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Synagoge in der Reichenbachstr. München

© Thomas Dashuber

Synagoge in der Reichenbachstraße: Gotteshaus im Farbrausch

In München hat Rachel Salamander den Wiederaufbau eines jüdischen Gotteshauses forciert – und lässt damit eine moderne Bauhaus-Vision wiederauferstehen.

Es ist etwa elf Jahre her, als ihr beim Anblick des verfallenen Baus „das Herz stehen blieb“. Der Putz bröckelte von den Wänden, das Dach war undicht, der Boden verdreckt. Rachel Salamander wollte nicht glauben, in welch marodem Zustand die frühere Synagoge im Hinterhaus der Reichenbachstraße 27 war.

Das Gotteshaus kannte die Literaturwissenschaftlerin, Autorin und Buchhändlerin seit ihrer Kindheit und Jugend. Damals gab es kaum noch Spuren jüdischen Lebens in der Münchner Innenstadt, nur noch diesen einen Bau an der Reichenbachstraße. Viele jüdische Feiertage hatte sie oben auf der Empore gesessen. Noch am selben Tag fasste sie den Entschluss: Da muss etwas getan werden.

Ein Jahr später gründete sie mit dem Anwalt Ron Jakubowicz einen gemeinnützigen Verein zum Wiederaufbau. Jahrelang forschte sie nach Bauplänen, Fotos und Dokumenten. Sie trommelte Sponsoren zusammen, verhandelte mit dem Denkmalamt und appellierte an Politiker. Mit Christoph Sattler (vom Büro Hilmer & Sattler und Albrecht) fand sie einen Architekten, der den ursprünglichen Entwurf jetzt neu realisiert: Er ist ein Glanzstück minimalistischer Architektur der 1930er Jahre – mit Wänden in Türkisblau, Farbakzenten in Gold-Gelb und Pompeji-Rot. Mit schwarzem Marmor und einer Glasdecke, durch die Tageslicht fällt und ein magisches Farbspektakel erzeugt.

Gründerin des Vereins zum Wiederaufbau: Rachel Salamander.
Gründerin des Vereins zum Wiederaufbau: Rachel Salamander.

© Thomas Dashuber

Modernstes Gotteshaus Münchens

Die 1931 eröffnete Synagoge war das Werk des damals erst 30 Jahre alten Architekten Gustav Meyerstein. In Blitzgeschwindigkeit erbaute er „das damals modernste Gotteshaus Münchens“, wie Rachel Salamander glaubt. Nach nur vier Monaten eröffnete die Synagoge. Kurz danach emigrierte Meyerstein mit seiner Familie nach Israel, seine Bauhausvisionen realisierte er bis zu seinem Tod 1979 in Tel Aviv weiter.

Seine bunt-moderne Synagoge war nur sieben Jahre Zentrum der ostjüdischen Gemeinde. Das Haus im ehemals Armeleute- und heute hippen Gärtnerplatzviertel ist ein Stück Nachkriegswunder. Es überstand als einziges der drei wichtigen jüdischen Gotteshäuser in München die Novemberpogrome von 1938. Zwar wurde das Innere geplündert, die Thorarollen geschändet, aber aus Angst um die benachbarten Wohnungen löschte die Feuerwehr rechtzeitig den Brand. 1943 wurde das Gebäude zwangsweise an den Münchner Felix Ascher veräußert und in der Folge als Kfz-Werkstatt und Warenlager genutzt.

Kunstvolle Glasdecke in der Synagoge.
Kunstvolle Glasdecke in der Synagoge.

© Thomas Dashuber

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten Überlebende der Schoa die Synagoge notdürftig instand. Bis 2006 diente sie der jüdischen Gemeinde als Hauptsynagoge. Doch nach dem Neubau der Ohel Jakob Synagoge, die nur fünf Gehminuten entfernt auf dem Jakobsplatz steht, geriet das stets als Provisorium gedachte Gotteshaus in Vergessenheit. Zudem liegt es in einem unauffälligen Hinterhof, das Gebäude zur Straße hin kam erst in den frühen 1950er-Jahren dazu.

Synagogen frei zugänglich

Was heute kaum denkbar ist: Bis in die 1970er-Jahre hinein waren praktisch alle jüdischen Einrichtungen nicht nur in München, sondern in ganz Deutschland frei zugänglich. Das änderte sich erst, nachdem München, die einstige „Hauptstadt der Bewegung“, Ziel zahlreicher Anschläge wurde.

1970 attackierten palästinensische Terroristen eine El-Al-Maschine, nur drei Tage später brannte es im Altenheim der Israelitischen Kultusgemeinde an der Reichenbachstraße 27. Sieben Menschen, Überlebende der Shoah, starben bei dem Attentat. Die Täter wurden nie gefasst. Die Synagoge im Hinterhaus nahm wie durch ein Wunder keinen Schaden. Eine Gedenkwand erinnert dort bis heute an die Opfer.

Doch bald soll die alte Synagoge wieder glänzen. Restauriert wird seit 2017. Das ist auf-wendiger als gedacht, mal sackte der Boden ab, mal trieben steigende Materialpreise die Baukosten auf 12,6 Millionen Euro. Den Großteil davon tragen Bund, Freistaat Bayern und die Stadt München. Zehn Prozent muss der Verein aufbringen. Rachel Salamander ist optimistisch. „2024 soll eröffnet werden.“

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