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Soldaten der Armee Marokkos bergen einen Toten.

© AFP/FADEL SENNA

Ganze Dörfer zerstört: Bisher mehr als 2100 Tote und Hunderte Verletzte – Nachbeben in Marokko

Während der Rettungsmaßnahmen bebt die Erde in Marokko erneut. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Opfer noch deutlich steigt.

| Update:

Nach dem verheerenden Erdbeben in Marokko hat es am Sonntagmorgen ein Nachbeben gegeben. Das Land sei gegen 9 Uhr Ortszeit von einem neuen Beben erschüttert worden, sagte Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, der marokkanischen Nachrichtenseite Hespress.

Die US-Erdbebenwarte USGS verzeichnete eine Stärke von 3,9. Das Epizentrum des Nachbebens lag laut Hespress etwa 80 Kilometer südwestlich von Marrakesch, ähnlich wie das erste Beben. Ob es in der Folge weitere Opfer gab, ist nicht bekannt.

Nach dem ersten schweren Erdbeben am späten Freitagabend mit mindestens 2122 Toten stehen die Bergungs- und Rettungstrupps vor großen Herausforderungen. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Toten weiter steigt. Ganze Dörfer sind zerstört, aus den Trümmern werden ständig weitere Leichen geborgen. Inzwischen ist die Hilfe aus dem Ausland angelaufen.

Das Epizentrum lag im Atlasgebirge. 
Das Epizentrum lag im Atlasgebirge. 

© dpa-Grafik/J. Reschke

„Einige der am schlimmsten betroffenen Gebiete sind recht abgelegen und bergig und daher schwer zu erreichen“, teilte die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) in einer Mitteilung mit.

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Bei der Suche nach Verschütteten sprechen Experten in etwa von einem Zeitfenster von 72 Stunden. Dies gilt als Richtwert, die ein Mensch längstens ohne Wasser auskommen kann.

Mindestens 2421 weitere Menschen wurden verletzt, mehr als die Hälfte davon schwer, wie marokkanische Medien in der Nacht auf Sonntag unter Berufung auf das Innenministerium berichteten.

Der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge sind mehr als 300.000 Menschen in Marrakesch und umliegenden Gebieten vom Erdbeben betroffen. Sie verbrachten die zweite Nacht in Unsicherheit. König Mohammed VI. ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Staats- und Regierungschefs der EU boten in einem Brief an den König ihre Hilfe an und drückten ihre Anteilnahme aus.

Die meisten Schäden in dem Land mit seinen rund 37 Millionen Einwohnern gibt es außerhalb der Städte. Bilder und Videos aus sozialen Netzwerken zeigen zerstörte Gebäude in Städten und auf den Straßen sitzende Menschen. Auch historische Wahrzeichen wurden beschädigt.

Die US-Erdbebenwarte USGS teilte mit, das Beben habe eine Stärke von 6,8 gehabt und sich in einer Tiefe von 18,5 Kilometern gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch und 60 Kilometer nordöstlich der Stadt Taroudant ereignet.

Nachbeben in Marokko erreichte Stärke 4,9

Das Epizentrum lag im Atlasgebirge. Das Geofon des Helmholtz-Zentrums Potsdam gab die Stärke des Bebens mit 6,9 an. Kurze Zeit später meldete die US-Behörde ein Nachbeben der Stärke 4,9.

Augenzeugenberichten zufolge löste das Erdbeben in Marrakesch, Agadir und anderen Städten bei Bewohnern Panik aus. Wie die Zeitung „Le Matin“ berichtete, war das Beben auch in der Haupstadt Rabat und in Casablanca zu spüren.

Marokkaner posteten Videos, auf denen zu Schutt zerstörte Gebäude – darunter auch traditionelle Touristenhotels, die sogenannten „Riads“ – sowie beschädigte Teile der berühmten roten Mauern zu sehen sind, die die Altstadt von Marrakesch umgeben. Andere Videos zeigen schreiende Menschen, die Restaurants in der Stadt verließen.

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„Wir mussten direkt nach dem starken Beben fliehen“, sagte der in der Alstadt von Marrakesch wohnende Jaouhari Mohamed der Nachrichtenagentur Reuters. „Ich kann wegen des Schocks immer noch nicht im Haus schlafen – auch, weil die Altstadt aus alten Häusern besteht. Wenn eines fällt, werden andere einstürzen.“ Menschen würden mit bloßen Händen in den Trümmern nach Verschütteten graben und auf schweres Gerät warten, sagte Einwohner Id Waaziz Hassan.

Marokko wird von vielen Touristen aus den Mittelmeerländern Spanien und Frankreich besucht. Aber auch im deutschsprachigen Raum ist Marokko als Reiseland äußerst beliebt. Der Spätsommer gehört zur Hauptreisesaison. Die Stadt Marrakesch, mit rund einer Million Einwohner wichtiges Wirtschaftszentrum mit vielen Moscheen, Palästen und Gärten, ist eines der beliebtesten Ziele im Land.

Viele Menschen verharrten auf Djemaa el Fna-Platz in Marrakesch

Der weltberühmte Platz Djemaa el Fna im Herzen von Marrakeschs Altstadt wurde in der Nacht zum Samstag zum Zufluchtsort von Tausenden von Menschen, die dort ausharrten. Sie hatten Angst, in ihre Häuser oder Hotels zurückzukehren. Der Platz, der wegen seiner bunten Marktstände, Straßenrestaurants, Gaukler und Schlangenbeschwörer berühmt ist, gehört wie die gesamte Altstadt zum Unesco-Weltkulturerbe.

Bewohner fliehen aus ihren Häusern in Marrakesch.
Bewohner fliehen aus ihren Häusern in Marrakesch.

© dpa/Mosa'ab Elshamy

„Wir befanden uns in unserem Hotel in der Altstadt, als plötzlich alles um uns herum zusammenstürzte“, berichtete Irene Seixas, eine junge spanische Urlauberin. „Unser Hotel war gerade erst renoviert worden und ist nicht eingestürzt. Aber überall an den Wänden sah man Risse“, sagte Seixas dem spanischen Rundfunksender RTVE. „Dann sind wir schnell auf die Straße gelaufen.“

Auf dem Fluchtweg zum Djemaa-el-Fna-Platz sahen die Touristen erschütternde Szenen. „Zahlreiche Gebäude waren zusammengebrochen. Menschen lagen auf dem Boden“, berichtete der Urlauber Pablo Segarra der spanischen Presseagentur Efe. Die Spanierin Margarita Pacheco dachte zunächst: „Da ist wieder eine Bombe explodiert.“ 2011 hatten Terroristen mit einem Bombenattentat am Platz Djemaa el Fna 17 Menschen getötet. 

Auch in der südöstlich gelegenen Touristenstadt Ouarzazate, dem marokkanischen Tor zur Sahara-Wüste, soll es schwere Schäden und zahlreiche Opfer gegeben haben. Ouarzazate ist Ausgangspunkt für touristische Wüstentouren. In der Nähe liegen Marokkos weltberühmte Atlas-Filmstudios und die historischen Festungsstädte des Landes. In der südwestlichen Touristenstadt Agadir, einem beliebten Badeort, soll es ebenfalls Tote gegeben haben.

Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, bestätigte, dass die Nachbeben weniger stark seien. Das Beben sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen, sagte er der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP. Es sei das erste Mal seit einem Jahrhundert, dass ein derart starkes Erdbeben in Marokko registriert worden sei.

Das Erdbeben riss auch im Süden Spaniens und Portugals sowie in Algerien Menschen aus dem Schlaf. Bei der Notrufzentrale im spanischen Andalusien gingen kurz nach Mitternacht besorgter Bürger aus den Regionen um Huelva, Sevilla, Jaén, Málaga, Marbella und Cordoba ein, wie die Organisation auf der früher als Twitter bekannten Plattform X schrieb.

Erdbeben auch in Portugal und Spanien zu spüren

Über Schäden oder gar Opfer sei jedoch nichts bekannt geworden. Auch die Behörden im südportugiesischen Faro, im Raum Lissabon und Setubal hätten Ähnliches berichtet, schrieb die staatliche portugiesische Nachrichtenagentur Lusa.

Ein Rettungssanitäter sucht nach Verschütteten.
Ein Rettungssanitäter sucht nach Verschütteten.

© dpa/Mosa'ab Elshamy

International ist die Betroffenheit groß. UN-Generalsekretär Antonio Guterres äußerte sich bestürzt. Der Generalsekretär sei „tief traurig“, teilte ein Sprecher mit. Er spreche der Regierung in Rabat und dem Volk Marokkos seine Solidarität in diesen schweren Zeiten und den Familien der Opfer sein Beileid aus. Den Verletzten wünschte Guterres eine rasche Genesung. Die Vereinten Nationen stünden bereit, die Regierung Marokkos in ihren Bemühungen zu unterstützen, der betroffenen Bevölkerung zu helfen.

US-Präsident Joe Biden ließ mitteilen: „Unsere Gedanken und Gebete sind bei all denen, die von diesem schrecklichen Elend betroffen sind.“ Seine Regierung sei in Kontakt zu den marokkanischen Behörden. „Die Vereinigten Staaten stehen an der Seite Marokkos und meines Freundes König Mohammed VI. in diesem schwierigen Augenblick.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) drückte ebenfalls sein Mitgefühl aus. „Das sind schlimme Nachrichten aus Marokko. In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken bei den Opfern des verheerenden Erdbebens“, schrieb Scholz auf X.

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kondolierte Marokkos König Mohammed VI. „Ihrem ganzen Land und Ihnen wünsche ich viel Kraft bei den Rettungsarbeiten und dem Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur und Gebäude“, so das deutsche Staatsoberhaupt.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb auf X: „Wir trauern gemeinsam mit den Menschen in Marokko um die Opfer des furchtbaren Erdbebens. Unsere Gedanken sind bei ihnen und all denen, die in diesen Stunden nach Verschütteten suchen und um das Leben der vielen Verletzten kämpfen.

Menschen harren in Marrakesch auf der Straße aus.
Menschen harren in Marrakesch auf der Straße aus.

© AFP/Fadel Senna

Die Europäische Union bot Marokko Hilfe an. „Die EU ist bereit, Marokko in diesen schwierigen Momenten zu unterstützen“, schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel am Samstagmorgen ebenfalls auf X. Die Nachrichten aus dem Land seien schrecklich. Er sei in Gedanken bei allen, die von der Tragödie betroffen seien, und bei den Rettungskräften.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte ebenso ihr Mitgefühl. Sie sei angesichts des schrecklichen Erdbebens mit ganzem Herzen beim marokkanischen Volk, teilte die deutsche Spitzenpolitikerin mit. Michel und von der Leyen halten sich derzeit ebenfalls beim G20-Treffen auf.

Auch die Nachbarländer Spanien und Portugal boten schnelle Hilfe an. „Spanien hat Marokko seine Rettungskräfte und Hilfe beim Wiederaufbau angeboten“, sagte Außenminister José Manuel Albares. Auch Portugals Regierungschef António Costa zeigte sich bestürzt. „Das Erdbeben in Marokko macht uns zutiefst traurig und ich spreche seiner Majestät dem König, den Opferfamilien und dem gesamten marokkanischen Volk, unserem Nachbarn, unser Beileid aus“, schrieb er auf X.

Blick auf ein beschädigtes Auto und Trümmer des Erdbebens in Marrakesch.
Blick auf ein beschädigtes Auto und Trümmer des Erdbebens in Marrakesch.

© REUTERS/AL OULA TV/Uncredited

Portugals Außenministerin Teresa Gouveia bot in einer Botschaft Hilfe ihres Landes „im Rahmen des Katastrophenschutzes“ an, wie die Zeitung „Público“ unter Berufung auf das Außenministerium in Lissabon berichtete.

Die marokkanische Nachrichtenseite Hespress berichtete am Sonntag, dass ein Einsatzteam aus Spanien mit Hunden inzwischen in Marokko eingetroffen sei, um die Such- und Rettungskräfte zu unterstützen. Julian Hidalgo, Koordinator der Hundestaffel der Feuerwehr von Sevilla, hatte am Samstag der Zeitung „El Mundo“ gesagt: „Die Zeit läuft“ und „die Chancen, noch Überlebende unter den Trümmern zu finden, schwinden binnen Stunden“.

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan reagierte auf die Katastrophe. „Wir stehen unseren marokkanischen Geschwistern an diesem schweren Tag mit allen Mitteln zur Seite“, schrieb Erdogan am Samstag auf X.. Er drückte sein Bedauern angesichts der vielen Toten aus und wünschte den Verletzten schnelle Genesung

Erdbeben in Nordafrika sind relativ selten. 1960 hatte sich laut dem Sender Al Arabiya in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben kamen. Das letzte große Erdbeben erschütterte Marokko 2004 mit einer Stärke von 6,4. Mehr als 600 Menschen kamen ums Leben.

Die Bilder rufen Erinnerungen hervor an das schwere Erbeben Anfang Februar im Südosten der Türkei und in Syrien. Allein in der Türkei starben dabei und an den Folgen der Naturkatastrophe nach offiziellen Angaben mehr als 50.000 Menschen. (mit Agenturen)

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