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„Schweden, wach auf“, rief der 36 Jahre alte Veranstalter Salwan M. am Mittwoch in Stockholm.

© Imago/TT

Update

„Barbarisch und schrecklich“: Die neuerliche Koranverbrennung rückt Schwedens Nato-Beitritt in weite Ferne

Schweden ist auf ein Ja aus der Türkei angewiesen, wenn es in die Nato will. Am Mittwoch erlaubte die Polizei in Stockholm erneut die Verbrennung eines Korans – am höchsten islamischen Feiertag.

Eine echte Alternative zum Nato-Beitritt hat Schwedens Außenminister nicht. „Plan B ist Plan A“, sagte Tobias Billström am Dienstag auf einer Pressekonferenz auf Gotland. Gemeint ist: Die Regierung in Stockholm setzt alles daran, dass der Weg für die Mitgliedschaft ins Militärbündnis bis zum Gipfeltreffen in zwei Wochen in Vilnius frei ist. Komme, was wolle.

Doch ein Problem bleibt – die Türkei blockiert dies Ziel weiterhin.

Ankara kritisiert Stockholm dafür, nicht genug gegen vermeintlich anti-türkische Tendenzen im Land zu tun. Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan zählt dazu: kritische Journalisten sowie vermeintliche oder tatsächliche PKK-Anhänger, die in Schweden leben.

Anti-Koran-Demo am ersten Tag des Opferfestes

Hinzu kommt ein weiter Konflikt, der das Verhältnis beider Länder zusätzlich belastet. Ankara wirft Stockholm vor, islamfeindliche Stimmungen im Land mindestens zu tolerieren – unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit.

Die Koranverbrennung ist legal, aber nicht angemessen.

Ulf Kristersson, schwedischer Ministerpräsident

Bestätigt dürfte sich Erdoğan von einem Ereignis an diesem Mittwoch in Stockholm fühlen: Für den ersten Tag des Opferfestes, des höchsten islamischen Feiertags, hat die Polizei eine Anti-Koran-Demonstration direkt vor einer Moschee in der Innenstadt erlaubt.

Bis zum Nachmittag blieb unklar, ob das Buch dabei – wie in der Vergangenheit – auch verbrannt werden durfte. Seit über zwei Wochen herrscht in der Metropolregion Stockholm wegen der anhaltenden Hitze und Brandgefahr ein Feuerverbot.

Die Polizei erlaubte es am frühen Nachmittag dennoch. Durch ein Megafon rief der 36 Jahre alte Veranstalter der Demo, Salwan M., erst, dass Schweden „aufwachen“ solle, riss Filmaufnahmen zufolge einige Seiten aus dem Buch, ehe er den Koran anzündete.

Schwedischen Medienberichten zufolge sieht er im Koran eine „Gefahr für demokratische Werte“. Das Buch sei „gefährlicher als Atomwaffen“ und könne „ganze Länder und Gesellschaften zerstören“, behauptet er.

Der Imam der betroffenen Gemeinde, Mahmoud Khalfi, sieht in der Aktion eine „extreme Provokation“. Dem schwedischen Fernsehsender TV4 sagte er: „Es ist inakzeptabel, wenn sie sich der Moschee nähern.“ Die Aktion sei „barbarisch und schrecklich“.

Bedrohung für Schwedens innere Sicherheit

Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson wollte am Mittwoch nicht darüber spekulieren, ob die Demonstration Auswirkungen auf den eigenen Nato-Prozess haben könnte. Die Koranverbrennung sei „legal, aber nicht angemessen“, sagte der Konservative auf Gotland.

Erdoğan hat in der Vergangenheit hingegen mehrfach erklärt, dass ein schwedischer Beitritt ins Militärbündnis aussichtslos bleibe, solange Koranverbrennungen in Schweden erlaubt seien.

In der Vergangenheit kam es in Schweden immer wieder dazu, dass Radikale Koranbücher öffentlich in Brand setzten – stets mit heftigen internationalen Reaktionen. Die Sicherheitspolizei Säpo bezeichnete sie im Frühjahr als „bedrohlich“ für Schwedens innere Sicherheit.

Nachdem die Polizei in der Vergangenheit mehrmals die Aktionen untersagt hatte, erklärten Gerichte erst im Frühjahr und später zweitinstanzlich im Juni solche polizeilichen Verbote für unvereinbar mit der Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

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