zum Hauptinhalt
Tausende Menschen, darunter Martin Luther Kings Nachfahren, versammelten sich am Samstag zu einer Kundgebung in Washington.

© IMAGO/USA TODAY Network

Der anhaltende Alptraum des Rassismus: Gedenken in Washington, Morde in Florida

Vor 60 Jahren hielt Martin Luther King seine legendäre „I have a dream“-Rede. Während sich in Washington Tausende zu einer Kundgebung versammeln, werden in Florida drei Schwarze ermordet.

Es wirkt wie eine Ironie des Schicksals – oder perfide Planung. Während sich am Samstag in der US-Hauptstadt Washington Tausende zum 60. Jahrestag von Martin Luther Kings legendärer Rede „I have a dream“ versammeln, erschießt in Jacksonville, Florida ein weißer Mann bei einem rassistisch motivierten Hassverbrechen drei schwarze Menschen.

Schusswaffenmorde sind in den USA alltäglich – rund 21.000 Opfer zählten die US-Behörden für das Jahr 2021. Doch die Tat vom Samstag verdeutlicht erneut, wie weit das Land davon entfernt ist, dass Kings Traum Realität wird.

Er träume davon, dass seine vier Kinder einmal in einer Nation leben, „in der man sie nicht nach der Farbe ihrer Haut, sondern nach dem Wesen ihres Charakters beurteilt“, hatte King am 28. August 1963 vor dem Lincoln Memorial verkündet.

Rassistisches Hassverbrechen

Die offen rassistischen Motive des mutmaßlichen Schützen von Jacksonville sind ein herber Realitätsschock. Er habe es „auf eine bestimmte Gruppe Menschen abgesehen, und das waren Schwarze“, erklärte T. K. Waters, der Sheriff der Stadt.

Der Mann habe mehrere Manifeste hinterlassen, in der er seine „ekelhafte Ideologie des Hasses“, beschrieben habe. Auf einer seiner Waffen habe ein Hakenkreuz geprangt, sagte die Bürgermeisterin von Jacksonville, Donna Deegan.

Polizeibeamte sperren in Jacksonville, Florida nach den drei Schussmorden den Tatort ab.
Polizeibeamte sperren in Jacksonville, Florida nach den drei Schussmorden den Tatort ab.

© dpa/John Raoux

Der Mann, der laut Polizeiangaben Anfang 20 war, erschoss nahe der Edward Waters University, die mehrheitlich von schwarzen Studierenden besucht wird, in einem Supermarkt zwei Frauen und einen Mann und danach sich selbst.

Floridas Gouverneur Ron DeSantis, der aus Jacksonville stammt, verurteilte das Verbrechen scharf. Der Republikaner, der sich aktuell um die Kandidatur seiner Partei für die US-Präsidentschaftswahl 2024 bewirbt, bezeichnete den mutmaßlichen Täter als „Drecksack“ und „Feigling“.

Rassismus ist das mehrheitliche Motiv der rund 7300 Hassverbrechen, die das FBI 2021 registriert hat. Und es ist nicht nur Gewalt, die Kings Traum bis heute einen eben solchen bleiben lässt. In nahezu allen Lebensbereichen schlägt sich in den USA die Diskriminierung schwarzer Menschen nieder.

Bestehende Diskriminierung

Auch wenn bei Indikatoren wie Lebenserwartung oder Arbeitslosigkeit seit einigen Jahren deutliche Verbesserungen zu beobachten sind, stehen Schwarze immer noch deutlich schlechter da als Weiße. Besonders eklatant ist dies bei der Armut: Knapp 20 Prozent der schwarzen Menschen lebten 2021 nach Regierungsangaben in Armut, während es bei weißen nur rund acht Prozent waren.

Papa würde wahrscheinlich sagen, jetzt ist die Zeit. Wir müssen unsere Demokratie erhalten, schützen und ausbauen.

Martin Luther King III, Sohn des legendären Bürgerrechtlers

Die Bekämpfung der Armut zählte zu den zentralen Forderungen des „Marsches auf Washington für Jobs und Freiheit“ am 28. August 1963, für den Martin Luther King und seine Mitstreiter rund 250.000 Menschen mobilisierten. Es war die bis dahin größte Kundgebung der US-Geschichte.

Kings „I have a dream“-Rede, die er zum Abschluss des Marsches vor dem Lincoln Memorial hielt, gilt als Schlüsselmoment der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. King, der 1964 den Friedensnobelpreis erhielt, wurde 1968 bei einem Attentat erschossen.

Man habe viel erreicht in den letzten Jahrzehnten, erklärte Martin Luther King III, der Sohn des legendären Bürgerrechtlers, am Samstag in Washington. Aber er sei sehr besorgt über den Kurs, den die USA eingeschlagen hätten. „Papa würde wahrscheinlich sagen, jetzt ist die Zeit. Wir müssen unsere Demokratie erhalten, schützen und ausbauen“, betonte er in seiner Rede. Amerika stehe an einem Scheideweg, erklärte Hakeem Jeffries, der Fraktionschef der Demokraten im Repräsentantenhaus.

US-Präsident Joe Biden, der unter dem ersten schwarzen Präsidenten der USA Vize war, und Kamala Harris, die erste schwarze Vizepräsidentin, nehmen am Montag, dem 28. August, dem eigentlichen Jahrestag des „March on Washington“, an einer Feierstunde teil.

Dabei soll der vielen Erfolge gedacht werden, die die Bürgerrechtsbewegung in den letzten Jahrzehnten erreicht hat. Aber nicht nur die Morde vom Samstag werden dabei ein Wermutstropfen sein. Der Weg zu wirklicher Gleichberechtigung, einer Welt, in der Hautfarbe keine Rolle mehr spielt, ist noch ein langer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false