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Das One World Trace Center und die New Yorker Skyline sind zu sehen, während Flugzeuge der United Airlines auf dem Rollfeld des Newark Liberty International Airport in Newark landen.

© REUTERS/Eduardo Munoz

Um weiter fliegen zu dürfen: Verheimlichen US-amerikanische Piloten ihre Erkrankungen?

Nach Recherchen der „Washington Post“ wollten fast 5.000 US-Piloten offenbar psychische Störungen und andere schwerwiegende Erkrankungen verheimlichen. Die US-Luftfahrtbehörde ermittelt nun.

Von Nanja Boenisch

US-amerikanische Bundesbehörden ermitteln gegen fast 5.000 Piloten, die im Verdacht stehen, ihre medizinischen Unterlagen gefälscht zu haben. Wie eine Recherche der „Washington Post“ ergeben hat, wollten die Piloten offenbar psychische Störungen und andere schwerwiegende Erkrankungen verheimlichen.

Einerseits streichen sie für die Krankheiten finanzielle Hilfen aus der Staatskasse ein – andererseits könnten sie wegen der Krankheiten für fluguntauglich erklärt werden. Das geht laut der Zeitung aus behördlichen Dokumenten und Interviews hervor.

Bei den untersuchten Piloten handelt es sich um Militärveteranen. Der US-Luftfahrtbehörde (Federal Aviation Administration, kurz FAA) sollen sie mitgeteilt haben, dass sie gesund genug seien, um zu fliegen. Dass sie auch Veteranenleistungen für Behinderungen beziehen würden, haben sie jedoch nicht gemeldet, obwohl das gesetzlich vorgeschrieben ist.

Ermittler:innen des US-amerikanischen Kriegsveteranenministeriums stießen bereits vor mehr als zwei Jahren durch einen Abgleich von Bundesdatenbanken auf die Ungereimtheiten. Die FAA aber hielt zahlreiche Details vor der Öffentlichkeit geheim.

FAA-Sprecher Matthew Lehner bestätigte der „Washington Post“ in einer Erklärung, dass die Behörde gegen etwa 4.800 Piloten ermittelt, „die im Rahmen ihrer medizinischen Anträge möglicherweise falsche oder unrichtige Angaben gemacht haben“. Die FAA habe nun etwa die Hälfte dieser Fälle abgeschlossen und die Tätigkeit von etwa 60 Piloten auf Eis gelegt. Diese 60 stellten laut Lehner eine „klare Gefahr für die Flugsicherheit dar“, ihre Unterlagen werden weiter geprüft.

Nur wenige Verdächtige fliegen Passagierflugzeuge

Die „Washington Post“ beruft sich zudem auf einen hochrangigen US-Beamten, der mit der Angelegenheit vertraut ist und anonym bleiben wollte: Etwa 600 der Piloten, gegen die ermittelt wird, hätten eine Fluglizenz für Passagierfluggesellschaften. Die meisten der übrigen Verdächtigen würden mit kommerziellen Lizenzen auf Bestellung fliegen, zum Beispiel für Frachtunternehmen, Firmenkunden oder Reiseveranstalter.

Experten sagten der Zeitung, dass die Untersuchung seit langem bestehende Schwachstellen im medizinischen System der Luftfahrtbehörde aufgedeckt hat. Die Zahl der nicht gemeldeten Gesundheitsprobleme stelle ein Risiko für die Flugsicherheit dar.

Die Piloten müssten zwar regelmäßige, von der Regierung in Auftrag gegebene Gesundheitsprüfungen bestehen. Diese Tests seien oft jedoch nur oberflächlich, und die FAA verlasse sich darauf, dass die Piloten Krankheiten wie Depressionen oder posttraumatische Störungen selbst melden.

Aus den von der Zeitung gesichteten Unterlagen geht hervor, dass das Büro für Luft- und Raumfahrtmedizin der FAA seit dem vergangenen Jahr 3,6 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt hat – für zusätzliches Personal und die erneute Überprüfung der Zertifizierungsunterlagen von 5.000 Piloten, die ein „potenzielles Risiko für die fliegende Öffentlichkeit“ darstellen.

Mindestens 10 Piloten angeklagt

Gerichtsakten hätten gezeigt, dass seit 2018 mindestens 10 Piloten wegen falscher Aussagen gegenüber der FAA angeklagt wurden – darunter zwei, deren Fälle erst nach dem Absturz eines Flugzeugs untersucht wurden. Recherchen der „Post“ zufolge weiß die FAA seit zwei Jahrzehnten, dass vermutlich Zehntausende Piloten mit schwerwiegenden, nicht offengelegten gesundheitlichen Problemen fliegen.

Im März stellte sich die Aircraft Owners and Pilots Association, eine einflussreiche Handelsorganisation, hinter die verdächtigten Piloten und forderte die FAA auf, eine Amnestie zu erlassen. In einer Erklärung an die „Washington Post“ schrieb der Verband, Piloten machten oft versehentlich Fehler in den medizinischen Formularen.

Die Fragebögen seien schwer zu handhaben, die Fragen zu weit gefasst. „Dies ist ein komplexes Thema, und es wäre einfach, mit dem Finger auf die Piloten zu zeigen, die in diese Angelegenheit verwickelt sind“, fügte die Organisation hinzu.

Die Überprüfung durch die FAA hat einige Piloten, die beim Militär gedient haben, dazu veranlasst, sich zu beschweren: „Wenn sie schon Veteranen ins Licht rücken, dann müssen sie das auch überall tun“, sagte Rick Mangini, ein 52-jähriger, ehemaliger Armeepilot der „Post“. Sein ärztliches Zeugnis wurde im vergangenen Monat nicht verlängert, deshalb darf er für ein Frachtunternehmen nicht mehr fliegen.

Im Mai habe ihm die FAA mitgeteilt, dass gegen ihn ein Prüfverfahren eingeleitet wurde, weil er seine Schlafapnoe nicht angegeben hatte. Obwohl er in seinen medizinischen Unterlagen angekreuzt habe, dass er staatliche Leistungen für Beschwerden erhält, sagte Mangini. Er sei sich jedoch nicht bewusst gewesen, dass er Einzelheiten hätte angeben müssen. Mangini kenne eine Menge Piloten, die ihre gesundheitlichen Zustände nicht offenlegten. Dass jetzt nur über Veteranen gesprochen werde, sei Schikane. (Tsp)

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