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Vor allem zwei neue Abkömmlinge von Omikron sind aber gerade besonders im Blick.

© Marijan Murat/dpa

„Das Virus ist noch nicht fertig mit uns“: Virologin Eckerle warnt vor neuer Coronavariante BA.2.86

Das Coronavirus ist aktuell im Alltag kein großes Thema. Forscher schauen aber gezielt auf zwei Varianten. Besonders eine bereitet der Schweizer Virologin Eckerle Sorgen.

Der Anstieg der wöchentlich erfassten Corona-Infektionen in Deutschland hat sich weiter fortgesetzt. Die Zahlen bewegen sich auf einem Niveau, das mit den Hochphasen der Pandemie nicht vergleichbar ist – wobei die Aussagekraft andererseits geringer ist, da Labortests überwiegend nur noch bei schwer Erkrankten durchgeführt werden. Jedenfalls sind dabei insbesondere zwei neue Abkömmlinge von Omikron gerade besonders im Blick.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte zunächst EG.5, auch Eris genannt, zu einer von nunmehr drei „Virusvarianten von Interesse“ hoch. Deutlich stärker mutiert ist die neue Variante BA.2.86. Die WHO stufte sie vorige Woche als eine von derzeit sieben „variants under monitoring“ ein.

„Erstaunlich“ viele Mutationen der neuen Variante

Genau vor dieser Variante BA.2.86 warnt nun auch die Schweizer Virologin Isabella Eckerle, die in der Pandemie zu den gefragtesten Wissenschaftlerinnen zählte.

„Erstaunlich ist, wie viele Mutationen diese neue Variante hat – sie unterscheidet sich genetisch ungefähr so stark von Omikron wie Omikron von den vorherigen Varianten“, sagte die Professorin am Zentrum für Neuartige Viruserkrankungen der Universitätskliniken Genf im Gespräch mit dem „Spiegel“. Die Virologin vermutet, dass BA.2.86 eine deutliche Immunflucht aufweisen werde.

Es wurde ein Narrativ geschaffen, demzufolge alle Maßnahmen und auch die Impfungen übertrieben oder sogar schädlich gewesen seien – was einfach nicht stimmt!

Isabella Eckerle, Professorin am Zentrum für Neuartige Viruserkrankungen der Universitätskliniken Genf

Die Frage sei nun, ob diese Variante ausreichend fit, also gut übertragbar sei, und dadurch die jetzigen Varianten überholen könne. „Meine Einschätzung ist: Ja, wir werden bald eine Zunahme sehen“, sagte Eckerle. „Dann, finde ich, könnte man BA.2.86 mit dem nächsten Buchstaben im griechischen Alphabet benennen: Pi.“

Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, hatte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa mit Blick auf die sehr niedrigen Fallzahlen gerade gesagt: „Für Panik gibt es gerade keinen Grund, wir haben es eigentlich geschafft. Wir sind in der endemischen Phase“, sagte er. „Aber wir sind immer noch nicht auf dem Schnupfen-Niveau, wir sind auf dem Grippe-Niveau.“ Es könne sein, dass man mit Covid-19 ein paar Tage ausfalle.

Eckerle sagte dem „Spiegel“, für sie sei Sars-CoV-2 „eine eigene Kategorie“, weder sei es ein banales Erkältungsvirus noch könne man es mit Influenza oder RSV vergleichen. Weder Long Covid noch die von Corona verursachten Gefäß- und die neurologischen Erkrankungen seien bisher ausreichend verstanden. „Und einen stabilen Zustand kann ich bislang nicht erkennen. Ich glaube, das Virus ist noch nicht fertig mit uns.

Eckerle: Keine gute Vorbereitung auf nächsten Winter

Für den nächsten Winter seien wir „nicht gut gerüstet“, sagte die Virologin weiter. „Auch deswegen, weil im letzten Jahr ein Narrativ geschaffen wurde, demzufolge alle Maßnahmen und auch die Impfungen übertrieben oder sogar schädlich gewesen seien – was einfach nicht stimmt!“

Zwar werde man „nicht nochmal eine Variante bekommen, die unsere Immunität auf Null setzt“. Überfüllte Intensivstationen werde es deshalb im kommenden Winter wohl nicht geben. Aber die Mischung aus Sars-CoV-2, Influenza, RSV und den saisonalen respiratorischen Viren könne zu Personalausfällen führen, zu Engpässen in der Klinik, in den Praxen, in der Notaufnahme. Und zu Menschen, die Long Covid bekommen.

Sie selbst werde sich deshalb wahrscheinlich noch einmal boostern lassen. Und es sei sinnvoll, in öffentlichen Verkehrsmitteln, Notaufnahmen, generell im Krankenhaus und in Arztpraxen eine Maske zu tragen.

„Es ist es doch der totale Wahnsinn, dass sich im Winter zehn, 15 erkrankte Menschen in ein Wartezimmer setzen, die untereinander ihre Viren austauschen und sich dann wieder in alle Winde verstreuen“, sagte Eckerle. (lem)

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