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Zahlreiche Menschen demonstrieren in Berlin für die „Brandmauer“, also eine Abgrenzung der Union zur AfD.

© imago/Bernd Friedel/imago/Bernd Friedel

Für Berlinkenner & alle, die es werden wollen: Unser Checkpoint-Newsletter am Morgen

Brandmauer-Demo in Berlin, Debatte um Anwohnerparkgebühren seit 1996 und englischprachige BVG-Ansagen, die not the yellow from the egg sind. Der Berlin-Überblick am Morgen.

Stand:

Guten Morgen,

der Januar war ein hartes Jahr für uns alle, aber wir haben es geschafft. Insofern: Willkommen im Februar.

Nachdem CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz („Ich fand, das war eine gute Stunde für das Parlament“) im Bundestag erstmals eine Mehrheit mit Stimmen der AfD zustande gebracht hat, sind in Berlin am Sonntag 160.000 Menschen („Aufstand der Anständigen – Wir sind die Brandmauer“) auf die Straße gegangen. „Kein Merz im Februar“, „Lieber Merz-los als Herz-los“ und „CDU, gib uns das C zurück“ war auf Plakaten zu lesen.

Der kürzlich aus der CDU ausgetretene Publizist Michel Friedman wiederum betonte: „Machen wir es uns nicht zu leicht, und machen wir es der Partei des Hasses nicht zu leicht, indem wir uns auf die CDU stürzen.“ Die CDU sei – trotz ihres „unverzeihlichen Fehlers“ – eine demokratische Partei.

Und was sagen Berlins Christdemokraten zur Lage der Nation? Halten sie es für richtig, dass Friedrich Merz Mehrheiten mit Stimmen der AfD in Kauf nimmt? Das wollten wir von den zwölf Kreisfürsten wissen. Timur Husein (xhain), Martin Pätzold (Lichtenberg), Frank Balzer (Reinickendorf) Heiko Melzer (Spandau), Sven Rissmann (Mitte) und Maik Penn (Treptow-Köpenick) haben unsere Anfrage gleich ganz ignoriert, die anderen wollten oder konnten sich nicht auf ein „ja“ oder „nein“ festlegen. Grundsätzlicher Tenor: Die Migrationsfrage muss aus der Mitte des Parlaments heraus gelöst werden, aber… in der Not frisst der Teufel nun mal Fliegen.

„Nur weil die Falschen diesem Gesetz zustimmen, wird damit das Anliegen nicht falsch“, schreibt Falko Liecke (Neukölln). „Dass die Falschen richtigen Forderungen zustimmen, kann man nicht verhindern“, schreibt Stephan Standfuß (Steglitz-Zehlendorf). „Freue ich mich darüber? Nein. Ist das nun eine Zusammenarbeit? Nein!“, schreibt Jan-Marco Luczak (Tempelhof-Schöneberg). Detlef Wagner (Cha-Wi) betont: „Wenn uns deshalb jemand vorwirft, wir wären keine Demokraten, fühle ich mich verunglimpft.“ Dirk Stettner (Pankow) wirft SPD & Grünen vor, „aus wahltaktischen Gründen“ bewusst Abstimmungen herbeizuführen, „die der AfD Einfluss geben“. Und Mario Czaja (Marzahn-Hellersdorf)? Plädiert schlicht für einen „Politikwechsel mit einer starken CDU“.

Dass es einen Wechsel in der Politik geben soll (wer würde daran noch zweifeln?), will die CDU auch heute nochmal klar machen. Auf dem Bundesparteitag im Berliner „City Cube“ will die Partei ab 12 Uhr ein „Sofort-Programm“ mit umfassenden Änderungen in der Wirtschafts-, Sozial- und Migrationspolitik beschließen. Umfassend im Blick behalten wird die Berliner Polizei das Geschehen aufgrund des „erhöhten Protestaufkommens. Noch 20 Tage bis zur Bundestagswahl.

Diskussionen über „maßvolle Erhöhung“ der Anwohnerparkgebühren seit 1996

Wer bei „Auto“-Debatten an fast schon automatisiert ablaufende Debatten denkt, ist in Berlin bestens aufgehoben. Nachdem die SPD-Fraktion gefordert hat, die Gebühren für das Anwohnerparken auf 160 Euro pro Jahr anzuheben, Berlins Regierender ebenfalls erklärte, dass bei 10,20 Euro pro Jahr „deutlich Luft nach oben“ sei und auch CDU-Fraktionschef Dirk Stettner sich zu der Aussage hinreißen ließ, dass es „nicht bei 10,20 Euro im Jahr bleiben“ werde, meldet sich jetzt auch Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) zu Wort. „10,20 Euro pro Jahr sind zu niedrig“, sagt die Politikerin. Überraschung! Und: „Wir werden schauen, wo wir landen werden.“

Wie viel sollte das Anwohnerparken aus Ihrer Sicht kosten?

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Dass die Debatte in Berlin seit Jahrzehnten mit angezogener Handbremse (oder gar im Rückwärtsgang) geführt wird, zeigt ein Blick ins Tagesspiegel-Archiv (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Im Jahr 1994 wird in Berlin erstmals die Parkraumbewirtschaftung ausgeschrieben. Mit Blick auf künftige Einnahmen fragt der Tagesspiegel: Werden Berlins Straßen und Plätze zu einer Goldader?

Im Jahr 1996 zahlen Anwohner für Parkausweise 20 Mark pro Jahr oder 30 für zwei Jahre und Verkehrsstaatssekretär Ingo Schmitt (CDU) verspricht „eine maßvolle Erhöhung“.

Im Jahr 2000 zahlen Anwohner 50 Mark für ein Jahr oder 80 für zwei Jahre und Petra Reetz, Sprecherin der Verkehrsverwaltung (heute unter ihrem Mädchennamen „Petra Nelken“ übrigens wieder in gleicher Funktion tätig), hält eine Erhöhung auf 60 respektive 100 Mark „auf jeden Fall noch im möglichen Rahmen“.

Im Jahr 2003 zahlen Anwohner rund 30 Euro pro Jahr und die Verkehrsverwaltung erklärt, dass bis zu 100 Euro im Jahr verlangt werden könnten. „Noch sei aber nichts beschlossen.“

Im Jahr 2008 liest man im Tagesspiegel: „Parken für Anwohner wird billiger“. Eine Vignette, die bis zu zwei Jahre gilt, soll jetzt 20,40 Euro (sprich 10,20 pro Jahr) kosten. Laut Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) entspricht das den Verwaltungskosten.

Und damit willkommen zurück in der Gegenwart – wo seither zumindest die Verwaltungskosten auf 37 Euro gestiegen sind. „Wir werden schauen, wo wir landen werden.“

Mit einem sogenannten „Geschwindigkeitsmesskasten“ im Schuhkartonformat misst Berlins Polizei seit einiger Zeit undercover Tempoverstößen. Und siehe da: Die Erkenntnisse unterscheiden sich vehement von denen, die durch Blitzer und Laser gewonnenen wurden. Während die „Überschreitungsrate“ bisher bei fünf Prozent lag, zeigen die neuen Daten, dass 26 Prozent in Berlin schneller fahren als erlaubt. Die Top 3 der Raser-Straßen liegen dabei allesamt in Pankow (welche Straßen konkret betroffen sind, lesen Sie exklusiv hier). Des Fahrers Freud: Belangt wird niemand, weil die Geräte kein Foto machen, keine Daten sammeln und nicht geeicht sind. Des Landes Leid: Berlin entgehen deshalb wohl Bußgelder in Höhe von mehr als 48 Millionen Euro.

Warum die englischsprachigen BVG-Ansagen nicht the yellow from the egg sind.

© Gestaltung: Kostrzynski | Tagesspiegel

„Berlin is tough but sincere“: Warum die englischsprachigen BVG-Ansagen nicht the yellow from the egg sind
Für ein „respektvolles Miteinander und gegenseitige Rücksichtnahme“ will die BVG mit neuen Ansagen werben. Darunter: „Berlin ist hart, aber herzlich. Deshalb zeigt Respekt und seid nett zueinander“ bzw. „Berlin is tough but sincere. Please show respect and be kind to each other.“ Aber ist diese Übersetzung wirklich auch the yellow from the egg?

Weil im Tagesspiegel einige Kollegen ihre Zweifel hatten, haben wir kurzerhand mal den gebürtigen Amerikaner & Wahlberliner Eric Hansen gefragt, der viele Jahre als Übersetzer gearbeitet und u.a. das Buch „Don’t Eat the Menu“ geschrieben hat. Sein Urteil? „Gar nicht so schlimm“, könnte aber deutlich besser sein, wenn man sich „weiter weg vom Original“ traut. Warum? „Sincere“ bedeutet eigentlich „aufrichtig“, „tough“ mitunter „hart im Nehmen“ und statt „kind“ wäre „nice“ treffender. Sein Vorschlag: „Berlin is hard, but Berliners have heart. Show kindness and respect, and they’ll return it.“ In diesem Sinne: Sänk ju vor supporting die BVG


TELEGRAMM

Stefan Gelbhaar hat sich erneut zur Causa Gelbhaar geäußert. „Ich weiß, dass seit über einem Jahr Menschen aus meinem Umfeld mit Nachrichten in Bezug auf meine Person verunsichert werden“, erklärte der Grünen-Politiker einem Interview mit der „Berliner Zeitung“. Einzelheiten will er auch auf Tagesspiegel-Nachfrage nicht preisgeben.

Öffentlich bekannt geworden waren Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Gelbhaar erstmals im Dezember. Besonders schwerwiegende Anschuldigungen haben sich inzwischen als gefälscht herausgestellt. Sieben Personen halten jedoch weiterhin an ihren Angaben fest. „Ich habe aber von der Ombudsstelle erfahren, dass es hier um subjektives Unwohlsein gehen soll, um Eindrücke“, sagt Gelbhaar. Da sei es „unheimlich schwer, überhaupt von Schuld oder Unschuld zu sprechen“.

Schläge, Tritte und Nazi-Grüße: Binnen weniger Stunden hat es am Freitag in Berlin zwei rechtsextreme Angriffe gegeben. Ario Mirzaie (MdA Grüne) fordert jetzt „einen Sicherheitsgipfel gegen Rechtsextremismus“.

Diverse Reizgas-Attacken hat Berlin im Januar gezählt: erst beim Rap-Konzert (21.1.), dann nachts im Bus (24.1.), tags im Bus (28.1.) und zuletzt an der Bergius-Schule (30.01.). Gereizt reagiert darauf die Gewerkschaft der Polizei. „Wir erleben seit Jahren einen Anstieg der Einsätze“, sagt Sprecher Benjamin Jendro dem Checkpoint. Es sei ein Problem, dass Privatpersonen solche „Waffen“ (fürs Tragen braucht es den kleinen Waffenschein) an jeder Ecke bekämen. „Man sollte die Verfügbarkeit einschränken. Da wir immer mehr Einsätze an Schulen haben, bei denen sich Kinder mit Reizgas bewaffnen, sollten wir diese Debatte führen.“
Batiken, schnippel und melken: Kinderprogramm für die Winterferien

Womit sich Kinder in dieser Woche hoffentlich beschäftigen: batiken, schnippeln und melken! Zum Start der Winterferien hat Karla Finzel ein Programm für die schulfreie Zeit zusammengestellt.

Abwrackprämie für Fortgeschrittene. Die Berliner Feuerwehr sucht 1.500 „Schrottautos“ für Übungszwecke. Voraussetzung: Die Fahrzeuge sind „rollfähig“ und 90% der Scheiben intakt. Da verweisen wir doch gerne nochmal auf den einsam VW Golf vom BER (der mittlerweile zumindest umgeparkt wurde).

Neuer Rekord: Rund 780.000 private E-Scooter rollern durch DeutschlandRund 780.000 private E-Scooter waren 2023 auf Deutschlands Straßen unterwegs (37 Prozent mehr als im Vorjahr). Das meldet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Sollte wer auf den „Trend“ aufsteigen und mitrollern wollen: Bis heute Abend, 20:15 Uhr, kann man beim Zoll einen Scooter mit Straßenzulassung ersteigern (aktuell Anzahl der Gebote: „null“).

Berliner AfD-Abgeordneter erkundigt sich nach Hundekot
Ein Faible für Braun? Frank-Christian Hansel (AfD) wollte von der Senatsumweltverwaltung wissen, wie viele Hundehaufen von 2018 bis 2024 entsorgt wurden. Bitte aufgeschlüsselt nach Bezirken. Die Antwort: „Eine gesonderte Erfassung der Mengen an entsorgtem Hundekot erfolgt durch die Bezirke nicht“.

Wo lang zum Elefantenhimmel? Nach seinem Tod in der vergangenen Woche wurde der fünf Tonnen schwere Elefantenbulle Victor (31) obduziert – und dann im Krematorium eingeäschert. „Einen Tierfriedhof gibt es im Zoo nicht“, erklärt eine Sprecherin auf Checkpoint-Anfrage. Ebenso wenig wie Trauerveranstaltungen. Jeder habe „auf seine Weise von ihm Abschied genommen“.

Gelassen warten derweil die Wasserbüffel, Schafe und Ziegen darauf, dass die Abstandsregeln wegen Maul-und-Klauen-Seuche gelockert werden. „Tiere sind Gewohnheitstiere, die gewöhnen sich an alles. Von der Isolation sind die relativ unbeeindruckt“, teilt der Zoo mit. Klassische Berliner Stoiker.


ENCORE

Pünktlich zum Ferienbeginn (und kurz vor Valentinstag) landet folgende Mitteilung vom Online-Reisebüro „Opodo“ im Postfach: „Flirten, Verreisen, Verlieben? Berliner sind Spitzenreiter bei Urlaubsromanzen.“ Wir erfahren: Keiner in Deutschland ist auf Reisen so flirtfreudig wie die Hauptstädter: 52 Prozent von 1000 Befragten gaben demnach an, dass sie sich eine Urlaubsromanze trotz Beziehung vorstellen können, 29 Prozent hatten sogar eine. Urlaub heißt hier offensichtlich: Hin und weg.

Machen Sie’s gut.

Ihre Ann-Kathrin Hipp

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