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Für Bayer Leverkusen ist der Gewinn der Meisterschaft historisch. Nun will die Mannschaft aber mehr.

© IMAGO/Beautiful Sports

Nach den Feierlichkeiten: Leverkusen will das Triple gegen das Trauma

Dass Bayer Leverkusen die deutsche Meisterschaft gewonnen hat, ist historisch. Im Verein hat das aber nur noch mehr die Gier geweckt, das Triple zu holen.

Es ist leicht dahingesagt, dass eine ganze Stadt feiere. Im Fall von Leverkusen kommt es der Realität aber wohl sehr nahe. Wenn es nicht ganz Leverkusen war, dann zelebrierten wohl mindestens 80 Prozent der etwa 165.000 Einwohner der Stadt am Rhein am Sonntagabend die erste deutsche Fußball-Meisterschaft, die Bayer 04 Leverkusen durch ein 5:0 gegen Werder Bremen fünf Spieltage vor dem Ende der Bundesliga-Saison 2023/24 perfekt gemacht hatte. Ungeschlagen in 43 Pflichtspielen.

Die Fans harrten nach der Partie gegen Werder, nach der es einen friedlichen Platzsturm gegeben hatte, lange im Stadion aus. Man sah viele mitgebrachte Schilder mit dem durchgestrichenen Schriftzug „Vizekusen“, ersetzt durch „Meisterkusen“. Um 21.12 Uhr erschienen zur allgemeinen Freude Trainer Xabi Alonso und seine Spieler auf dem Balkon einer Loge und präsentierten in Richtung der Fans jubelnd eine Papp-Meisterschale. Die Straßenfeiern in der Stadt konzentrierten sich derweil bis tief in die Nacht auf die Kneipen und Bars in Opladen.

Opladen? Da die beste Fußball-Mannschaft Deutschlands in einer Stadt beheimatet ist, über die jenseits ihrer Grenzen wenig bekannt ist, muss man erklären: Opladen ist ein Stadtteil Leverkusens, gelegen an den unteren Ausläufern des Bergischen Landes an der Wupper, unweit ihrer Mündung in den Rhein. Leverkusen entstand einst aus einer Siedlung, die der Unternehmer Carl Leverkus von 1860 an rund um seine Ultramarin-Fabrik gründete.

In der heutigen Form entstand die Stadt des deutschen Meisters erst 1975, als Leverkusen mit Opladen, Bergisch Neukirchen und Hitdorf zusammengelegt wurde. Die Kölner auf der anderen Rheinseite begegnen Leverkusen traditionell mit hochmütiger Geringschätzung. Man nennt sie gern die Pillen, bescheinigt ihnen gern einen Mangel an Tradition. Die Stadt findet man sehr hässlich und rümpft die Nase, sobald man sie aufsuchen muss.

Gerecht ist das nicht. Als junge Industriestadt hat Leverkusen zwar weder einen Dom noch eine historische Altstadt zu bieten, sondern viel Beton in der Innenstadt. Dafür gibt es aber zum Beispiel ein historisches Bayer-Kreuz, das des Nachts über der Stadt leuchtet, den Wildpark Reuschenberg mit 80 Wild- und Haustierarten. Oder das im Grünen gelegene Schloss Morsbroich. Dazu Einwohner, die zwar eine Art Kölsch sprechen, oft aber bescheidener auftreten als Kölner.

Im Grunde geht das rechtsrheinische Köln direkt in Leverkusen über. Und da die Großstadt mit ihrer Hektik, dem Lärm und den immer höheren Mieten inzwischen auch abschreckend wirkt, zieht es immer mehr Menschen aus Köln in die Leverkusener Region. Wer guten Fußball sehen will, ist dort ohnehin seit geraumer Zeit besser aufgehoben als in Köln mit seinem Fahrstuhl-FC.

Fans benennen Straße in „Xabi-Alonso-Allee“ um

Dass es dem baskischen Spanier Xabi Alonso, seit Oktober 2022 Bayer-Coach, nun gelungen ist, den Leverkusener Fußball auf das höchste Level zu bringen – das werden die Fans nach all den Jahren vermutlich erst langsam begreifen. Das Vizekusen-Vereinstrauma der verspielten Titel, das einst mit der Niederlage von Unterhaching begann, die Bayer 04 die deutsche Meisterschaft kostete, liegt schließlich 24 Jahre zurück.

Nun kann Bayer nicht nur schön spielen, sondern auch gewinnen. Leverkusen hat sich in dieser Saison die Fähigkeit angeeignet, Spiele zur Not in letzter Sekunde noch zu drehen. Nicht nur einmal sah es danach aus, dass die erste Niederlage eintritt. Doch jedes Mal, ob in der Europa League, im DFB-Pokal oder der Bundesliga, gewann Bayer noch das Spiel. Eine Qualität, die in der restlichen Spielzeit von entscheidender Bedeutung sein dürfte.

Und das Beste: Trotz lukrativer Angebote der Konkurrenz bleibt der Meisterheld Xabi Alonso in Leverkusen. Es verwundert da nicht, dass inoffiziell bereits eine Straße nach ihm benannt wurde. Die Bismarckstraße vor der BayArena tauften Fans schon vor Wochen in „Xabi-Alonso-Allee“ um.

Es gibt da allerdings noch ein Problem. Das 2010 eröffnete Leverkusener Rathaus, das einem Ufo gleicht, gelandet auf einem Einkaufszentrum, hat keinen Balkon. Wo also soll die Mannschaft nach Saisonende die Meisterschaft zelebrieren? Wo sich dem jubelnden Volk präsentieren? Die Antwort: Vermutlich wird im Stadion gefeiert. Offizielles gibt es dazu noch nicht.

Schließlich hat Leverkusen noch Wichtiges vor sich: Das DFB-Pokalfinale gegen Kaiserslautern am 25. Mai in Berlin. Wenn es gut läuft, muss Bayer vorher noch in Dublin antreten, am 22. Mai im Finale der Europa League. „Wir haben eine herausragende Saison bis jetzt gespielt, wir wollen aber nicht aufhören, es wird weitergehen“, sagte Bayer Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro de Prada. „Ich sehe die Gier der Mannschaft, die Gier des Trainers. Wir haben alle das Ziel und können das Triple holen.“ Es wäre wohl auch ein Triple gegen das Trauma.

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