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Visualisierung der Fußgängerzone Friedrichstraße

© Visualisierung SenUMVK

„Nicht im Senat abgestimmt“: Jarasch sperrt die Friedrichstraße erneut – Giffey kanzelt sie ab

Verkehrssenatorin Bettina Jarasch lässt die Friedrichstraße wie angekündigt ab Montag für Autos sperren. Doch bis zum dauerhaften Umbau werden Jahre vergehen.

Seit Jahren wird über eine Fußgängerzone in der Friedrichstraße diskutiert, kurz vor der Wiederholungswahl schafft Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) nun die angekündigten Fakten. Ab Montag wird ein Teil der Straße endgültig für den Autoverkehr gesperrt. Ein Schritt, der kurz vor der Wahl auch im Senat für Ärger sorgt. Und von Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) heftig kritisiert wird.

Die Umwidmung ist das Ende eines bereits Mitte 2022 gestarteten Prozesses. Der grün-geführte Bezirk Mitte hatte das Verfahren zur Teileinziehung der Friedrichstraße für den Autoverkehr über Monate geführt.

Dabei seien die Belange von Anrainern und Verbänden, aber auch die Bedeutung für den Lärm, Luft- und Aufenthaltsqualität abgewogen worden, sagte Jarasch am Mittwoch. „Die Umwidmung steht jetzt auf sicheren Füßen.“ Am Freitag wird der Verwaltungsakt im Amtsblatt veröffentlicht.

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„Wir sind einen großen Schritt weitergekommen. Der dauerhafte Umbau zu einer Fußgängerzone kann jetzt stattfinden“, sagte Jarasch. Ab Montagmorgen können Autos demnach erneut nicht mehr in den Abschnitt zwischen Französischer Straße und Leipziger Straße einfahren.

Der gelbe Radweg kommt nicht zurück, dafür die alten Sitzmöbel

Ab dann werde die Straße eine Woche lang umgebaut, sagte Jarasch. Die Parkplätze fallen weg, Stadtmöbel werden aufgestellt. Danach ist die Friedrichstraße in ihrem vorläufig neuen Zustand, ehe der Straßenzug in den kommenden Jahren grundlegend umgebaut werden soll.

Jarasch verteidigte die Entscheidung, den Abschnitt der Friedrichstraße für Autos zu sperren. „Einen solchen Weg gehen Metropolen auf der ganzen Welt, um die Innenstädte wieder mit mehr Aufenthaltsqualität zu versehen“, sagte sie. Die Friedrichstraße sei „wahrscheinlich der meistdiskutierte Baustein dessen, was wir in dieser Stadt vorhaben“. Doch nun gebe es die Chance, die Einkaufsstraße „auf weltweitem Niveau“ umzugestalten.

Dafür sollen nach der Sperrung zunächst Stadtmöbel sorgen. Neben 20 Sitzgelegenheiten, die bereits während der vergangenen Sperrung auf der Straße standen, würden derzeit zusätzliche neue bestellt. Ab dem Frühjahr sollen sowohl Bäume in Kübeln als auch andere Gewächse die Straße verschönern.

Nicht zurückkehren wird dafür der häufig kritisierte, gelbe Radweg in der Mitte der Straße. „Dadurch schaffen wir Entschleunigung auf der Friedrichstraße, was die Verweilqualität ganz sicher erhöht“, sagte Mittes Verkehrsstadträtin Almut Neumann (Grüne). Auch Baustellenbaken sollen nicht mehr zu sehen sein. Die Einfahrt wird an den Enden der Fußgängerzone stattdessen mit Sitzmöbeln blockiert.

Neumann versprach zudem, große Flächen für die Außengastronomie schnell und unkompliziert genehmigen zu wollen. „Es ist uns ein Anliegen, durch viel Außengastronomie die Aufenthaltsqualität zu erhöhen.“

Zusätzlich seien künftig auch Kunst- und Kulturveranstaltungen auf der freien Straßenfläche angedacht. Organisiert würden diese über das Planungsbüro „bo_backoffice“, das die neue Projektkoordination zur Friedrichstraße und damit auch den Austausch mit den Anrainern vor Ort übernimmt.

Der Radverkehr soll statt durch die Einkaufsstraße künftig über die in der Charlottenstraße eingerichtete Fahrradstraße verlaufen. Und doch sind auch in der gesperrten Friedrichstraße Räder nicht verboten, gestand Jarasch. „Fahrräder und E-Scooter sind erlaubt, aber in Schrittgeschwindigkeit.“ Bis sich die Regeln durchgesetzt hätten, werde man stärker hingucken. In jedem Fall gelte ein „ganz klarer Vorrang für Fußgänger“.

 Erst sperren, dann planen, ist keine gute Lösung. Das wird der Hauptstadt nicht gerecht.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) zur Fußgängerzone in der Friedrichstraße

Im November wurde die Friedrichstraße nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts wieder für den Autoverkehr freigegeben. Jarasch versprach damals ein neues „Gesamtkonzept“ für die Friedrichstraße und deren Umgebung zu erarbeiten. Davon enthalten die nun vorgestellten Pläne jedoch nichts.

Ein Umstand, den die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey umgehend kritisierte: „Diese Aktion ist nicht im Senat abgestimmt. Ich halte diesen Alleingang auch nicht für durchdacht. Erst sperren, dann planen, ist keine gute Lösung. Das wird der Hauptstadt nicht gerecht“, schrieb sie auf Twitter.

Ähnlich kritisch äußerte sich Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD). „Das Vorpreschen wiederholt die alten Fehler, indem man den letzten Schritt vor dem ersten macht“, sagte er. „Für eine gut durchdachte, partizipative Gestaltung der gesamten Gegend um die Friedrichstraße ist das ein Bärendienst.“

Überrascht dürften die Sozialdemokraten allerdings nicht über die dauerhafte Sperrung der Straße sein. Bereits im Mai 2022 hatte Jarasch diesen Schritt angekündigt. Die Verkehrssenatorin wiederholte die Pläne für die damals bereits laufende Umwidmung der Friedrichstraße im November. Dass es zur Einrichtung der Fußgängerzone kommen würde, war fortan klar. „Versprechen gegeben, Versprechen gehalten“, sagte Jarasch dazu am Mittwoch.

Unser Ziel ist dort ein moderner Stadtraum, wenn wir in Berlin wieder auf internationales Niveau kommen wollen.

Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) zur Fußgängerzone in der Friedrichstraße

„Unser Ziel ist dort ein moderner Stadtraum, wenn wir in Berlin wieder auf internationales Niveau kommen wollen. Das hatten wir in den Koalitionsverhandlungen genau so besprochen. Wenn Franziska Giffey das nicht teilt, wundert mich das“, reagierte Jarasch auf Giffeys Worte.

Zwar könne das Beteiligungsverfahren zur dauerhaften Umgestaltung nach der Wahl schnell starten, jedoch würden Beteiligungsverfahren und Umbau viel Zeit in Anspruch nehmen. Mittel für die Bauarbeiten sind noch in der Investitionsplanung der Jahre 2026 und 2027 eingestellt. „Bis der endgültige Zustand erreicht ist, werden einige Jahre vergehen. So lange möchte die fußgängerfreundliche Umgestaltung der Friedrichstraße nicht mehr warten“, so Jarasch.

Anrainer-Bündnis will gegen Sperrung vorgehen

Doch mit ihren Plänen löst Jarasch massive Kritik aus. „Dieser Aktionismus ist das Gegenteil von durchdachter, strategischer Verkehrspolitik“, sagte der IHK-Vizepräsident Robert Rückel. „Im Streit um die Zukunft der Friedrichstraße ist mit dieser mit den Gewerbetreibenden vor Ort nicht abgestimmten Volte ein neuer Tiefpunkt erreicht.“

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner warf Jarasch „Bevormundung“ vor. „Einmal mehr will Grünen-Senatorin Jarasch mit dem Kopf durch die Wand. Wir lehnen diese grüne Zwangssperrung klar ab.“  

Mit der neuerlichen Sperrung agiere Jarasch „gegen alle Widerstände und gegen die Interessen der Menschen vor Ort“, kritisierte der FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja.

Auch das Aktionsbündnis „Rettet die Friedrichstraße“, eine Gruppe von Gewerbetreibenden vor Ort, fühlt sich von der kurzfristigen Ansage Jaraschs „überrumpelt“. Sobald die Allgemeinverfügung am Freitag vorliege, „wird diese umgehend rechtlich geprüft und das Bündnis wird alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um gegen die erneute Sperrung vorzugehen“, teilte das Bündnis mit.

Wo die Prioritäten von Jarasch liegen, zeigte sich am Mittwochmorgen beim Steuerungskreis Industriepolitik. Mehrere Teilnehmer berichten, dass Jarasch an dem Termin nicht teilnahm. Wie auch schon beim vorherigen Treffen.

Stattdessen stellte sie der Presse ihre von den Handels- und Wirtschaftsverbänden abgelehnten Pläne für die Friedrichstraße vor. Ihr Sprecher Sebastian Brux hatte noch am Dienstagabend auf Twitter IHK-Präsident Sebastian Stietzel mit den Worten zitiert: „Die Berliner Industrie hat mehr politische Beachtung verdient.“

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