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Ein Kind erntet auf einem Feld in der afghanischen Provinz Nangarhar Kartoffeln.

© dpa/Saifurahman Safi

Mehr Arbeits- und Umweltschutz: EU-Staaten beschließen Lieferkettengesetz – „ein Paradigmenwechsel“

Lange wurde darum gerungen, auch weil sich die FDP sich Brüssel quergestellt hatte. Nun haben die EU-Staaten die Richtlinie endgültig beschlossen. Sie geht über das deutsche Gesetz hinaus.

Die europäische Lieferkettenrichtlinie hat am Freitag mit der Zustimmung der Mitgliedstaaten in Brüssel die finale Hürde genommen. Damit werden der Schutz von Menschenrechten und Umwelt für große Unternehmen zur Verpflichtung entlang der gesamten Wertschöpfungskette – auch bei Zulieferern oder nachgelagerten Geschäftspartnern. Firmen müssen zudem einen Plan erstellen, der zeigt, dass ihr Geschäftsmodell mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar ist. Andernfalls drohen Sanktionen.

„Der heutige Tag markiert einen Paradigmenwechsel im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung durch Unternehmen“, sagte Johannes Heeg, Sprecher der Initiative Lieferkettengesetz, die das Vorhaben seit fünf Jahren als NGO begleitet.

Die Verabschiedung des Gesetzes noch vor der Europawahl war keineswegs gesichert. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Trilog-Verhandlungen im Dezember blockierte vor allem die FDP aus Sorge vor Bürokratie und Rechtsunsicherheiten. Daraufhin wurde das Gesetz aufgeweicht und im März – trotz deutscher Enthaltung – von den Mitgliedstaaten beschlossen. Ende April stimmten dann auch die EU-Parlamentarier zu. Nach Veröffentlichung im Amtsblatt haben die EU-Staaten gut zwei Jahre Zeit, das Regelwerk in nationales Recht zu überführen.

Wer ist von den neuen Regeln betroffen? 

Die neuen Regeln gelten ab 2027 für Unternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten und mindestens 1,5 Milliarden Euro weltweitem Jahresumsatz. Ein Jahr später sinkt die Grenze auf 4000 Mitarbeitende und 900 Millionen Euro Umsatz, 2029 dann auf 1000 Beschäftigte und 450 Millionen Euro Umsatz. Die Trilog-Einigung sah noch deutlich niedrigere Grenzen für mehr Firmen vor.

Was geschieht bei Verstößen?

Halten sich Firmen nicht an die Vorgaben, können Geldstrafen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Nettojahresumsatzes verhängt werden. Die Richtlinie sieht vor, dass EU-Staaten dafür eine Aufsichtsbehörde benennen. In Deutschland übernimmt das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (Bafa) diese Prüfung.

Wo geht das europäische über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus?

Erstmals können Firmen für Verletzungen ihrer Sorgfaltspflicht haftbar gemacht werden und Betroffene erhalten künftig die Möglichkeit, vor EU-Gerichten Schadenersatz zu verlangen. Das ist im deutschen Gesetz bisher ausgeschlossen, weshalb die Bundesregierung tätig werden muss. „Wir werden nun für eine wirksame und bürokratiearme Umsetzung in Deutschland sorgen“, kündigte Sven Giegold, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, am Freitag an. 

Dazu geht die Sorgfaltspflicht nach europäischem Gesetz über den Schutz von Arbeitsrechten hinaus und zielt auch auf den Schutz von Klima, Ressourcenverbrauch und Artenschutz. Gleichzeitig gilt das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bereits heute für Firmen mit mindestens 1000 Beschäftigten. Bis 2029 sind in Deutschland also mehr Unternehmen davon betroffen als nach EU-Gesetz.

Was halten Wirtschaftsverbände von dem Vorhaben?

Verbandsvertreter aus dem Maschinenbau, der Chemie oder der Textilwirtschaft sahen die Lieferkette seit Beginn des Gesetzgebungsprozesses kritisch. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) begrüßte zwar die vorgenommenen Änderungen. Trotzdem bleibe die EU-Lieferkettenrichtlinie „wenig praxistauglich und wird viel Bürokratie mit sich bringen“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Auch Rechtsunsicherheit bestehe weiter.

Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie forderte die Bundesregierung auf, Überregulierung und Doppelbelastungen zu vermeiden. „Es muss jetzt sichergestellt werden, dass man die Unternehmen, die sich mitten in der Transformation befinden, nicht mit erheblichen zusätzlichen Belastungen überfrachtet“, sagte Hildegard Müller. Von der Bundesregierung erwartet Müller zudem, das deutsche Lieferkettengesetz vor dem Hintergrund der europäischen Regulierung dauerhaft auszusetzen.

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