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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, M.) nimmt an einem Bürgerdialog im Dialogforum im Rahmen des Bürgerfestes und der Feierlichkeiten zu «75 Jahre Grundgesetz» teil. Am 23.05.1949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkündet und trat am folgenden Tag in Kraft. Das Jubiläum wird mit einem dreitägigen großen Demokratiefest vom 24. bis 26.05.2024 im Berliner Regierungsviertel gefeiert.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Bundeskanzler bei Bürgerdialog in Berlin: Scholz ruft Klima-Hungerstreikende zum Abbruch ihrer Aktion auf

Zur Eröffnung des Demokratiefestes stellt sich Olaf Scholz den Fragen von ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern – ein Wohlfühltermin für ihn. Nur bei den Themen Taurus und Hungerstreik wird er deutlich.

Von Christoph Papenhausen

Olaf Scholz lehnt lässig auf einem weißen Tisch in Form einer 75 und bedankt sich. „Danke“, sagt er. „Danke fürs Machen“ und immer wieder „Schönen Dank fürs Engagement“. Zu Dank verpflichtet ist er den 300 ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die von Hamburg, Oldenburg oder Krefeld nach Berlin gekommen sind, um mit dem Kanzler auf dem Demokratiefest zu diskutieren.

60 Minuten Zeit hat sich Scholz für sie genommen. Was als „Deutschland-Dialog“ angekündigt war, beginnt allerdings als Vorstellungsrunde, bei der vier im Vorfeld ausgesuchte Bürger aus ihrem Alltag im Ehrenamt berichten. 

Matthias Keussen auch Chemnitz etwa, Vertreter der Sportjugend in Deutschland, erzählt, dass er sich für Vielfalt und Toleranz im Sport einsetze. Dabei würden er und seine Mitstreiter allerdings immer wieder homophob beleidigt und bedroht. Das gehöre mittlerweile zum Alltag. Trotz allem sei er zum Bürgerdialog gekommen, um darauf aufmerksam zu machen, „welchen positiven Einfluss Sport auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben könne“, sagt er. 

Scholz geht einen Schritt auf ihn zu, lächelt und dankt ihm. „Ich möchte gerne sagen, dass ich Ihr Engagement ganz toll finde“, sagt er. Auf die Anfeindungen oder Probleme, von denen Keussen berichtet, geht er nicht ein. Stattdessen lobt er den Sport im Allgemein als eine Möglichkeit, aus der eigenen Blase herauszukommen. „Meistens trifft man Leute, die genauso sind wie man selbst. Das ist nett, aber auch langweilig“, sagt er. Der Sport biete eine „großartige Möglichkeit“, um Menschen mit anderen Hintergründen und Lebensgeschichten zu treffen. 

Taurus-Lieferung und Hungerstreik

Nach diesem Schema läuft die gesamte Vorstellungsrund ab. Scholz dankt, Scholz lächelt, Scholz lobt. Dabei umkurvt er die unangenehmen Aspekte des Ehrenamts. Erst nach 25 Minuten geht der eigentliche Dialog los. Jetzt wird es politisch interessanter.

Denn gleich der zweite Fragesteller ist ein junger Ukrainer. Wegen des russischen Angriffskrieges sei er aus seinem Heimatland geflohen und habe Freunde, die noch in der Ukraine seien, berichtet er. Er danke Scholz zwar für die Unterstützung der Ukraine, wolle aber wissen, warum Scholz die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper ablehne.

Scholz dankt reservierter als zuvor und beginnt, die bisherigen Bemühungen Deutschlands hervorzuheben. Deutschland habe 28 Milliarden Euro an Waffenhilfe geleistet oder zugesagt, Munition und Panzer geliefert. Damit habe man die zweitgrößte Summe auf der ganzen Welt aufgebracht und mehr getan als die europäischen Partner.

Erst dann begründet er, warum er sich gegen eine Taurus-Lieferung ausspreche. Bei der Unterstützung der Ukraine müsse verhindert werden, dass es zu einer Eskalation zwischen Russland und der Nato komme. Aufgrund der hohen Reichweite der Waffe könnte er eine Lieferung nur vertreten, „wenn wir die Ziele selbst bestimmen und festlegen“, sagte er. „Das wiederum ist nicht möglich, wenn man nicht selbst Teil der Auseinandersetzung werden will.“ Doch auch ohne den Taurus sei das bisherige Handeln der Bundesregierung „hochwirksam“ und „bis zur Grenze ausgereizt“ worden.

Wenig später möchte die Psychologin Claudia Heinrich wissen, warum Scholz den Forderungen der Teilnehmer des Klima-Hunger-Streiks in Berlin nicht nachkomme. Bereits seit 79 Tagen hungerten die Aktivisten, um Scholz zu mehr Klimaschutz zu bewegen. Warum gehe Scholz nicht auf sie zu?

Scholz wirkt zum ersten Mal an diesem Nachmittag energisch. Ohne Dank für die Frage weist er den Hungerstreik als ein falsches Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele zurück. „Ich finde das eine ganz bedrückende Aktion“, sagte er. „Ich finde, dass es ein Fehler ist, Gewalt gegen andere auszuüben, aber auch gegen sich selbst.“ Es mache keinen Sinn, eine solche Aktion „anzuzetteln“, um damit etwas zu „erpressen“. Er selbst sei bereit, jede Frage zu beantworten und plädiere für eine Diskussion mit demokratischen Mitteln. „Deshalb ist es mein großer Wunsch, dass diese Aktion abgebrochen wird.“

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