zum Hauptinhalt

BVG-Streik: "Die Geduld der Kunden ist erschöpft"

Verdi-Sprecher Splanemann will weitere Streiks vermeiden. Der Straßenverkehr hat sich weitestgehend beruhigt. Der Streiktag zum Nachlesen.

- Seit Montagfrüh steht bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) wegen des erneuten Warnstreiks nahezu alles still.

- Bis zum Betriebsschluss in der Nacht zum Dienstag soll der Ausstand andauern. Betroffen sind U-Bahn, Busse und Straßenbahnen.

- So kommen Sie ohne U-Bahn, Bus und Tram durch die Stadt: Lesen Sie hier die Tipps, um trotz des Streiks ans Ziel zu kommen.

- Die S-Bahn setzt mehr Züge auf den Stadtbahnlinien ein.

- Wer zum Flughafen Tegel will, nimmt den Shuttlebus vom S- und U-Bahnhof Jungfernheide oder geht zu Fuß, denn rund um den Flughafen staut es sich.

Den ganzen Tag geht nichts bei der BVG.

© Paul Zinken/dpa

See latest updates
Neuen Beitrag anzeigen
Neue Beiträge anzeigen
new updates
Kein Beitrag vorhanden
Niklas Liebetrau

Die Berliner S-Bahn zieht Bilanz zum BVG-Streik


Ab 5 Uhr war die S-Bahn unterwegs und fuhr das volle Programm, stockte die Flotte sogar noch auf:

- Alle 531 Züge waren auf der Schiene (524 Regelbetrieb plus Taktverstärker S5)
- 80 zusätzliche Fahrten auf der S5 zwischen Mahlsdorf und Warschauer Straße (noch bis etwa 18.30 Uhr)
- 10 zusätzliche Fahrten zwischen Gesundbrunnen und Schöneberg in der Früh-Hauptverkehrszeit (HVZ), 27 zusätzliche Fahrten in der Spät- HVZ (noch bis etwa 19.30 Uhr)
- Einsatz von drei zusätzlichen Zügen aus der Betriebsreserve im
Nord-Süd-System 
- 48 zusätzliche Mitarbeiter waren auf den Bahnsteigen im Einsatz für die Kundeninformation und zur Unterstützung des Betriebes
- 7 zusätzliche Lokführer im Einsatz für die S5-Taktverstärker

Alle Lokführer traten am Montag pünktlich ihren Dienst an, auch alle Reservezüge waren mit Personal besetzt. Die zusätzlichen Züge der S5 wurden teilweise von Führungskräften mit Fahrlizenz gelenkt.
Am vollsten waren die Züge auf dem östlichen Ring und im Bereich Friedrichstraße. Auf den Bahnhöfen Ostkreuz, Friedrichstraße und Zoologischer Garten warteten die meisten Fahrgäste.

Dennoch lief der Verkehr zuverlässig und mit einer Pünktlichkeit, die zwischen 98,7 Prozent (um 6 Uhr) und 91,4 Prozent (15 Uhr) lag. Durch das hohe Fahrgastaufkommen dauerte das Ein- und Aussteigen an den Bahnhöfen länger, was zu Haltezeitüberschreitungen führte.

Share
Share on Facebook Share on LinkedIn Share on WhatsApp Share on Telegram Share on Twitter Share via Email |
Permalink
Sophie Krause

In anderthalb Stunden vom Potsdamer Platz nach Tegel

Am Streiktag vom Potsdamer Platz zum Flughafen Tegel mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren? Tagesspiegel-Autor Victor Rascher hat den Test gemacht:

"Die S1 und Ringbahn waren so voll wie immer, aber nicht überfüllt, es gab sogar Sitzplätze. Knapp 45 Minuten dauerte es zum S-Bahnhof Jungfernheide.

Dort war der Weg zum Shuttlebus ausgeschildert, man konnte ihn nicht übersehen. Ein Busfahrer riet mir, zu Fuß zum  Flughafen zu gehen. Das sei schneller, denn mit dem Bus würde es wegen des Staus etwa eine Stunde dauern. Auf dem Fußweg neben der Autobahn waren schon viele Menschen zu Fuß unterwegs, einige stiegen auch aus den stehenden Autos aus und liefen auf dem Standstreifen weiter. Polizisten waren vor Ort und verwiesen sie auf den abgezäunten Gehweg.

Luis (33) und Carolin (44), zwei Touristen aus Amerika, erzählten, sie hätten vor einem Tag auf Twitter von dem Streik erfahren. Deshalb wollten sie den vorgeschlagenen  Ersatzverkehr nehmen, entschieden sich angesichts des Staus aber fürs Laufen. Die beiden nahmen die Situation mit Humor: Das Wetter sei schön, man könne auch zu Fuß gehen. Zeitdruck hatten sie nicht. Die beiden Amerikaner lobten die BVG für ihre Pünktlichkeit.

Bei anderen Fluggästen sah es schon ganz anders aus: Viele waren sind im Stress, weil sie ihre Flüge bekommen mussten. „Ganz ungünstig“, „passt grad nicht“, „müssen schnell los“, waren häufige Antworten. Einige Menschen rannten sogar mit ihren Rollkoffern und ihrem schweren Gepäck zum Flughafen.

Franziska (27) und Susanne (52) mussten nicht rennen: „Wir haben eine E-Mail von unserem Fluganbieter Ryanair bekommen“, sagte Franziska. Deshalb hätten sich die beiden fürs Laufen entschieden. Sie hätten Verständnis für die Streikenden, doch es treffe leider die Falschen. Es sei wichtig, dass die BVG-Mitarbeiter ein Zeichen setzen, dass sie mehr Geld verdienen sollten, meinte Susanne. „Ich habe am Freitag über die Medien mitbekommen, dass die BVG streiken wird“, sagte ein 40-Jähriger aus Strausberg. „Danach habe ich im Netz nach Alternativen gesucht. Ich wollte zuerst den Shuttlebus nehmen, der aber länger brauchte als geplant, also bin ich gelaufen. Ich habe sonst aber immer nur Positives mit der BVG erlebt – immer pünktlich und zuverlässig.“ Diese Einschätzung teilten viele Menschen am Flughafen. Viele lobten die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Verkehrsbetriebe. 

Fazit: In einer Stunde und 20 Minuten vom Potsdamer Platz zum Flughafen – 40 Minuten Fußweg, 40 Minuten S-Bahn fahren. Immer noch machbar, aber mit großem Gepäck wäre diese Tour ein Kraftakt gewesen.“

Auto- und Fußgängerkarawane zum Flughafen Tegel.
Auto- und Fußgängerkarawane zum Flughafen Tegel.   Bild: Victor Rascher
Seltener Anblick: Fluggäste ziehen ihre Rollkoffer zum Flughafen, statt wie gewohnt mit Auto oder Bus vorzufahren.
Seltener Anblick: Fluggäste ziehen ihre Rollkoffer zum Flughafen, statt wie gewohnt mit Auto oder Bus vorzufahren.   Bild: Victor Rascher
Share
Share on Facebook Share on LinkedIn Share on WhatsApp Share on Telegram Share on Twitter Share via Email |
Permalink
Silvia Perdoni
Author Silvia Perdoni

Mit der Rikscha ins Büro?

Fahrbare Untersätze jedweder Art wittern ihre Chance. Fahrradrikscha-Fahrer Marcel, der seinen Nachnamen nicht nennen will, hat beim vorigen BVG-Streik im Februar noch morgens um sieben angefangen zu arbeiten. „Es stellte sich aber heraus, dass die Berliner erstaunlich gut organisiert waren“, sagt er. Heute hat er seinen Dienst erst gegen 11 Uhr angetreten - „zur normalen Zeit, denn vorher sind meist noch wenige Touristen unterwegs.“ Und zu 95 Prozent sind es Touristen, die sich von ihm durch die Stadt fahren lassen. „Die Berliner wissen diese Bewegungsform noch nicht zu schätzen“, sagt er. „Dabei bin ich genauso schnell am Ku’damm wie ein Taxi und stecke nicht im Stau fest.“ Doch vielen sei die Rikscha als reines Transportmittel noch zu teuer. Für den ersten Kilometer nimmt Marcel sieben Euro, danach fünf. „Dafür bekommen Fahrgäste aber auch was: Frische Luft und den besten Ausblick.“ Nun steht Marcel am Brandenburger Tor und wartet auf Kundschaft. Er hofft auf den Berufsverkehr am späten Nachmittag, wenn die Straßen wieder verstopft sein werden und er an den stehenden Autos vorbeiradeln kann.

Rikscha-Fahrer Marcel
Rikscha-Fahrer Marcel   Bild: Silvia Perdoni
Share
Share on Facebook Share on LinkedIn Share on WhatsApp Share on Telegram Share on Twitter Share via Email |
Permalink
Silvia Perdoni
Author Silvia Perdoni

Spott über den Ersatzverkehr

Dass der Bus wirklich nicht kommen wird, haben Jorge, Carmen und Enrique Anel gerade erst verstanden. „Und es fährt wirklich überhaupt kein Bus?“, fragt Sohn Jorge ungläubig. Die Familie aus Spanien spricht nur gebrochen Englisch, auf der zweisprachigen Anzeigetafel neben der Bushaltestelle am Brandenburger Tor konnten sie immerhin die Worte „Strike“ und „Monday“ entziffern. Sie wollen zum Ku‘damm zum Bummeln, laufen nun zu Fuß zur Friedrichstraße und nehmen dann die S-Bahn. „Nachher müssen wir aber nach Tegel, fährt da auch kein Bus?“, fragt Vater Enrique. Die Vorschläge, auf einen überfüllten, unregelmäßigen Shuttlebus zu hoffen, der dann wie zur Stunde im Stau stecken bleibt, oder aber 40 Minuten zu Fuß ihre Koffer von der Jungfernheide zum Airport zu ziehen, ernten Gelächter. „Wir rufen am besten schon jetzt ein Taxi.“
Enrique, Carmen und Jorge Anel (v. l.)
Enrique, Carmen und Jorge Anel (v. l.)   Bild: Silvia Perdoni
Share
Share on Facebook Share on LinkedIn Share on WhatsApp Share on Telegram Share on Twitter Share via Email |
Permalink
Silvia Perdoni
Author Silvia Perdoni

Roller und Leihfahrräder gibt es auch noch

Der große Run auf Leihräder und Sharing-Roller bleibt aus. E-Scooter-Anbieter Coop zeigt auf seiner Übersichtskarte in Mitte eine Reihe verfügbarer Roller. Überall in der Stadt finden Suchende noch (und ärgern sich Anwohner über) grüne und orangefarbene Velos in kleinen Rudeln neben der Straße. „Wir hatten überhaupt keine Probleme, ein Leihrad zu finden“, erzählen Jens und Alex Karg, zwei Berlin-Besucher aus Darmstadt. Bisher habe ihnen der Streik auch noch keinen Strich durch die Sightseeingtour gemacht. „Als nächstes fahren wir Schiff auf der Spree, damit hat die BVG zum Glück auch nichts zu tun.“ Und sollten sie doch noch hängen bleiben, sagen sie - „dann nehmen wir es entspannt. Als Tourist hat man ja viel Zeit.“
Jens und Alex Karg
Jens und Alex Karg   Bild: Silvia Perdoni
Freie Roller in Mitte
Freie Roller in Mitte   Bild: Silvia Perdoni
Share
Share on Facebook Share on LinkedIn Share on WhatsApp Share on Telegram Share on Twitter Share via Email |
Permalink
Sophie Krause

Zum Nichtstun verurteilt

Tagesspiegel-Redakteur Andreas Conrad berichtet aus dem Berliner Südwesten: "U-Bahnhof Onkel-Tom-Straße, Zehlendorf, Eingang Riemeisterstraße. Unterwegs mit kaputten Schuhen unter dem Arm, auf dem Weg zum Schuhmacher, der sich im Gebäude des U-Bahnhofs befindet. Doch die Glastür zum U-Bahnhof ist verschlossen und wird es heute den ganzen Tag lang bleiben. Mit dem BVG-Streik ist auch der Schuster zum Nichtstun verurteilt, zumindest kann er seinen Laden nicht öffnen, ebenso wenig wie die Betreiber der Reinigung und des Waschsalons, die sich U-Bahnhof befinden."

Share
Share on Facebook Share on LinkedIn Share on WhatsApp Share on Telegram Share on Twitter Share via Email |
Permalink
Silvia Perdoni
Author Silvia Perdoni

Tränen vor dem Taxi

Eine Kundin sei heute schon in Tränen ausgebrochen, erzählt Taxifahrer Ali Ajami. „Sie fragte vor dem Einsteigen, was die Fahrt kosten würde - und konnte sich das nicht leisten, so viel Geld hatte sie nicht“, sagt Ajami, der gerade am Alexanderplatz einem nächsten Kunden aufpickt. „Sie musste sehr dringend zu ihrem Ziel und ist verzweifelt. Ich hatte Mitleid, aber bin gezwungen, nach Taxameter zu fahren. Ich kann die Fahrt nicht billiger machen.“ Eine Fremde aus der Taxischlange habe der jungen Frau schließlich Geld gegeben - einfach so. Generell, sagt Ali Ajami, sei sein Job heute schon sehr stressig. „Wir machen zwar ein gutes Geschäft, aber es ist auch anstrengend.“ Wie das RBB-Inforadio meldet, sind heute etwa 5000 Taxen in Berlin unterwegs.
Share
Share on Facebook Share on LinkedIn Share on WhatsApp Share on Telegram Share on Twitter Share via Email |
Permalink
Sophie Krause

Rettungswagen im Stau eingekeilt

Unsere Kollegin Claudia Seiring berichtet von ihrem Weg zur Arbeit: "Am Morgen reicht der Stau auf der Prenzlauer Allee Richtung Alexanderplatz bis zur Danziger Straße. Über die Prenzlauer Promenade kommen außerdem viele Pendler aus dem Norden der Stadt - vor allem aus Oberhavel und Ostprignitz-Ruppin. Die Stimmung in den Autos scheint gereizt, es wird viel öfter gehupt als sonst. Im Schritttempo laufen auch die Fußgänger den Berg runter, es sind viel mehr als sonst, die Sonne lädt zum Spaziergang. 
An der Ecke Torstraße geht gar nichts mehr: Von allen Seiten ist die Kreuzung zugeparkt, zwei Rettungswagen mit Martinshorn haben keine Chance, die verkeilten Autos schaffen keine Lücke - weil sie überhaupt keinen Spielraum haben. Noch lange hört man die Sirenen von derselben Stelle. Festgefahren. Die Fahrradfahrer, die sich ihren Weg gen Innenstadt bahnen, nehmen teils gefährliche Slalomfahrten in Kauf, manche Räder klingen, als seien sie das erste Mal seit Monaten am Tageslicht."
Share
Share on Facebook Share on LinkedIn Share on WhatsApp Share on Telegram Share on Twitter Share via Email |
Permalink
Silvia Perdoni
Author Silvia Perdoni

Keine Informationen am Bahnsteig

Per Zufall hat Christin Schulze erfahren, dass sie ihre Fahrradreifen aufpumpen sollte. „Ich habe am Sonntagabend in die BVG-App geguckt und mir ploppte direkt der Warnhinweis auf: Achtung, Streik!“ Statt mit dem Bus ist die junge Frau dann mit dem Rad von Wilmersdorf aus zum Zoo gefahren, von dort weiter mit der S-Bahn zum Alexanderplatz, wo sie in der Marketingabteilung einer Firma arbeitet. 
Hier, an einem von Berlins wichtigsten Umsteigebahnhöfen, fühlt sie sich nicht gut informiert. „Keine Hinweise oder Schilder, die über den Streik aufklären.“ Anders als beim vergangenen Ausstand stehen am
Morgen auch keine Mitarbeiter der Deutschen Bahn an den Gleisen und geben Tipps. „Für Touristen ist das irritierend“, sagt Schulze. Auch habe sie Mitleid etwa mit Eltern, die am Stadtrand leben und ihre Kinder in die Schule bringen müssen. „Hat ja nicht jeder ein Auto oder kann sich ein Taxi leisten.“
Christin Schulze konnte aufs Fahrrad zurückgreifen.
Christin Schulze konnte aufs Fahrrad zurückgreifen.   Bild: Silvia Perdoni
Share
Share on Facebook Share on LinkedIn Share on WhatsApp Share on Telegram Share on Twitter Share via Email |
Permalink

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })