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Vorstellung Koalitionsvertrag, Kai Wegner am 3. April 2023.

© IMAGO/Bernd Elmenthaler/IMAGO/Bernd Elmenthaler

Update

„Geiselhaft von Chaoten“: Wegner will schärfere Maßnahmen gegen Klimaaktivisten in Berlin

Berlins Regierender kündigte an, Staatsanwälte sollten künftig bei Straßenblockaden vor Ort sein. Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger:innen kritisiert dieses Vorhaben.

| Update:

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat schärfere Maßnahmen gegen die Klimaaktivisten angekündigt. Der „Bild am Sonntag“ sagte Wegner, es könne nicht sein, „dass festgenommene Blockierer nach wenigen Stunden wieder auf freiem Fuß sind und sich an der nächsten Kreuzung festkleben.“

Um schnelle Urteile zu ermöglichen, kündigte Wegner an, dass Staatsanwälte bei Klebeaktionen künftig vor Ort sind. „Das ermöglicht eine schnelle Beweisaufnahme, und das Urteil kann der Tat auf dem Fuße folgen.“ Darüber hinaus will Wegner juristisch prüfen lassen, inwieweit die Klimaaktivisten für verursachte Schäden selbst aufkommen müssen. „Ich habe den festen Willen, Berlin aus der Geiselhaft dieser Chaoten zu befreien“, so Wegner zur Bild am Sonntag.

Bereits zuvor hatte Berlins Regierungschef im Tagesspiegel-Interview erklärt, er wolle den Präventivgewahrsam von zwei auf fünf Tage ausweiten.

Kritik an dem Vorhaben kommt von der Vereinigung Berliner Strafverteidiger:innen. Das Ziel von Wegner sei offenbar, sogenannte „beschleunigte Verfahren“ durchzuführen zu lassen. „Es geht Kai Wegner darum, Protest zu kriminalisieren und Anwältinnen und Anwälte von diesen Verfahren, in denen es letztlich auch um Fragen der Grundrechte geht, fernzuhalten“, sagte Vorstand Clemens Hof dem Tagesspiegel. Darüber hinaus sei es nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die Polizeiarbeit vor Ort zu unterstützen.

Es geht Kai Wegner darum, Protest zu kriminalisieren und Anwältinnen und Anwälte von diesen Verfahren, in denen es letztlich auch um Fragen der Grundrechte geht, fernzuhalten.

Clemens Hof, Vorstand der Vereinigung Berliner Strafverteidiger:innen.

Hof wies darüber hinaus darauf hin, dass der Präventivgewahrsam einst mit dem Hinweis auf „Terrorbekämpfung“ eingeführt wurde. Dennoch sei der einzige bislang bekannte Anwendungsfall, die Bekämpfung von unpassend erscheinenden Protesten. „Schon deswegen verbietet sich aus unserer Sicht jede Ausdehnung“, sagte Hof.

Auch die Vereinigung der Berliner Staatsanwälte kritisiert Wegners Vorstoß. Ihr Vorsitzender Ralph Knispell sagte dem Tagesspiegel, es erscheine schon aus personellen Gründen nicht denkbar, bei allen Polizeieinsätzen bei Klimablockaden einen Staatsanwalt oder eine Staatsanwältin abzustellen.

Selbst bei genügend Personal erscheine „es nicht vorstellbar, wie die Bediensteten der Staatsanwaltschaft zeitnah zu den zuvor unbekannten und vor allem vielfach an verschiedenen Orten zeitgleich stattfindenden Tatorten gelangen sollen.“ Seine Vereinigung gehe zudem „von einer gleichermaßen guten wie zügigen Sachbearbeitung durch die Polizei aus.“

In letzter Zeit fast täglich Straßenblockaden

Klimaaktivisten, insbesondere der Gruppe „Letzte Generation“, haben in den vergangenen Wochen fast täglich Straßen in Berlin blockiert und für Staus gesorgt. Die Gruppe fordert unter anderem ein allgemeines Tempolimit von 100 km/h und ein dauerhaftes Neun-Euro-Ticket.

Bereits am Samstag hatte Berlins neue Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für CDU) angekündigt, prüfen zu wollen, ob es sich bei der Klimagruppe „Letzte Generation“ um eine kriminelle Vereinigung handelt.

Es gelte, „alle gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, und dazu gehört eben auch die Frage, ob es sich bei der Letzten Generation um eine ‚kriminelle Vereinigung‘ handelt“, sagte Badenberg der Deutschen Presse-Agentur.

Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte dafür bislang keine Anhaltspunkte gesehen. Die Justizverwaltung bestätigte am Sonntag dem Tagesspiegel, dass die Prüfung bereits laufe. Auf die Frage, ob sie die Staatsanwaltschaft anweisen würde, wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung zu ermitteln, erklärte ein Sprecher: „Alle Entscheidungen zum weiteren Vorgehen werden nach Abschluss der Prüfung erfolgen.“

Kritik an CDU-Justizsenatorin Badenberg

Sebastian Schlüsselburg, Rechtsexperte der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, kritisierte Badenbergs Vorstoß. Er habe „Vertrauen in die Staatsanwaltschaft und ihre objektive Arbeit“, sagte er. Bislang sei es Konsens gewesen, „dass es keine politischen Überprüfungen oder gar Weisungen an die Staatsanwaltschaft gibt. Dabei sollte es auch bleiben.“

Schlüsselburg sagte, dass sonst der Eindruck entstehen könne, die Staatsanwaltschaft werde instrumentalisiert, „um von anderen Problemen des Regierenden Bürgermeisters abzulenken“ – eine Anspielung auf die jüngst aufgekommene Diskussion um eine 820.000-Euro-Spende des Immobilienunternehmers Christoph Gröner an die Berliner CDU. „Die zeitliche Nähe ohne tatsächliche Basis“ für Badenbergs Initiative sei „zu augenscheinlich“.

Badenberg dagegen betonte die Unabhängigkeit der Justiz. „Das Anklagemonopol liegt bei der Staatsanwaltschaft, und Recht sprechen können nur die Gerichte.“ Ob es sich bei der „Letzten Generation“ um eine kriminelle Vereinigung handle, könnten letztlich nur diese entscheiden. (mit dpa)

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