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Larven des Getreideschimmelkäfers gefällig? In einer Großproduktion in den Niederlanden werden essbare Insekten im großen Stil gezüchtet.

© Imago/VWPics

Insekten als Lebensmittel zugelassen: Würden Sie Larven des Getreideschimmelkäfers essen?

Grille vom Grill oder Käfer-Quiche gefällig? Kein Problem. Eine neue EU-Regelung erlaubt künftig auch Grillen und die Larven des Getreideschimmelkäfers als Lebensmittel. Welche Vorteile hat das?

Abendbrot à la „Dschungelcamp“? Geht ab jetzt ganz einfach. Täglich schauen zwischen drei und vier Millionen Menschen den „Dschungelcamp“-Teilnehmern dabei zu, wie sie in sogenannten Ekelprüfungen allerlei Insekten verspeisen. Bei vielen Zuschauern ruft das Getier auf dem Teller vor allem Aversionen oder gar Ekel hervor.

Was viele nicht wissen: Heuschrecken und Mehlwürmer dürfen hierzulande schon längst als Lebensmittel verwendet und entsprechend verzehrt werden. Möglich macht das eine EU-Verordnung, nach der sogenannte „neuartige Lebensmittel“ („Novel Food“) für den europäischen Lebensmittelmarkt zugelassen werden.

Dass Insekten auf dem Speiseplan eine nährstoff- und vor allem proteinreiche Alternative darstellen könnten, ist bereits hinlänglich bekannt. Aber welche Insekten dürfen ab sofort überhaupt verkauft werden? Und gibt es eine Kennzeichnungspflicht auf den Verpackungen?

Welche Insekten dürfen im Handel verkauft werden?

Der „Novel Food“-Katalog der EU wird stetig erweitert. Mit dem Gelben Mehlwurm landete Mitte 2021 erstmals ein Insekt in den europäischen Supermarktregalen: Die getrocknete Mehlkäferlarve Tenebrio molitor wurde von der Europäischen Kommission als sicheres Lebensmittel eingestuft und darf seither gemahlen oder als Ganzes im Handel verkauft werden.

Nur wenige Monate später wurde die Wanderheuschrecke als sicheres Lebensmittel zugelassen. Die Locusta migratoria zählt zu den größten Heuschrecken Europas und darf seit Inkrafttreten der Durchführungsverordnung 2021/1975 entweder gefroren, getrocknet oder gemahlen im Handel angeboten werden.

Seit Neuestem reihen sich nun auch die Hausgrille (Acheta domesticus) und die Larven des Getreideschimmelkäfers (Alphitobius diaperinus) in die Liste der zugelassenen Lebensmittel für Menschen ein. Letztere Tierchen fanden bislang unter der Bezeichnung „Buffalowürmer“ vor allem als Futterinsekten für Vögel, Terrarien- und Aquarientiere rege Verwendung.

Frittierte Insekten in einer Pfanne, darunter Heuschrecken, Grillen und Mehlwürmer.
Frittierte Insekten in einer Pfanne, darunter Heuschrecken, Grillen und Mehlwürmer.

© imago images/imagebroker

In welchen Lebensmitteln können die Insekten vorkommen?

Weil die Insekten von der Lebensmittelindustrie sowohl gemahlen wie auch als Ganzes verarbeitet werden dürfen, können die Tierchen fortan in allen möglichen Nahrungsmitteln vorkommen.

So könnte beispielsweise die Grille künftig als Insektenmehl in Brot und Brötchen, Gebäck und allerlei Teigwaren vorkommen. Als Pulver könnten die Insekten auf lange Sicht auch in Chips, Nudeln, Burgerpatties oder Schokolade beigemischt werden. Aufgrund des hohen Proteingehalts wäre auch die Verarbeitung als Fitnessriegel denkbar.

Werden Insekten schon bald im großen Stil als Lebensmittel verkauft?

Vermutlich eher nicht. Wie der Lebensmittelchemiker Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg gegenüber der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, ist das Insektenangebot derzeit noch ein „ganz, ganz kleiner Nischenmarkt“.

Aktuell werden im Supermarkt und Onlinehandel vorwiegend Insektenriegel oder beispielsweise Nudeln mit geringem Insektenanteil angeboten. Valet vermutet, dass die Beimischung von Insektenpulver in Keksen oder Mehl „wirklich noch in weiter Ferne“ liege.

Der Sprecher der Rewe Group Andreas Krämer bestätigte dem Tagesspiegel auf Anfrage, dass sich der Supermarktriese bereits mit dem Thema Insekten als Lebensmittel beschäftigt habe. Aktuell werde dem aber nur „eine geringe Relevanz“ beigemessen.

Es gibt aktuell in der Rewe Group keine Eigenmarkenprodukte, bei denen Pulver aus Insekten eingesetzt wird, es bestehen auch keine Überlegungen, dies zu tun.

Andreas Krämer, Pressesprecher Rewe Group

Der Handelskonzern Kaufland hat seiner Kundschaft bereits in der Vergangenheit verschiedene Lebensmittel aus Insekten angeboten.

Wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilte, wurden diese Produkte bei den Kunden allerdings „nicht entsprechend nachgefragt“, daher habe man sich dazu entschieden, diese Lebensmittel wieder aus dem Sortiment zu nehmen.

In Produkten der Kaufland-Eigenmarken seien derzeit keine Bestandteile von Insekten enthalten. „Dies ist auch nicht geplant“, teilte die Sprecherin mit.

Wo kann man Lebensmittel aus Insekten kaufen?

Lebensmittel aus Insekten werden in Supermärkten bislang nur vereinzelt angeboten. Wer gerne Produkte aus Grillen, Mehlwürmern und Heuschrecken probieren möchte, sollte daher auf den Online-Handel zurückgreifen.

Produzenten und Händler wie „Snack insects“, „Griidy“, „WormUp“ oder „Catch your bug“ bieten Probierpakete, Snacks, Proteinriegel und „Tafel Insekten“ zum Verfeinern von Gerichten an. Zumindest im Moment werden Lebensmittel mit Insekten allerdings noch verhältnismäßig teuer angeboten.

Sollten sich industrielle Lebensmittelbetriebe zeitnah im großen Stil auf die Zucht und Verarbeitung von Insekten konzentrieren, dann könnten entsprechend auch die Preise für Insektensnacks fallen. Auch in puncto Insektenkost gilt offenbar das Gesetz von Angebot und Nachfrage.

Müssen Produkte mit Insekten gekennzeichnet werden?

Ja. Laut der EU-Kommission heißt es: „Jede und jeder kann selbst entscheiden, ob er oder sie Lebensmittel aus oder mit Insekten kauft oder nicht.“ Entsprechend müssen die verarbeiteten Tiere künftig in der Zutatenliste aufgeführt werden.

Auf der Zutatenliste könnten entsprechend Bestandteile wie „Hausgrille Acheta domesticus, gefroren“, „Tenebrio molitor (Mehlwurm), gemahlen“ oder „Pulver aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)“ auftauchen.

Lebensmittel, die Insekten enthalten, dürfen laut Verpackung außerdem nicht als vegetarisch oder vegan ausgezeichnet werden.

Verbraucherschützer bemängeln, dass die Kennzeichnung in der Zutatenliste unzureichend und nicht transparent genug sei. Mitunter wird ein gut sichtbarer Aufdruck auf der Verpackung gefordert, wie beispielsweise „Nudeln mit Insekten“.

Die Verbraucherzentrale kritisiert zudem, dass die Werbeversprechen der Hersteller teils schlichtweg falsch seien. So versichern beispielsweise einige Produzenten, dass das beworbene Lebensmittel „reich an Proteinen“ sei, obwohl der Eiweißgehalt darin verschwindend gering ist. Auch die Kennzeichnung von Allergenen fehlt bislang auf den Verpackungen.

Vertragen Allergiker die neue Insektennahrung?

Wer bereits allergisch auf Krebstiere, Hausstaubmilben oder Weichtiere reagiert, sollte die neuen Insektensnacks nur mit Vorsicht genießen.

Wie die Verbraucherzentrale klarstellt, kann das im Insektenpanzer enthaltene Chitin oder das Muskelprotein Tropomyosin allergische Reaktionen hervorrufen.

Wurden die Insekten zu Lebzeiten mit Soja oder Weizen gefüttert, dann können auch Unverträglichkeiten gegen diese Stoffe zu Reaktionen führen. Der Darm der Insekten wird üblicherweise mitverzehrt.

Immerhin: Beim Verzehr von Insekten schätzt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) das Risiko für allergische Reaktionen als eher gering ein. Auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hält den Verzehr von Hausgrillenpulver für sicher, solange es in den vorgeschlagenen Mengen konsumiert wird.

Wie gesund sind Lebensmittel aus Insekten?

Lebensmittel mit Insekten werden von Medienschaffenden und Wissenschaftlern oftmals als „Proteinquelle der Zukunft“ bezeichnet.

Auch die UN-Organisation FAO prognostiziert, dass die Tierchen künftig eine zentrale Rolle für die Ernährung der Weltbevölkerung spielen könnten.

Insekten sind eine sehr nahrhafte und gesunde Nahrungsquelle mit einem hohen Gehalt an Fett, Eiweiß, Vitaminen, Ballaststoffen und Mineralien.

UN-Organisation FAO, „Edible insects“ (PDF Download)

Insekten weisen (je nach Art) einen ähnlich hohen Proteingehalt wie Puten-, Rind- oder Schweinefleisch auf. So sollen einige Heuschreckenarten sogar mehr als doppelt so viel Eiweiß wie Hühner oder Rindfleisch enthalten.

Das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) gibt beispielsweise an, dass einige Insektenarten wie Grashüpfer, Heuschrecken oder Grillen „sogar bis zu 77 Prozent Eiweiß enthalten“ können.

Eiweißreiche Kost: Getrocknete Heuschrecken dürfen bereits jetzt im Handel verkauft werden.
Eiweißreiche Kost: Getrocknete Heuschrecken dürfen bereits jetzt im Handel verkauft werden.

© imago images/imagebroker

Auch in puncto Vitamine und Nährstoffe erweisen sich Insekten sich als echtes „Superfood“. Die Tiere enthalten viele Omega-3-Fettsäuren, wichtige Mineralstoffe und wertvolle B-Vitamine.

Laut dem BZfE punkten Insekten außerdem mit vielen Mikronährstoffen „wie Kupfer, Eisen, Magnesium, Mangan, Phosphor, Selen und Zink sowie den Vitaminen Riboflavin, Pantothensäure und Biotin“.

Wie nachhaltig sind Insekten als Nahrung?

Um es kurz zu sagen: sehr nachhaltig. Bei der industriellen Insektenhaltung werden weitaus weniger Treibhausgase freigesetzt als bei der Haltung von Rindern, Schweinen und Co.

Und während der essbare Anteil von beispielsweise Rindern laut den deutschen Verbraucherzentralen gerade einmal bei 40 Prozent liegt, können bei der Insekten-Alternative rund 80 Prozent verarbeitet und verspeist werden.

Der Gelbe Mehlwurm (Tenebrio molitor) ist reich an Omega-3-Fettsäuren und enthält wertvolle Mineralien und die Vitamine A, B1 und B12.
Der Gelbe Mehlwurm (Tenebrio molitor) ist reich an Omega-3-Fettsäuren und enthält wertvolle Mineralien und die Vitamine A, B1 und B12.

© Imago/blickwinkel

Darüber hinaus benötigen die kleinen Tiere „wesentlich weniger landwirtschaftliche Fläche“, wie die Umweltschutzorganisation WWF in der Studie „Die Proteinfrage“ (PDF Download) klarstellt – beispielweise etwa 50 Prozent weniger als Hühner.

Auch in puncto Futterverbrauch liegen die Insekten vorn. So stellt die UN-Organisation FAO fest: „Grillen benötigen zwölfmal weniger Futter als Rinder, viermal weniger Futter als Schafe und halb so viel Futter wie Schweine und Masthühner, um die gleiche Menge an Protein zu produzieren.“

Insekten: die bessere Alternative?

Alles in allem weisen Grillen, Mehlwürmer, Heuschrecken und die Larven des Getreideschimmelkäfers eine ganze Reihe von Vorteilen auf und lassen Alternativen wie Rind, Schwein und Geflügel in einem ziemlich schlechten Licht dastehen.

Ob sich die Gliederfüßer schon zeitnah als Nahrung der Zukunft durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt werden Lebensmittel aus Insekten im Handel noch vergleichsweise teuer angeboten. Ob sich das Getier in Anbetracht wachsender Bevölkerungszahlen und Klimawandel langfristig als Nahrungsmittel durchsetzen wird, ist eine andere Frage. (mit dpa)

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