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Container-Unterkunft für Geflüchtete.

© dpa/Lena Lachnit

Update

Ausbau der Unterkünfte in Tegel und Tempelhof: Berlin erwartet weitere Tausende Geflüchtete bis Jahresende

Die Plätze in den Unterkünften für Geflüchtete in Tegel und Tempelhof sollen ausgebaut. Auch Hotels und Hostels sollen angemietet werden. Das beschloss die Berliner Senats-Taskforce.

| Update:

Berlin erwartet bis zum Jahresende Tausende weitere Geflüchtete. „Wir haben deutlich steigende Zahlen“, sagte Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) am Dienstag. Zuvor hatte die Senats-Taskforce zur Unterbringung und Versorgung Geflüchteter getagt. Schon jetzt stoße man bei der Unterbringung an Grenzen. „Die Kapazitäten in den Ankunftszentren müssen erhöht werden“, sagte die Senatorin. Der Senat rechnet bis Ende Dezember mit 9.000 bis 10.000 weiteren Asylsuchenden.

Rund 3.000 bis 4.000 aller Ankommenden, so die Annahme, werden in Unterkünften des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) untergebracht werden müssen. Es werde nachverdichtet, es müsse zusammengerückt werden, sagte Kiziltepe.

In den Monaten von Januar bis August haben 9936 Personen Asyl in Berlin gesucht. Im Vorjahreszeitraum waren es nach LAF-Daten rund 3000 weniger – ein Anstieg von 40 Prozent. Allein in den beiden vergangenen Monaten Juli und August sind 1506 beziehungsweise 1869 Asylsuchende nach Berlin gekommen. Hauptherkunftsländer sind Syrien, die Türkei, Afghanistan, Georgien und Moldau. Gleichzeitig kamen von Januar bis August etwa 11.000 Menschen aus der Ukraine nach Berlin – zusammen also rund 21.000.

Um kurzfristig neue Plätze zu schaffen, sollen nach Angaben der Integrationsverwaltung die bestehenden Unterkünfte an den ehemaligen Flughäfen Tegel und Tempelhof ausgebaut werden. Außerdem sollen zusätzlich Hotels und Hostels angemietet werden. Finanzsenator Stefan Evers (CDU), der ebenfalls Mitglied der Taskforce ist, sagte: „Wir haben es hier mit einer Situation zu tun, die seit Sommer dramatisch abweicht von den Prognosen, von denen wir in der ersten Jahreshälfte ausgegangen sind.“

Ausbau in Tegel und Tempelhof

Um weitere Plätze zu schaffen, sollen in Tegel zwei weitere Leichtbauhallen aufgestellt werden. So sollen 800 neue Plätze entstehen. Bislang wurden im „Ankunftszentrum Ukraine“ fast ausschließlich Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht. Weil es aber berlinweit kaum Plätze gibt, sind dort seit etwa zwei Wochen auch 750 Asylsuchende aus anderen Regionen untergebracht - allerdings in separaten Hallen. Aktuell gibt es in Tegel Platz für 4600 Geflüchtete.

Auch auf dem Gelände in Tempelhof, wo derzeit 1830 Asylsuchende unterkommen, ist der Aufbau weiterer Plätze geplant. Ob ein weiterer Hangar genutzt werden kann, will der Senat prüfen und möglichst nächsten Dienstag beschließen, kündigte Kiziltepe an.

Zudem gibt es Verhandlungen mit Betreibern von Hotels und Hostels. Das LAF will diese anmieten. Dadurch sollen rund 1500 neue Plätze entstehen. Senatorin Kiziltepe nannte als weitere mögliche Unterkunft die Sternhäuser auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik. Diese sollten eigentlich abgerissen werden. Weiter ist ein alter Baumarkt in der Idunastraße in Pankow im Gespräch. Überlegt wird auch, eine Leichtbauhalle am Ankunftszentrum in Reinickendorf aufzustellen.

Lange Wartezeiten für Suchende

Derzeit kommen nach Angaben des LAF täglich zwischen 120 und 190 Asylsuchende nach Berlin. Hinzu kommen pro Woche etwa 350 Menschen aus der Ukraine. Weil die Zahl an Asylsuchenden so hoch ist, können nicht alle zeitnah registriert werden. Bis zu zehn Tage warten manche darauf, hieß es aus der Sozialverwaltung. Nach Tagesspiegel-Informationen warten manche Menschen aber bereits bis zu drei Wochen auf ihre Registrierung. Unter den Ankommenden sollen viele Menschen aus Syrien und Afghanistan sein, aber auch Personen mit kurdischer Abstammung aus der Türkei. Kiziktepe kündigte an, das Personal beim LAF aufzustocken.

Zur aktuellen Unterbringungssituation hatte LAF-Sprecher Sascha Langenbach zuvor gesagt: „Die Kapazität in den Unterkünften liegt quasi bei null“. Es stünden noch 274 Plätze in Gemeinschaftsunterkünften zur Verfügung. Bereits belegt seien mit Stand 15. September 31.889 Plätze.

Kritik von den Grünen

Der migrationspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Jian Omar, kritisierte die Pläne des Senats, die Notunterkünfte auszubauen: „Ich sehe es sehr kritisch, dass die Notunterkünfte ausgebaut werden sollen“, sagte er dem Tagesspiegel. Es brauche dezentrale Unterbringungen. Er verwies auf den Vorschlag der Grünen-Fraktion, Hotelgebäude in der Stadt anzukaufen.

Auch kritisierte er, dass bislang von den seit 2018 geplanten 12.000 Plätzen in modularen Unterkünften nur 7000 entstanden seien. Wenn es diese gäbe, bräuchte es Tegel nicht, sagte Omar. Er warf der Taskforce des Senats vor, dass sie bislang keine Ergebnisse vorgelegt habe. Allmählich dränge sich der Verdacht auf, dass die Taskforce nur Symbolpolitik sei. „Wir brauchen einen konkreten Fahrplan, wie es in den kommenden Monaten weitergeht.“

Der integrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Orkan Özdemir, zeigte Verständnis für das Agieren des Senats: „Wir wollen keine Verhältnisse wie bei Mario Czaja haben, bei denen Leute in Parks übernachten müssen“, sagte er mit Blick auf den früheren CDU-Senator. Die Situation sei extrem schwierig. „Wir müssen das Beste daraus machen.“ Deswegen sei der Ausbau der bestehenden Unterkünfte richtig.

Senatorin reagiert ablehnend auf Vorschlag zu Sachleistungen

Danach gefragt, reagierte Senatorin Kiziltepe ablehnend auf den Vorschlag, Sach- statt Geldleistungen an Geflüchtete auszugeben. „Die Unterscheidung zwischen Sach- und Geldleistungen halte ich nicht für zielführend“, sagte sie. Mehr wollte sie dazu nicht sagen. Den Vorschlag hatte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann gemacht.

Bereits zuvor hatte sie im Gespräch mit der dpa auf die Leistungen Berlins in Hinblick auf die Flüchtlingsunterbringung verwiesen: „Was in unserer Stadt vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, von der Zivilgesellschaft und unserer Verwaltung seit 2015 und seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine geleistet wurde, das ist etwas, worauf wir stolz sein können“, sagte Kiziltepe. „Kein Mensch, der in Berlin Hilfe sucht, landet auf der Straße.“ (mit dpa)

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