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Schwedendemokrat Mattias Karlsson bei einer Wahlveranstaltung 2018.

© Getty Images/Michael Campanella

Machtkampf in Stockholm: Rechte drohen mit Koalitions-Aus in Schweden

Seit Herbst steht das rechtskonservative Regierungsbündnis. Wegen Streitigkeiten in Asylfragen wollen die rechten Schwedendemokraten die Zusammenarbeit überdenken. Rückendeckung gibt es von der Migrationsministerin.

Er warnt vor einem „völkischen Austausch“ und einer „Scharia-Polizei“, Islamisten im Parlament und einer unkontrollierten Masseneinwanderung.

Mattias Karlsson schrieb an mehreren Wahlprogrammen der rechten Schwedendemokraten mit und gilt heute als deren Chefideologe. Jetzt hetzt er in den sozialen Medien vor dem europäischen „Migrantenpakt“ – und droht mit dem Aus der Koalition in Stockholm.

Hintergrund sind mehrere Gesetzesvorschläge des Europäischen Parlaments zu einer Reform des Asyl- und Migrationspakts der EU, die am Donnerstag in Straßburg verabschiedet wurden. Die EU-Abgeordneten haben sich unter anderem auf einen „verpflichtenden Solidaritätsmechanismus“ innerhalb der Unionsstaaten geeinigt, um den von Fluchtbewegungen stark betroffenen Mittelmeerländern besser helfen zu können.

Schwedendemokraten „stehen für strenge Mgrationspolitik“

Auf Twitter forderte Karlsson am Freitag, dass Stockholm den „Migrantenpakt“ des EU-Parlaments stoppen müsse. Falls nicht, „kann ich mir schwer vorstellen, auf welcher Basis wir weiter zusammenarbeiten könnten“. Rückendeckung bekam er nur wenige Stunden später vom Parteichef Jimmie Åkesson, wiederum in den sozialen Medien.

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Auf Facebook schrieb Åkesson, dass es kaum überraschen könne, dass sich die Schwedendemokraten für eine „eigenständige und sehr strenge schwedische Migrationspolitik“ einsetzen würden.

Man werde nicht akzeptieren, „dass die Macht der schwedischen Wähler über die Migrationspolitik an Politiker und Bürokraten anderer Länder in Brüssel“ abgegeben werde.

Maßgeblich an den Gesetzesvorschlägen des EU-Parlaments beteiligt war der Schwede Tomas Tobé. In Stockholm lässt sich seine konservative Partei Moderaterna von den rechten Schwedendemokraten unterstützen, in Brüssel und Straßburg sitzt man in unterschiedlichen Fraktionen.

Die rechten Schwedendemokraten votierten im Parlament kaum überraschend gegen die EU-Reformvorschläge.

Ich kann den Schwedendemokraten garantieren, dass es innerhalb der EU nicht zu der vom Parlament getroffenen Einigung kommen wird.

Maria Malmer Stenergard, schwedische Ministerin für Migration

Sie haben im Vorfeld immer wieder kritisiert, dass eine verpflichtende Solidarität zu noch mehr Migrant:innen in Schweden führen und damit gegen den gemeinsamen Koalitionsvertrag der vier Regierungsparteien in Stockholm verstoßen würde.

Paradigmenwechsel in der schwedischen Asylpolitik

Erstmals in der Geschichte Schwedens wurde im Oktober vergangenen Jahres ein Ministerpräsident mit Stimmen der Rechten gewählt. Die in den 80er Jahren von Nazis mitgegründeten Schwedendemokraten sind offiziell zwar kein Teil der Regierung in Stockholm, als zweitstärkste Kraft im Parlament aber ein unverzichtbarer Teil des regierenden rechten Machtblocks.

Für ihre Unterstützung sicherten sich Rechten weitgehende Mitspracherechte zu, das Regierungsprogramm zur Migrationspolitik stammt maßgeblich aus ihrer Feder.

Für die kommenden vier Regierungsjahre wurde in der gemeinsamen Kooperationsvereinbarung ein „Paradigmenwechsel in der schwedischen Asylpolitik“ versprochen.

2010
zogen die Schwedendemokraten erstmals ins Stockholmer Parlament.

Einwander:innen mit „mangelhaftem Lebensstil“ sollen demnach abgeschoben, wegen Straftaten auffällige Ausländer:innen auch ohne Gerichtsurteil des Landes verwiesen werden. Der direkte Einfluss der Rechten auf die Politik des Landes ist seit der Regierungsbildung im Herbst Gegenstand starker Kritik.

Mattias Karlsson ist kein Unbekannter bei den schwedischen Rechten. Er sitzt seit dem erfolgreichen Einzug der Schwedendemokraten 2010 im Parlament, wurde wegen Verleumdung angezeigt. Er bezeichnete auf Facebook zwei Migrant:innen als illegale Einwander:innen und verglich sie mit dem Attentäter des Stockholmer Terroranschlags 2017.

Erst Ende März veröffentlichte die investigative Fernsehsendung „Kalla Fakta“ („Kalte Fakten“) eine Recherche über ein rechtsextremes Manifest, an dem Karlsson mitgeschrieben haben soll, und in dem unter anderem behauptet wird, dass eine Elite die „schwedische Kultur durch den radikalen Islam“ ersetzen wolle.

Auf Karlssons Forderung reagierte Migrationsministerin Maria Malmer Stenergard (Moderaterna), die aktuell die Verhandlungen im Rat über die Migrationsreform leitet. Sie könne den Schwedendemokraten „garantieren, dass es innerhalb der EU nicht zu der vom Parlament getroffenen Einigung kommen wird.“ Schweden werde sich hinter keine europäische Asylreform stellen, die eine „weniger strenge Einwanderung“ vorsehe.

Über die parlamentarischen Gesetzesvorschläge einigen müssen sich in Brüssel in sogenannten Trialog-Verhandlungen nun Kommission, Parlament und Rat. Der tagt noch bis Juni unter schwedischem Vorsitz.

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