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Die positive Veränderung der Immunitätslage der Bevölkerung und das wenig virulente Verhalten des Erregers waren für die Stiko  entscheidend für ihre nun erstmals längerfristig gültige Empfehlung.

© Getty Images/Anna Efetova

Covid-Booster nur für Risikogruppen: Impfkommission gibt erstmals langfristige Empfehlung

Für gesunde Kinder soll die Empfehlung entfallen. Die Stiko bewertet den Immunstatus der Bevölkerung positiv und die aktuelle Entwicklung des Virus als unbedenklich.

In Zukunft empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert Koch-Institut die vierte Impfung gegen Covid-19 nur noch über 60-Jährigen, vorerkrankten Menschen, die eine Risiko für einen schweren Verlauf haben, sowie Menschen, die in Pflegeheimen leben oder arbeiten. Für die Älteren wird darüber hinaus einmal im Jahr eine Auffrischung mit einem bivalentem Impfstoff empfohlen, am besten im Herbst zusammen mit der jährlichen Grippe-Impfung.

Alle Personen zwischen 18 und 59 Jahren, die dreimal Kontakt mit dem Sars-Cov-2-Virus hatten, davon mindestens zwei Impfungen, gelten als grundimmunisiert. Für sie wird vorerst keine weitere Auffrischung empfohlen. Sie können sich zwar auch weiter impfen lassen, möglicherweise dann aber auf eigene Kosten, bis die Übernahme durch die Krankenkassen geklärt ist. Das gilt auch für gesunde Schwangere.

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Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren wird keine Impfempfehlung gegeben, es sei denn, sie haben eine riskante Vorerkrankung. Bisher empfahl die Stiko den Booster allgemein ab dem Alter von 12 Jahren, wenn zwei „immunologische Ereignisse“ vorausgegangen sind.

Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren wird keine Impfempfehlung gegeben, es sei denn, sie haben eine Vorerkrankung.
Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren wird keine Impfempfehlung gegeben, es sei denn, sie haben eine Vorerkrankung.

© imago images/photothek/Leon Kuegeler/photothek.de via www.imago-images.de

Kinder von grundimmunisierten Müttern haben bis sechs Monate nach der Geburt einen „Nestschutz“ durch ihre Mütter. Bei Kindern geht die Stiko von einer hohen Basisimmunität aus, das Risiko sei sehr gering. Auch das bei Kindern in der Pandemie häufig beobachtete multisystemische Entzündungssyndrom Pims spiele mittlerweile kaum noch eine Rolle.

Erstmals eine längerfristige Empfehlung

Die Stiko hat am Dienstag ihre Empfehlung zur Implementierung der Covid-19-Impfung in den Impfplan 2023 in die Prüfung gegeben. In etwa zwei Wochen wird die finale Empfehlung herausgegeben. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Aktualisierungen der Covid-19-Impfempfehlung stellt diese nun eine längerfristige Empfehlung dar, die für alle Altersklassen ein Schema zur Grundimmunisierung und zu regelmäßigen Auffrischungsimpfungen für bestimmte Personengruppen vorlegt. Eine freiwillige Impfung ohne Empfehlung bleibt aber für alle Altersgruppen weiter möglich.

Zwischen den ersten drei Impfungen oder Infektionen und einer weiteren Auffrischung sollten grundsätzlich drei bis sechs Monate liegen.
Zwischen den ersten drei Impfungen oder Infektionen und einer weiteren Auffrischung sollten grundsätzlich drei bis sechs Monate liegen.

© dpa/Daniel Karmann

Nach 25 Aktualisierungen hält die Stiko nun eine längerfristige Empfehlung für angebracht, da die Immunitätslage durch Impfung und durchgemachte Infektionen in der Bevölkerung sehr gut sei und die mittlerweile zirkulierenden Erreger der Omikron-Variante in der Regel keine schweren Verläufe mehr nach sich ziehen, erklärte Stiko-Mitglied Christian Bogdan vor der Presse. „Die Veränderung der Immunitätslage der Bevölkerung und das Verhalten des Erregers war entscheidend für eine längerfristig gültige Empfehlung, beides ist derzeit positiv zu beurteilen“, so Bogdan.

Zwischen den ersten drei Impfungen bzw. Impfungen und Infektionen und einer weiteren Auffrischung sollten grundsätzlich drei bis sechs Monate liegen. „Der Booster-Effekt ist besonders dann gut, wenn der Abstand zwischen dem zweitem und dritten Ereignis – Impfung oder Infektion – besonders lang war, mindestens drei bis sechs Monate“, erklärt der Berliner Kinder- und Jugendarzt Martin Terhardt, der ebenfalls der Stiko angehört.

Es sterben nach wie vor noch Menschen an Corona, auch durch Omikron. 

 Christian Bogdan, Direktor des Mikrobiologischen Instituts am Universitätsklinikum Erlangen

Nach der Grundimmunisierung sei eine Auffrischung einmal im Jahr optimal zur Ausbildung von Gedächtniszellen, die vor schwerer Erkrankung schützen, wie der Virologe Carsten Watzl, der nicht der Stiko angehört, erklärte. Die meisten gesunden Menschen unter 60 sind nach seiner Sicht nach drei Viruskontakten durch Impfung oder Impfung und Infektion erst einmal gut geschützt.

Auffrischungen hält auch der Virologe Watzl dann nur noch für Risikopatienten für nötig, sofern es bei den bislang zirkulierenden Subtypen der Omikron-Variante bleibt. Bei einem Abstand von zwölf Monaten gebe es auch kein „Überimpfen“, bei dem man bei zu häufigem Impfen schlechter immunisiert wäre. Wichtig findet der Virologe die Klarstellung der Stiko, dass das Risiko für unerwartete Impfkomplikationen auch bei unter 18-Jährigen gering ist; trotz fehlender Empfehlung sei auch bei ihnen eine freiwillige Impfung möglich.

Stiko-Mitglied Christian Bogdan, Direktor des Mikrobiologischen Instituts am Universitätsklinikum Erlangen, erscheint vor dem Hintergrund der neuen Stiko-Empfehlung wichtig zu betonen, dass Sars-Cov- 2 nicht verschwunden ist. „Es sterben nach wie vor noch Menschen an Corona, auch durch Omikron.“ Alle, deren Immunschutz noch nicht vollständig ist, sollten sich dringend impfen lassen. „Das Virus wird uns weiter begleiten.“

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Auch der Virologe Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, betont, dass die Impfung nach wie vor schwere Erkrankung verhindert, auch die ersten Impfstoffe gegen den Wildtyp des Virus. Watzl begrüßt, dass es nun eine generelle, einfache und übersichtliche Impfempfehlung der Stiko geben wird. Das sei auch möglich, da Sars-Cov-2 kein neues Influenzavirus sei. Die Influenzaviren seien wesentlich flexibler, als Sars-Cov-2, bei dem es nur relativ geringe Änderungen gibt. Daher könnte es auch sein, dass in Zukunft Auffrischungsimpfungen nur noch alle 24 Monate empfohlen werden.

Post-Vac-Syndrom ernst nehmen

Zum Post-Vac-Syndrom, also unerwarteten Nebenwirkungen oder Komplikationen nach der Impfung, sagte Stiko-Mitglied Bogdan, dass man dies sehr ernst nehme. Die Stiko-Empfehlung sei aber unabhängig davon gegeben worden. Solche körperlichen Reaktionen würden weniger vom Impfstoff als vom Immunsystem des Menschen abhängen. Auch bei der Infektion könne es zu immunologisch ungewöhnlichen Reaktionen kommen, etwa wenn sich Antikörper gegen den eigenen Körper richten. „Bei Infektionen kommt dies viel häufiger vor als bei Impfungen.“

Nun gelte es, die Ursachen der Komplikationen herauszufinden. Bei 200 Millionen Impfungen in rund zwei Jahren sei es zudem auch unvermeidbar, dass eine Impfung bisweilen mit einer klinischen Erkrankung zusammenfalle, die nicht ursächlich mit der Impfung zusammenhängt. Daher müsse die Forschung herausfinden, bei welchen Erkrankungen die Impfung Ursache war.

200
Millionen Impfdosen wurden in Deutschland in rund zwei Jahren verimpft

Nicht erwünschte Immunreaktionen aufgrund der Impfung seien in Relation zur großen Zahl der Menschen, die von der Impfung profitieren, sehr klein. Hier sei eine Abwägung des Nutzens für viele Menschen gegenüber wenigen unerwünschten Nebenwirkungen zu treffen. Wobei der Nutzen massiv altersabhängig sei, da das Risiko für einen schweren Verlauf ab 60 Jahren stark ansteige.

Zu den Post- und Long-Covid-Erkrankungen gibt es mittlerweile erste Daten, die andeuten, dass Impfungen das Risiko in geringem Maße verringern können. Allerdings sei auch nach der Impfung das Risiko nicht gleich null, so Terhardt. Mit konkreten Zahlen lasse sich dieses Risiko aber nicht valide benennen, zumal die Definition der Folge-Erkrankungen noch recht uneinheitlich sei. Die Frage sei nun, welcher Mechanismus den Beschwerden zugrunde liegt und ob bei Post-Covid-Patienten bereits bestehende gesundheitliche Probleme durch die Erkrankung verstärkt würden.

Der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens zog eine positive Bilanz der Impfkampagne. „Die Impfungen waren tatsächlich ein ganz entscheidender Faktor im Kampf gegen die Sars-Cov-2-Pandemie“, betonte Mertens. Die Union kritisierte unterdessen vor dem Hintergrund von Millionen überzähliger Corona-Impfdosen die Strategie der Bundesregierung scharf.

„Bei gerade noch tausend Impfungen täglich ist es nicht mehr von der Hand zu weisen, dass sich die Bundesregierung bei ihren Impfstoffbestellungen massiv verschätzt hat“, sagte CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge der „Augsburger Allgemeinen“. Nach Recherchen der Zeitung sind derzeit rund 153 Millionen Impfdosen im Wert von mehreren Milliarden Euro eingelagert. 

Beim Impfstatus der Bevölkerung gibt es laut einer in dieser Woche veröffentlichten Studie des Robert-Koch-Instituts deutliche soziale Unterschiede. Demnach steigt der Anteil Geimpfter mit dem Alter und zunehmendem Einkommens- und Bildungsniveau. Menschen aus Ostdeutschland, in ländlichen Regionen Lebende und Menschen mit Migrationsgeschichte, insbesondere selbst zugewanderte Personen, weisen niedrigere Impfquoten auf. In der Altersgruppe ab 60 Jahren sind die sozialen Unterschiede im Covid-19-Impfstatus jedoch deutlich geringer.

Für die RKI-Studie waren die zwischen Juli und Dezember 2021 rund 5.000 Menschen telefonisch befragt worden. Insgesamt 86,7 Prozent der Studienteilnehmenden ab 18 Jahren waren mindestens einmal gegen Covid-19 geimpft.

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