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US-Außenminister Colin Powell am 5. Februar 2003 vor den Vereinten Nationen.

© AFP/Timothy A. Clary

20 Jahre Irakkrieg: Ein fatales historisches Erbe und seine Folgen für die Ukraine

Zwei falsche Kriege: Vor 20 Jahren begann die amerikanische Invasion in den Irak, vor einem Jahr der russische Angriff auf die Ukraine. Was lehrt der Vergleich?

Am 20. März 2003 begann die amerikanische Invasion in den Irak. „Shock and Awe“, Angst und Entsetzen, hieß die neue Strategie. Als Grund für den Krieg war eine Lüge verbreitet worden.

Vor dem UN-Sicherheitsrat hatte der damalige US-Außenminister Colin Powell angebliche Geheimdienstbeweise vorgelegt, die zweifelsfrei belegen sollten, dass Saddam Hussein über Massenvernichtungswaffen verfügt. Die Regierung von Präsident George W. Bush hatte die Weltöffentlichkeit getäuscht. Das ist ein fatales historisches Erbe.

Der Irakkrieg verstieß gegen das Völkerrecht und gegen die regelbasierte internationale Ordnung. Der Sicherheitsrat hatte eine letzte, am 11. März 2003 von den USA eingebrachte Resolution für einen Militäreinsatz abgelehnt. Der Westen war gespalten in eine „Koalition der Willigen“ und der Unwilligen, namentlich Frankreich und Deutschland.

„Entschuldigen Sie, ich bin nicht überzeugt“

Einen Monat zuvor, Anfang Februar 2003, traf auf der Münchner Sicherheitskonferenz der deutsche Außenminister Joschka Fischer auf den amerikanischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Der eine aufgewühlt, der andere unbeeindruckt.

„Excuse me, I am not convinced“, rief Fischer seinem Gegenüber und dem Auditorium zu – „Entschuldigen Sie, ich bin nicht überzeugt.“ Das blieb haften.

Ein Jahr nach dem Krieg, Ende März 2004, spricht Bush im Smoking im Hotel „Hilton Washington“ beim Galadinner der nationalen Radio- und Fernsehreporter. Es ist eine launige Rede, Bush zeigt eine Reihe von Dias. Ein immer wiederkehrendes Motiv seiner Witze kreist um die vergebliche Suche nach den irakischen Massenvernichtungswaffen.

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Auf den Bildern ist Bush zu sehen, wie er sich verrenkt, unter einen Tisch guckt oder an einem Fenster lehnt. Seine Kommentare: „Diese Massenvernichtungswaffen müssen doch irgendwo sein!“ Und: „Nein, auch hier sind die Waffen nicht.“ Und: „Vielleicht sind sie hier versteckt?“

Es ist der Gipfel des Zynismus. Selten zuvor war das Völkerrecht von einem Führer des freien Westens derart mutwillig und direkt für irrelevant erklärt worden.

Wenn das angreifende Land eine Atommacht ist, gelten die Regeln nicht. Folge: Immer mehr wollen die Bombe haben.

Community-Mitglied Aldermann

Der 20. Jahrestag des Irakkrieges fällt fast genau auf den ersten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine. Wer Analogien zieht zwischen beiden völkerrechtswidrigen Aggressionen, setzt sich dem Vorwurf des „Whataboutism“ aus. Weder lassen sich Kriege noch Kriegsverbrechen gegeneinander aufrechnen. Ein Unrecht legitimiert kein späteres Unrecht.

Westliche Appelle zur Ukraine überzeugen viele Länder nicht

Abgesehen davon: Die jüngsten Interventionen der US-Armee – Afghanistan, Irak, Libyen – galten autokratischen oder diktatorischen Regimes. Russland hingegen überfiel eine lebendige, zwar nicht perfekte, aber im Entstehen begriffene Demokratie. Präsident Wolodymyr Selenskyj war mit knapp drei Viertel der Stimmen ins Amt gewählt worden, seine Partei hatte eine Mehrheit von knapp 44 Prozent.

Dennoch lässt sich kaum bestreiten, dass der Irakkrieg die Sicht vieler Menschen – ob in Afrika, Lateinamerika oder Asien – auf den Westen negativ geprägt hat. Der Rhetorik von einer historischen Schlacht zwischen den Kräften der Freiheit und Demokratie gegen die Kräfte der Unfreiheit und Tyrannei schlägt Skepsis entgegen.

Länder des globalen Südens litten während der Corona-Pandemie unter einem Mangel an westlicher Solidarität, etwa bei der Verteilung von Impfstoffen. Sie leiden jetzt unter steigenden Nahrungsmittel-, Brennstoff- und Düngerpreisen infolge des Ukrainekrieges. Insbesondere Afrika wird diplomatisch von Russland und China heftig umworben. Russland ist der größte Waffenlieferant, Außenminister Sergej Lawrow hat seit Beginn des Krieges bereits vier Reisen dorthin unternommen.

Zu Russlands Propaganda zählt der Hinweis, dass die Sowjetunion den antikolonialen Befreiungskampf unterstützt hat. Nicht nur in einem Land wie Südafrika fällt das auf fruchtbaren Boden. Doch gibt es nicht eine große internationale Gemeinschaft, die Russland im Rahmen der Vereinten Nationen geschlossen isoliert hat? Mehr als 140 Staaten haben jüngst erneut Russland zum Rückzug aufgefordert und den Verstoß gegen das Völkerrecht verurteilt.

Es wäre falsch, aus diesen Zahlen einen Anlass zur Selbstgerechtigkeit abzuleiten. Mit eigenen Beiträgen aktiv hinter der Sanktionspolitik und den Waffenlieferungen des Westens stehen weltweit nur rund 40 Staaten. China und Indien enthielten sich in der UN ihrer Stimme. Viele Länder, die mit Ja votierten, fordern Verhandlungen, Waffenstillstand und Dialog. Nach der Münchner Sicherheitskonferenz titelte die „Financial Times“: „Westliche Appelle zur Ukraine überzeugen afrikanische und lateinamerikanische Politiker nicht.“

Vor einem knappen Jahr hat der „Economist“ die globale Stimmungslage gegenüber Russlands Rolle im Krieg gegen die Ukraine analysiert. Zwei Drittel der Weltbevölkerung lebten in neutralen (32 Prozent) oder russlandfreundlichen Ländern (31 Prozent), schreibt das britische Magazin. Auch damals hatten 141 Staaten die Invasion offiziell verurteilt.

Was tun, im Verteidigungskrieg gegen Russland, mit dem 20. Jahrestag des Irakkrieges? Abmoderieren, gar verschweigen lässt sich dieses Debakel nicht. Stattdessen sollte der Westen so offen wie offensiv zeigen, dass er zu Fehlereingeständnissen und Korrekturen fähig ist. Größtmögliche Transparenz und umfassende Meinungsfreiheit: Auch für diese Werte wird in Bachmut gekämpft.

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