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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, links) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron essen 2023 gemeinsam in Blankenese an der Elbe ein Fischbrötchen.

© dpa/Reuters/Pool/Fabian Bimmer

Brief an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron: „Bitte vermasseln Sie es nicht“

Der französische Präsident wird sich bei seinem Besuch in Deutschland an die europäische Jugend wenden. Darin liegt eine große Verantwortung. Ein paar Worte an Monsieur le Président vorab.

Ein Zwischenruf von Anna Thewalt

Monsieur le Président,

Bienvenue en Allemagne, herzlich willkommen in Deutschland.

Europa und die Zukunft des Kontinents treibt Sie um. Mich auch. Bei Ihrem Besuch werden Sie sich am Montag in einer Rede an die junge europäische Generation wenden. An meine Generation. Erlauben Sie mir ein paar Worte vorab.

Die Erwartungen sind hoch. Sie sind vielleicht genau die richtige Person, zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort. Vermasseln Sie es bitte nicht.

Überschwang, Emotionen, Visionen

Vielleicht haben Sie sich gefragt, warum die Bewunderung für Sie, den jüngsten französischen Präsidenten seit Louis-Napoléon Bonaparte, in Deutschland so viel höher ist als in Ihrem eigenen Land. Ich glaube, dass es vor allem einen Grund gibt.

Sie haben das, was deutschen Politikerinnen und Politikern fehlt. Überschwang, Emotionen, Visionen – den Willen zu grundlegenden Veränderungen. Und tragen dies mit Verve vor.

Sicher, ein bisschen Größenwahn ist auch dabei. Eine Bewegung, deren Name die eigenen Initialen trug, „En Marche“ wie Emmanuel Macron? Ein Vergleich mit Jupiter, dem Gott der Götter, während Ihres ersten Wahlkampfs? Eine Party vor der in aller Welt berühmten Pyramide des Louvre-Museums nach Ihrem Wahlsieg 2017? Das wirkt auf Deutsche schräg. Aber eben auch kühn und verwegen.

Sie, Monsieur le Président, treffen häufig einen Ton, der bei uns selten erklingt. „Lassen wir uns nicht spalten, sondern schließen wir uns zusammen. Seien wir nicht furchtsam, sondern trauen wir uns. Und werden wir unserer Geschichte gerecht“ – das sagten Sie, als Sie 2018 den Karlspreis für Ihre Verdienste um die europäische Politik erhielten.

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Scholz und Merkel können keine emotionalen Ansprachen

Von Angela Merkel hörten wir solch emotionale Ansprachen nicht. Von Olaf Scholz gewiss nicht. Und selbst wenn, würden wir es ihnen denn abkaufen? Sind sie nicht viel zu eng verbunden mit den Mühlen der Realpolitik und ihren kleinen Streitereien? Die Sehnsucht nach übergreifenden Visionen aber, die gibt es auch in Deutschland.

Scholz und Macron bei einem Besuch in Potsdam.

© AFP/Pool/Michael Kappeler

In Ihrem Besuch liegt deshalb eine große Verantwortung. Der gerecht zu werden, wird nicht leicht. Denn Sehnsucht hin oder her: Visionen gegenüber sind die Deutschen skeptisch. Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. So hat es Altkanzler Helmut Schmidt dem Land eingeimpft.

Wer also wie Sie große Erwartungen weckt, riskiert große Enttäuschung. Und enttäuscht haben Sie einige. In Ihrem eigenen Land sowieso, aber auch außenpolitisch. Deutschland hat von Ihnen lernen können, dass nicht hinter allem, das glänzt, gute Politik steckt.

Dennoch: Ich freue mich auf Ihre Rede am Montag in Dresden. Eine Rede an die europäische Jugend, vor der Frauenkirche! Symbolik, die beherrschen Sie.

Sie können vielen in Europa Mut machen!

Wenn nun noch die Botschaft stimmt, können Sie viel bewegen. Die Chance ergreifen, jenen Mut zu machen, die Sorge vor dem Krieg und dem um sich greifenden Rechtsextremismus haben. Jenen, die ein freiheitliches Europa wollen, die das demokratische Leben feiern und es nicht hergeben wollen. Mit Ihrem Sinn für das Historische können Sie das Wunder beschwören, das die deutsch-französische Freundschaft und die europäische Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg zweifelsohne darstellen.

Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es, dass Sie, Monsieur le Président, am Montag in Dresden eine neue Erzählung für die jungen Menschen in Europa schaffen. Wir brauchen jemanden wie Sie an diesem Ort, in diesen Tagen. Nicht für den Glanz, nicht für den Pathos. Wir brauchen Sie als Freund, als Mahner. Vor allem: als Hoffnungsgeber.

Bon courage – et vive l’Europe !

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