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 Früherer Chef der SPD: Oskar Lafontaine.

© Imago/Becker&Bredel

„Unterm Strich nicht schlecht“: Lafontaine lobt Bilanz seines früheren Erzrivalen Schröder als Kanzler

Der Altkanzler war gerade wieder wegen seiner Russland-Nähe scharf kritisiert worden. Ein früherer SPD-Chef sieht Schröders Rolle anders. Die Bundesregierung unter Scholz geht Lafontaine scharf an.

Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder polarisiert wie wenige andere, deutlich wurde dies zuletzt wieder in vielen Äußerungen anlässlich seines 80. Geburtstags: Vor allem, weil der Altkanzler trotz des russischen Krieges gegen die Ukraine noch immer an seiner Freundschaft zu Kreml-Machthaber Wladimir Putin festhält, gab es scharfe Kritik. Das Verhältnis der SPD-Spitze zu Schröder ist eisig – dieser wiederum attackierte die aktuelle Führung der Sozialdemokraten scharf.

Nun hat sich auch der frühere SPD-Chef und einstige Erzrivale Oskar Lafontaine über Schröder geäußert. „Ich habe heute mehr Verständnis für einige seiner damaligen Entscheidungen“, sagte Lafontaine im Gespräch mit dem „Spiegel“. So sei es beispielsweise für eine neue Regierung schwierig gewesen, sich direkt gegen die USA zu stellen, die 1999 den Einsatz der Bundeswehr im Jugoslawienkrieg verlangten, sagte der 80-Jährige.

Er hat Stehvermögen. Dass er im Gegensatz zu Merkel, Steinmeier und allen anderen nicht eingeknickt ist, wenn es um die Beziehung zu Russland geht, zeigt das.

Oskar Lafontaine über Gerhard Schröder

„Er hatte den Mut, auch Fehler zuzugeben“, lobte Lafontaine. „Er räumte zum Beispiel ein, dass der Krieg in Jugoslawien völkerrechtswidrig war. Und er hat Stehvermögen. Dass er im Gegensatz zu Merkel, Steinmeier und allen anderen nicht eingeknickt ist, wenn es um die Beziehung zu Russland geht, zeigt das.“

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Lafontaine war von 1985 bis 1998 Ministerpräsident des Saarlandes. Für die Bundestagswahl 1990 war er Kanzlerkandidat der SPD und von 1995 bis 1999 SPD-Vorsitzender. 1998 hatte Lafontaine die erste rot-grüne Koalition auf Bundesebene mitbegründet und war danach kurzzeitig Finanzminister unter Kanzler Schröder.

Später bekämpfte Lafontaine die SPD von links, aus der er 2005 austrat. 2022 kehrte er der Linkspartei den Rücken. Lafontaine ist mit der ehemaligen Linken-Politikerin und Gründerin der Partei BSW, Sahra Wagenknecht, verheiratet. 

Dem SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder applaudiert der Parteivorsitzende Oskar Lafontaine (links) am 22. August 1998.
Dem SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder applaudiert der Parteivorsitzende Oskar Lafontaine (links) am 22. August 1998.

© picture alliance/dpa/Tim Brakemeier

Auf die Frage, wie er auf Schröders politische Gesamtbilanz blicke, sagte Lafontaine: „Ich versuche, sie fair zu bewerten und vergleiche Schröder mit Merkel und Scholz. Unterm Strich schneidet Schröder nicht schlecht ab. Angela Merkel ist immer der US-Politik gefolgt. Sie wollte auch beim Irakkrieg mitmachen. Schröder hätte auch bei der Migration nicht blauäugig gesagt, wir schaffen das. Scholz ist für mich eine große Enttäuschung.“ Dem Kanzler fehle „jeder Sinn für die deutsch-französische Achse“.

Lafontaine weiter: „Am schlimmsten aber ist die Außenministerin Annalena Baerbock, die auf der Welt ihr Unwesen treibt und den deutschen Interessen jeden Tag massiv schadet“, sagte Lafontaine. Sie verbrauche „sehr viel Kerosin, bewirkt nichts und tritt auf der internationalen Bühne in jedes Fettnäpfchen“.

Heute sehe er es als seinen größten Irrtum an, dass er zu Zeiten von Rot-Grün einen naiven Blick auf die Grünen gehabt habe, sagte Lafontaine. „Ich hatte tatsächlich gedacht, die Grünen würden mich unterstützen, wenn es darum ging, eine Beteiligung Deutschlands am Jugoslawienkrieg zu verhindern.“ Besonders im damaligen Außenminister Joschka Fischer habe er sich getäuscht. Die Grünen seien heute „die schlimmste Kriegspartei im Deutschen Bundestag“, sagte Lafontaine.

Im vergangenen Jahr hatten sich Schröder und Lafontaine im Beisein ihrer Ehefrauen zur Aussprache getroffen – nach rund 24 Jahren Funkstille. „Auch ich fand, es sei an der Zeit, wieder aufeinander zuzugehen“, sagte Lafontaine. „Wenn zwei Politiker eine solche Geschichte zusammen hatten und es vergehen viele Jahre ohne Kontakt, dann ist es überfällig, wieder ins Gespräch zu kommen.“

Und weiter: „Die Zeit heilt Wunden. Und man ändert die Sichtweise. Hegel sagt, das Wahre ist das Ganze. Auch die Meinung des anderen ist ein Teil der Wahrheit.“

Zu Schröders 80. Geburtstag am 7. April habe er ihn angerufen und Glück und Gesundheit gewünscht. „Ein Schreiben zum Geburtstag wäre mir zu formell, zu unpersönlich gewesen. Es war ein schönes Telefonat, freundlich, es gab keine Kontroversen. Wir haben auch nicht mehr den Anspruch, einander politisch zu überzeugen. Mit zeitlichem Abstand ist es leichter, mit Differenzen umzugehen“, sagte Lafontaine. (lem)

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