zum Hauptinhalt
Kai Wegner (CDU) will Regierender Bürgermeister von Berlin werden.

© dpa/Christophe Gateau

Update

Wahlkrimi in Berlin: Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten ... Kai Wegners Drama im Abgeordnetenhaus

Die CDU stellt den neuen Regierenden Bürgermeister von Berlin, im dritten Wahlgang reichte es für Kai Wegner. Im Parlament spielte sich zuvor ein Krimi ab.

| Update:

Harmonie ist Trumpf. So sieht die Welt von Kai Wegner am Donnerstagmittag aus. Kurz nach halb eins, die Stimmen des ersten Wahlgangs werden gerade ausgezählt, stützt sich Berlins CDU-Chef auf zwei Tische im Abgeordnetenhaus und wendet sich den neuen Parlamentariern zu. Nicht denen der Union, sondern den Sozialdemokraten.

Eine Viertelstunde später ist die scheinbare Harmonie dahin. Kai Wegner ist im ersten Anlauf gescheitert, Regierender Bürgermeister von Berlin zu werden. 71 Ja- und 86 Nein-Stimmen. Die eigentlich vereinbarte schwarz-rote Koalition hat zusammen 86 Stimmen. Die Parlamentspräsidentin, Wegners Parteifreundin Cornelia Seibeld, unterbricht die Sitzung für 30 Minuten – auf Antrag der CDU-Fraktion.

Die Reihen im Plenum leeren sich, Rätselraten auf den Tribünen: Kai Wegner fehlen im ersten Wahlgang satte 15 Stimmen aus seiner eigenen Koalition. Entweder hat fast die Hälfte der 34-köpfigen SPD-Fraktion gegen ihn gestimmt oder auch einige CDUler haben ihm die Stimme versagt.

Falls Kai Wegner überrascht ist, er koaliert mit Sozialdemokraten.

Monika Herrmann, frühere grüne Bezirksbürgermeisterin

In der SPD-Fraktion gibt es mindestens fünf Abgeordnete, die gegen die Koalition sind. Sie hatten aber fast alle betont, sich an das Ergebnis des Mitgliedervotums ihrer Partei gebunden zu fühlen. Haben Sie doch gegen Wegner gestimmt? Oder hat sich in CDU Unmut gesammelt bei alten Gegnern und solchen, die sich bei der Regierungsbildung übergangen fühlten?

Der Spott der Opposition folgt schnell, vor allem von den Enttäuschten, die gern mit der SPD weiterregiert hätten. „Die erste Niederlage des Wegner-Giffey-Senats. 15 Stimmen unter Koalitionsmehrheit. Und das Chaos, das Giffey beenden zu müssen meinte, beginnt“, twittert Carsten Schatz, Vorsitzender der Linksfraktion. „Falls Kai Wegner überrascht ist, er koaliert mit Sozialdemokraten“, amüsiert sich die frühere grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann.

SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber, durch die Wahlwiederholung aus dem Parlament ausgeschieden, attestiert den Abweichlern „einen schlechten Stil“ und „einen schlechten Charakter“.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Von wem kamen die Nein-Stimmen?

Die Fraktionen von CDU und SPD sind da längst zu Krisensitzungen zusammengekommen. Sie halten geheime Testabstimmungen ab. Bei SPD der gibt es angeblich nur zwei Nein-Stimmen, bei der CDU haben angeblich alle mit Ja gestimmt.

Aus CDU-Kreisen heißt es, sämtliche Nein-Stimmen seien aus den Reihen der SPD gekommen. Sozialdemokraten widersprechen dem Vorwurf, die Wegner-Gegner hätten sich organisiert. Dass die halbe Fraktion gegen Wegner gestimmt haben soll, ist zumindest unwahrscheinlich.

Wowereit brauchte zwei Anläufe – aber es war knapper

2006 ist in Berlin das letzte Mal ein Regierender Bürgermeister im ersten Wahlgang durchgefallen. Damals verpasste Klaus Wowereit die Mehrheit (mit SPD/Linke). Allerdings nur um eine Stimme und nicht wie Wegner um neun. Wowereit wurde im zweiten Wahlgang dann gewählt.

Also dann: Um kurz vor halb zwei füllt sich das Plenum wieder. Zum zweiten Mal geben die Abgeordneten ihre Stimme ab. Der Linke-Abgeordnete ätzt: „Will Kai jetzt die Vornamen der Abgeordneten haben, die gegen ihn gestimmt haben?“ Nach den Silvester-Randalen hatte die CDU sich nach den Vornamen der Tatverdächtigen erkundigt.

Eins funktioniert jedenfalls: die Auszählung. Keine Viertelstunde nach Ende des zweiten Wahlgangs liegt das Ergebnis vor. Um fünf vor zwei steht fest: Wegner ist erneut gescheitert. 79 Mitglieder des Abgeordnetenhauses stimmten für den CDU-Kandidaten, 79 dagegen. Wegner bräuchte 80 Stimmen.

Nun gibt es wirklich Gesprächsbedarf. Die Sitzung des Abgeordnetenhauses wird für anderthalb Stunden unterbrochen, um 15.30 Uhr soll der dritte Wahlgang starten. Doch auch das verzögert sich noch einmal. Es gibt noch „rechtliche Fragen“ zu klären. Um Viertel nach vier ist sich die Koalition einig: Sie lehnt einen Antrag auf Vertagung ab. Der dritte Wahlgang kann beginnen.

Dann dauert es noch mal eine halbe Stunde. Um 16.43 Uhr verkündet Seibeld das Ergebnis des dritten Wahlgangs. Plötzlich steht die Mehrheit: 86 Ja-Stimmen, 70 Nein-Stimmen, Kai Wegner ist zum neuen Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt worden. Er wird umgehend vereidigt. So wahr ihm Gott helfe.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false