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EPG-Gipfel im Juni in Moldau: ganz Europa ohne Russland und Belarus.

© IMAGO/Avalon.red/IMAGO/Simon Walker

Europa-Gipfel in Granada: Die Friedensgruppe, in der Krieg herrscht

In Granada trifft sich heute die Europäische Politische Gemeinschaft (EPG), die als Reaktion auf Russlands Angriff auf die Ukraine gegründet wurde. Doch neue Konflikte überschatten das Gipfeltreffen.

Sie wurde gegründet, weil Russland die Ukraine überfiel und ein Krieg ausbrach: die Europäische Politische Gemeinschaft (EPG). An diesem Donnerstag findet der dritte Gipfel im spanischen Granada statt. Es die größte politische Veranstaltung auf dem europäischen Kontinent, auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reist an. Was hat es damit auf sich? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist die EPG?

Bei der EPG – auch als „EU Plus“ bezeichnet – handelt es sich um ein Gesprächsforum aller europäischen Länder im weiteren Sinne: neben den 27 EU-Ländern sind das die Efta-Länder Island, Norwegen, Schweiz und Liechtenstein; außerdem Großbritannien, Ukraine und Moldau, die Westbalkan-Länder (Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien), die europäischen Zwergstaaten Monaco, Andorra und San Marino; darüber hinaus die Türkei und die Länder des Südkaukasus (Georgien, Armenien und Aserbaidschan). Insgesamt sind 47 Länder Mitglied der Organisation.

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Es ist daher wesentlich leichter aufzuzählen, wer nicht Mitglied ist: Russland und Belarus. Damit ist deutlich, dass es sich um eine Gruppierung gegen diese beiden Länder handelt. Die EPG sollte ein Signal der europäischen Geschlossenheit an den russischen Präsidenten Wladimir Putin senden, nachdem er im Februar 2022 die Ukraine angegriffen hatte.

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Warum wurde die EPG gegründet?

Es war der französische Präsident Emmanuel Macron, der im Mai 2022 vor dem Europaparlament von der Idee einer „EU Plus“ sprach. Die Umsetzung erfolgte angesichts des Kriegs in der Ukraine schnell. Bereits am 6. Oktober 2022 wurde die EPG in der tschechischen Hauptstadt Prag gegründet, von 44 der derzeit 47 Mitglieder.

Das Ziel der EPG: verteidigungs-, sicherheits- und energiepolitisch an einem Strang zu ziehen – und damit die geopolitische Macht Europas über die EU hinaus zu stärken.

44
europäische Länder gründeten im vergangenen Jahr die EPG – mittlerweile sind 47 Staaten Mitglied.

Es gibt jedoch noch einen weiteren Grund für die Gründung der Gruppe: der Stillstand bei der EU-Erweiterung. Das lag an Blockaden innerhalb der EU, aber auch an den Kandidatenstaaten, die sich nicht genug reformierten: Sie versagten beim Kampf gegen Korruption, schafften es nicht, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu stärken.

Wie oft tagt die EPG?

Es ist vorgesehen, ein bis zwei Gipfel pro Jahr abzuhalten. Gastgeber sollen im Wechsel EU- und Nicht-EU-Länder sein.

Das zweite Treffen fand im Juni dieses Jahres in der moldauischen Hauptstadt Chisinau statt. Es war erneut ein Signal an Moskau, da befürchtet wird, dass die an die Ukraine grenzende Republik als nächstes angegriffen werden könnte. Die abtrünnige moldauische Region Transnistrien ist de-facto unter russischer Kontrolle; auch den übrigen Staat versucht Russland zu destabilisieren. Im Frühjahr warnte die moldauische Präsidentin Maia Sandu vor Putschversuchen.

Der Ort des vierten Treffens wird Großbritannien sein.

Europa muss viel mehr geopolitische Stärke entwickeln. Dazu hat die EPG ganz sicher beigetragen.

Lukas Mandl (ÖVP), österreichischer EU-Abgeordneter

Konnte die EU mit der EPG ihren geopolitischen Einfluss stärken?

Der österreichische EU-Abgeordnete Lukas Mandl (EVP) beantwortet dies mit Ja: „Es geht bei diesen Treffen um die Einigkeit Europas über die EU hinaus, um das geopolitische Gewicht unseres Kontinents und um unsere Werte. Dieses Europa muss viel mehr geopolitische Stärke entwickeln. Dazu hat die EPG ganz sicher beigetragen.“

Auch Thu Nguyen sieht das Zeichen der Geschlossenheit in Richtung Moskau als größte Errungenschaft der EPG. „Treffen am Rande können auch dazu dienen, Spannungen zwischen Ländern, die im Konflikt stehen, zu entschärfen“, sagt die Europa-Expertin des Jacques Delors Centres. Das zeigte sich bereits beim Gründungstreffen, als intensive Gespräche zwischen der Türkei und Schweden stattfanden, um eine Lösung für die Blockade Ankaras in Bezug auf die schwedische Nato-Mitgliedschaft zu finden.

Treffen am Rande der EPG können auch dazu dienen, Spannungen zwischen Ländern, die im Konflikt stehen, zu entschärfen.

Thu Nguyen, Europa-Expertin beim Jacques Delors Centre

Was ist die Kritik an der EPG?

„Ich habe von dieser Gemeinschaft von Anfang an nicht so viel gehalten, weil im Westbalkan und östlichen Europa befürchtet wird, sie sei nur ein zweitklassiger Ersatz für eine EU-Mitgliedschaft“, sagt Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. „Diese Länder wollen aber keine europäische Zwei-Klassen-Gesellschaft, sondern vollwertige Mitglieder der EU sein.“

Auch dass die EPG als Gesprächsforum konzipiert ist – es gibt keine Beschlüsse, keine Gipfelerklärungen – kritisiert Roth. „Wenn die EPG eine Organisation für Frieden und Stabilität sein will, dann muss man auch ernsthaft miteinander reden und verbindliche Verabredungen treffen. Wenn sie dagegen nur eine Zusammenkunft ist, wo Staats- und Regierungschefs ihre üblichen Sonntagsreden halten und anschließend für ein Foto posieren, wird uns das nicht viel weiterbringen.“

Wenn die EPG nur eine Zusammenkunft ist, wo Staats- und Regierungschefs für Fotos posieren, wird uns das nicht viel weiterbringen.

Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags

Dass das offene Gesprächsformat gar für weitere Konflikte innerhalb der Gruppe sorgen kann, zeigte sich ebenfalls beim Gründungstreffen. Griechenland und die Türkei gerieten beim Thema Flüchtlingspolitik in Streit. „Wir haben mit Griechenland nichts zu besprechen“, erklärte Erdogan anschließend.

Ebenso gab sich Serbien von der Kritik der anderen Länder brüskiert, sich nicht den europäischen Sanktionen gegen Russland anzuschließen.

Türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan:  „Wir haben mit Griechenland nichts zu besprechen.“
Türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan:  „Wir haben mit Griechenland nichts zu besprechen.“

© picture alliance/dpa/PA Wire/Paul Ellis

EU-Politiker Mandl kritisiert zudem, dass die Freiheitsbewegung für Belarus nicht zumindest mit einem Beobachter-Status Teil der EPG ist. „Es wäre ein klares Signal gegen Autoritarismus, und es wäre europäisches Engagement an der Seite politischer Gefangener und anderer Menschen, die ihr Leben für die Freiheit aufs Spiel setzen“, sagt er.

Wovon wird das Gipfeltreffen überschattet?

Auch in diesem Jahr wird es allerhand Gesprächsbedarf geben: Aserbaidschan hat die ethnischen Armenier in der abtrünnigen Region Bergkarabach angegriffen, die daraufhin nach Armenien geflohen sind. Nun befürchtet Jerewan einen aserbaidschanischen Angriff auf den armenischen Staat.

Aserbaidschan hat seine Teilnahme an seinem Fünfer-Treffen (zusammen mit Armenien, Frankreich, Deutschland und Vertretern der EU) vor dem großen Europagipfel abgesagt. Als Grund gibt Baku eine anti-aserbaidschanische Einstellung der übrigen Parteien an und bestand auf die Türkei, seinem wichtigsten Verbündeten, als weiteren Teilnehmer.

Auch in Kosovo herrscht nach einem serbischen Truppenaufmarsch im Grenzgebiet Angst vor einem Angriff.

„Zweifellos werden diese beiden Konflikte bei dem Treffen präsent sein. Aber sie werden nicht dominant sein“, prognostiziert Mandl.

Darin zeigt sich: Konflikte kommen in der EPG zwar zur Sprache, bleiben aber letztlich ungelöst. So hieß es auch nach dem Gründungstreffen: Die Gespräche blieben bewusst unverbindlich.

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