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Wer dauerhaft unter Stress steht, hat ein erhöhtes Risiko, psychische Erkrankungen zu entwickeln.

© dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Psychische Erkrankungen in Berlin: Volle Praxen, überlastete Kliniken – Bedarf an Therapieplätzen steigt

Nicht nur die Krankenhaus-Psychiatrien sind ausgelastet, auch die Patientenzahlen niedergelassener Therapeuten steigen massiv. Formal gesehen aber ist Berlin gut versorgt.

Deutlich mehr Männer, Frauen und Kinder brauchen wegen akuter psychischer Leiden professionelle Hilfe. Die Psychiatrien der Kliniken sind voll, oft alle Betten belegt. Wie aktuelle Daten der niedergelassenen Psychologen zeigen, geraten auch die Praxen an ihre Grenzen.

So stiegen die Fallzahlen der Kinder- und Jugend-Psychotherapeuten von Januar 2018 bis Juni 2023 um 44 Prozent. Bei Psychotherapeuten für Erwachsene gab es in jenem Zeitraum ein Patientenzuwachs um 25 Prozent, bei Fachärzten für psychosomatische Medizin um 37 Prozent.

Das geht aus einer Antwort von Gesundheitsstaatssekretärin Ellen Haußdörfer (SPD) auf Anfrage der Grünen-Abgeordneten Catherina Pieroth hervor, die dem Tagesspiegel vorab vorliegt. Darin heißt es: „Anhaltend hohe Mietkosten, Wohn- und Fachkräftemangel sowie allgemeine Preissteigerungen können dazu führen, dass psychosoziale und psychiatrische Angebote für eine individuelle, bedarfsgerechte Versorgung gegebenenfalls nicht immer zeitnah oder ausreichend zur Verfügung gestellt werden können.“

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Hohe Dichte an Therapeuten

Niedergelassene Psychotherapeuten versorgen im Schnitt 61 Patienten im Quartal. Diese kommen mitunter wöchentlich in die Praxis, zudem dauern die Sitzungen länger als übliche Besuche beim Hausarzt. Der Zugang zur Psychotherapie ist in den letzten Jahren bundesweit vereinfacht geworden, die Wartezeiten auf einen Platz sind mit zwei, drei, zuweilen vier Monaten dennoch lang.

316,9
Prozent ist der Versorgungsgrad an Psychotherapeuten in Charlottenburg-Wilmersdorf

Berlin kam im Jahr 2020 der Barmer zufolge mit 72 Therapeuten pro 100.000 Einwohner zwar auf die höchste Dichte aller Bundesländer. Zugleich gehen Fachleute davon aus, dass insbesondere in Berlin der Bedarf an Therapeuten steigt: Neben den übergeordneten Krisen der letzten Jahre – Coronapandemie, Ukraine-Krieg, Inflation – herrsche in der Großstadt ein eigener Druck.

Niedergelassene Therapeuten sind ungleich in Berlin verteilt. Dem Senat zufolge weist Reinickendorf mit 116,6 Prozent den niedrigsten, Charlottenburg-Wilmersdorf mit 316,9 Prozent den höchsten Versorgungsgrad auf. Formal sind damit alle Bezirke gut versorgt: Auf Basis örtlicher Sozialdaten errechnet die für die Praxen zuständige Kassenärztliche Vereinigung einen Versorgungsgrad, ein Prozentwert ab 105 gilt als gut.

Mehr Fehltage wegen seelischer Leiden

Hilfen suchen Betroffene nicht mitunter nur in Praxen, sondern auch in den stationären Psychiatrien. Zuletzt gab es 2246 vollstationäre Psychiatrie-Plätze in Berliner Kliniken. Je nach Station seien zwischen 90 und 100 Prozent dieser Betten stets belegt, berichten Ärzte diverser Krankenhäuser. Der Senat gibt dazu keine Zahlen heraus.

Auch die Krankenkassen registrierten zuletzt mehr Fälle seelischer Leiden. Wie es in einem Report der DAK-Versicherung vom März dieses Jahres hieß, stiegt die Anzahl der Fehltage von Arbeitnehmern wegen psychischer Erkrankungen in Berlin auf einen neuen Höchststand. So gab es im Jahr 2022 in der Stadt 312 Fehltage wegen psychischer Erkrankungen pro 100 Versicherte; vor zehn Jahren waren es nur 250 Tage. Die Daten wurden von der DAK entsprechend gewichtet, sie sind repräsentativ. Eine Krankschreibung wegen psychischer Krankheiten dauerte im Schnitt 34,4 Tage.

Wie viele Betroffene sich an die Gesundheitsämter wenden, teilt der Senat ebenfalls nicht mit: Man erhebe dazu keine Zahlen. Das verwundert, denn die zwölf Ämter sollen als dritte Säule des Gesundheitswesen (nach Praxen und Kliniken) in seelischen Krisen, in der Prävention und zum Fragen der Suchtmedizin helfen. Erst kürzlich wurde über die personell ausgedünnten sozialpsychiatrischen Dienste in den Bezirken diskutiert.

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