu bewahren, seien die Befragten durchaus bereit, weniger Badestellen oder Badestege in Kauf zu nehmen. An den bestehenden Badestellen wünschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage ausdrücklich mehr Toiletten und Mülleimer. Viele gaben auch an, ihren Müll selber wieder mitzunehmen.

Wenig überraschend ergab die Umfrage zudem, dass sich die meisten Anwohnerinnen und Anwohner einen durchgängigen Uferweg wünschen, der seit langem durch viele private Anlieger-Grundstücke unterbrochen ist.

Mehr Versickerung nötig

Um das weitere Absinken des Wasserspiegels zu verhindern, sind verschiedene Maßnahmen denkbar: „Am wichtigsten ist, dass wir das Wasser aus Niederschlägen in der Landschaft halten“, sagt Hirschfeld. Dies kann zum einen durch den Umbau von Nadelwäldern zu Misch- oder Laubwäldern geschehen, zum anderen durch ein anderes Wassermanagement in Siedlungen. Wenn es regnet, fließt das meiste Wasser schlicht in die Kanalisation, anstatt im Boden zu versickern. „Das Regenwasser müsste vor Ort versickert werden“, sagt Hirschfeld.

Die Entsiegelung von Flächen kann dazu beitragen, aber auch sogenanntes „Grauwasser“ (etwa vom Duschen oder Geschirrspülen) könnte nach ein wenig Aufbereitung ebenfalls im Boden versickert werden. „Und schließlich müssten wir schauen, wo wir Wasser sparen können, sowohl in Privathaushalten als auch gewerblich“, sagt Hirschfeld.

In der Umfrage sollten die Befragten angeben, wie wichtig ihnen der Erhalt des Sees ist: Dazu konnten Beträge zwischen sechs und 240 Euro angeklickt werden, die man bereit wäre, jährlich zu zahlen. „Das Ganze ist ein Gedankenexperiment“, betont Hirschfeld. Es gehe nicht darum, dass die Anwohnerinnen und Anwohner eine Abgabe zahlen sollen, die Eurobeträge sollen nur den Wert symbolisieren, den der See für die Befragten habe.

„Aber natürlich ist das eine Orientierungshilfe für Lokalpolitiker, wenn sie überlegen, wie viel Geld aus dem Haushalt für den See aufgewendet werden soll“, so Hirschfeld. Tatsächlich seien die meisten Befragten in dem Gedankenexperiment bereit, sehr viel Geld in die Hand zu nehmen, um den See zu retten: „Wir waren sehr überrascht, wie hoch die Zustimmung dafür ist“, sagt Hirschfeld.

Er findet das nachvollziehbar: „Viele Menschen sind genau wegen des Sees nach Groß Glienicke gezogen.“ Auch ganz rationale Gründe könnten das Ergebnis erklären, so der Wissenschaftler: Manche hätten schlicht Angst vor dem Wertverlust ihrer Häuser und Grundstücke, sollte der See weiter schrumpfen.  

Derzeit sieht es so aus, als würde genau das passieren: Laut Hirschfeld wird der Pegel des Groß Glienicker Sees in Zukunft fünf Zentimeter pro Jahr sinken, wenn sich an der jetzigen Situation nichts ändert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false