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Juri Knorr bejubelt den 35-28-Erfolg seiner Mannschaft gegen Ungarn.

© IMAGO/Beautiful Sports

Zwischen Kopf und Herz: Handball-Regisseur Juri Knorr und die Suche nach der Balance

Die Erwartungen an den 23-Jährigen sind bei der EM hoch. Entsprechend groß ist der Druck. Das ist nicht immer leicht auszuhalten – auch nach dem Erfolg gegen Ungarn.

Die Erleichterung war nahezu greifbar. Als Juri Knorr am späten Montagabend der Presse gegenübertrat, wirkte es, als sei dem Mittelmann eine riesengroße Last von den Schultern genommen wurden. Ihm, dem Wunderkind, das zum Hoffnungsträger emporgestiegen war, war schließlich immer wieder der Erfolgsdruck des deutschen Handballs auferlegt wurden.

Er war es, der mit seiner Kreativität, seinem beeindruckenden Überblick und seiner Hingabe zum Spiel oft dafür verantwortlich gemacht wurde, dass Deutschland sein nächstes Wintermärchen bekommt – mit erst 23 Jahren. Insofern war es für Knorr eine Wohltat, dass beim 35:28-Erfolg gegen Ungarn nicht alles über ihn laufen musste, sondern seine Nebenmänner ebenso in die Bresche sprangen.

„Das muss ich für mich lernen, dass ich nicht immer so viele Aktionen haben muss“, sagte Knorr. „Natürlich muss ich darüber nachdenken, was gespielt wird und ein paar Akzente setzen, aber ich muss die Jungs auch in Szene setzen. Und dann ist es gar nicht so schwer.“

Ich würde mir wünschen, dass wir bei diesem Heimturnier alle mehr zusammenstehen.

Juri Knorr

Anders als in den zwei vorangegangenen Begegnungen gelang es gegen die Ungarn, den Ball schneller laufen zu lassen, mehr Bewegung ins Spiel zu bringen und so den gesamten Rückraum einzusetzen. Resultat waren acht Treffer über die linke Seite durch Julian Köster sowie vier von Sebastian Heymann, der erstmals in diesem Turnier seine Qualitäten im Angriff richtig aufblitzen ließ. Dazu kamen je vier Tore über den rechten Rückraum von Christoph Steinert und Kai Häfner. „Das war phänomenal“ war Bundestrainer Alfred Gislason voll des Lobes.

Mit der erhöhten Aufmerksamkeit für Knorr geht auch Druck einher.
Mit der erhöhten Aufmerksamkeit für Knorr geht auch Druck einher.

© IMAGO/Lobeca

Gerade bei dem 22:22-Unentschieden gegen Österreich und dem holprigen Auftritt beim 26:24 gegen Island hatte die DHB-Auswahl zuletzt offensiv einiges Steigerungspotential offenbart, sodass die vergangenen Tage für Knorr einmal mehr zur Herausforderung wurden. Er, der als Regisseur verantwortlich gezeichnet worden war, hatte umso mehr Kritik einstecken müssen. Er, der gefeiert wird, wenn es gut läuft und der mit hagelndem Verriss rechnen muss, wenn das Gegenteil der Fall ist.

„Damit müssen wir klarkommen. Aber ich würde mir wünschen, dass wir bei diesem Heimturnier alle mehr zusammenstehen“, sagte der gebürtige Flensburger, der ohnehin sehr selbstkritisch und reflektiert daherkommt und der schon im Vorfeld des Turniers einmal mehr betont hatte, dass er versucht, die Schlagzeilen um seine Person möglichst zu ignorieren.

Für Knorr war es vor allem ein „Kopfspiel“

Bei einer Veranstaltung im eigenen Land und der damit erhöhten Aufmerksamkeit ist das allerdings verständlicherweise schwer, sodass Knorr zugab, dass es ihm zu viel war. Dass er sich die Kritik – besonders jene, die einige ehemalige Nationalspieler jüngst über ihn geäußert hatten – sehr zu Herzen genommen habe. Auch deshalb sei es nun ein „Kopfspiel“ für ihn gewesen, als die Deutschen im dritten Hauptrundenspiel, das im Durchschnitt 8,451 Millionen Menschen am Fernseher verfolgten, zum Siegen verdammt waren.

Gegen Kroatien ist der Druck nun zwar etwas geringer, könnte sich die DHB-Auswahl bei gewissen Konstellationen sogar eine Niederlage erlauben, Ziel sind aber zwei Punkte. Ziel ist es, Euphorie und nicht Kritik zu entfachen. „Da wird es für mich wieder darauf ankommen, die Balance zwischen Mentalem und Emotion zu finden“, erklärte der in Mannheim unter Vertrag stehende Knorr, der betonte, stolz darauf zu sein, dass es gelungen ist, reif und als Mannschaft aufzutreten. Nur so kann die DHB-Auswahl schließlich erfolgreich sein. Nur so kann die neue Breite im Kader zum Tragen kommen.

Und natürlich werden die Blicke künftig nicht weniger auf Knorr gerichtet sein, der weiter mit seinem überragenden Talent hervorsticht und bisher der mit Abstand beste Schütze des Teams und allgemein der drittbeste Werfer des Turniers ist. Wenn es ihm nun gelingt, erneut mit der Leichtigkeit auf dem Feld zu agieren, die ihn schon so oft ausgezeichnet hat, dann dürfte auch dem Halbfinale bei dieser EM nichts mehr im Weg stehen.

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