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„Jede Granate und jede Patrone, die in der Ukraine verschossen wird, steht nicht zur Abschreckung Pekings zur Verfügung“, sagte Elbridge Colby.

© Imago/Xinhua/Xie Huanchi

„Xi ist viel gefährlicher als Putin“: Republikanischer Stratege fordert deutliche Kürzung der US-Hilfen für Ukraine

Unter Trump arbeitete Colby eine neue Verteidigungsstrategie mit aus. Er sieht in China eine große Bedrohung für die USA und sagt, Europa müsse den Löwenanteil der Ukraine-Hilfen tragen.

Etlichen Republikanern in den USA ist die amerikanische Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland schon länger ein Dorn im Auge. Der republikanische Verteidigungsstratege Elbridge Colby warnt nun vor einem drohenden Konflikt mit China und fordert, die US-Hilfen für Kiew in weiten Teilen zu beenden.

„Jede Granate und jede Patrone, die in der Ukraine verschossen wird, steht nicht zur Abschreckung Pekings zur Verfügung“, sagte Colby im Gespräch mit dem „Spiegel“. „Unsere Verteidigungsindustrie kann für die absehbare Zukunft nicht beides leisten.“

Außerdem werde die Bereitschaft der Amerikaner geschwächt, sich auf den „viel wichtigeren Konflikt mit China vorzubereiten“, wenn heute viele Milliarden Dollar für die Unterstützung der Ukraine ausgegeben würden, sagte Colby weiter.

Meine Philosophie lautet: Rede sanft, aber halte einen dicken Knüppel in der Hand.

Elbridge Colby, republikanischer Verteidigungsstratege

Unter Donald Trump war der Harvard-Absolvent Colby mitverantwortlich für die Formulierung einer neuen US-Verteidigungsstrategie, bis er im Jahr 2018 nur wenige Monate vor Verteidigungsminister James Mattis das Pentagon verließ. Der 43-Jährige wird in Washington als außenpolitischer Berater einer möglichen republikanischen Administration gehandelt.

Colby sagte, er plädiere nicht dafür, die Hilfen für die Ukraine einzustellen. „Amerika kann einen begrenzten Beitrag leisten. Aber den Löwenanteil müssen die Europäer tragen – und dazu sind sie auch in der Lage“, so der Republikaner.

Europa sei nach wie vor eine der größten und wirtschaftlich erfolgreichsten Regionen der Welt. „Russland dagegen ist nur noch ein Schatten der alten Sowjetunion. Sein Bruttoinlandsprodukt ist ungefähr so hoch wie das von Italien oder Spanien. Es ist absolut vernünftig zu verlangen, dass die Europäer die Hauptlast tragen, wenn es darum geht, Putin in Schach zu halten.

Der deutschen Regierung warf der Republkaner vor, zu wenig zu tun, um eine effektive europäische Verteidigung gegen Russland zu organisieren. Mit dem Ende des Kalten Krieges sei die bewusste Entscheidung getroffen worden, die Bundeswehr und deren Kampfbereitschaft drastisch zu reduzieren.

„Politisch kann ich das verstehen: Es ist natürlich viel bequemer, das Geld in den Sozialstaat zu stecken“, sagte Colby. „Aber aus Sicht der USA verlangen die Deutschen von uns praktisch, dass wir unsere nationalen Interessen aufgeben, weil sie nicht bereit sind, ihre moralische Pflicht zu erfüllen und Europa dabei anzuführen, eine kollektive Verteidigung aufzubauen.“

Angesichts der wachsenden militärischen und ökonomischen Stärke Chinas sei es notwendig, dass sich ein künftiger republikanischer Präsident auf den indopazifischen Raum konzentriere, so Colby. „Wir müssen verhindern, dass Peking so viel Macht anhäuft, dass es gelingt, die Kerninteressen der USA zu untergraben.“

Colby sieht reale Gefahr für Angriff Chinas auf Taiwan im Jahr 2027

Es sei eine reale Gefahr, dass der chinesische Präsident Xi Jinping schon im Jahr 2027 den Befehl gebe, Taiwan anzugreifen. Eine Invasion der Insel müsse auf jeden Fall vereitelt werden.

„Wenn Xi wirklich das Risiko einer Invasion Taiwans eingehen sollte, wird es ein gewaltiger militärischer Konflikt sein, den wir nicht verlieren dürfen. Sonst wird unsere gesamte militärische Position im Indopazifik zusammenbrechen“, sagte Colby.

Russland werde eine Bedrohung bleiben, aber man sollte sie weder unterschätzen noch übertreiben. In China lägen die Dinge anders.

Chinesische Panzer feuern ihre Kanonen während eines Manövers ab.
Chinesische Panzer feuern ihre Kanonen während eines Manövers ab.

© picture alliance/dpa/Zuma Press Wire

„Unsere Militärs sagen, dass China so stark aufrüstet wie seit Jahrzehnten nicht mehr in Friedenszeiten; die Chinesen sind dabei, ihre Nuklearstreitkräfte dramatisch auszubauen. Präsident Xi Jinping lässt die Wirtschaft seines Landes so umbauen, dass sie in der Lage sein wird, westliche Sanktionen abzufedern. All das deutet darauf hin, dass China einen Krieg vorbereitet“, sagte Colby.

Die USA gäben fast 3,5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für das Militär aus, bekämen für das Geld aber viel weniger als die Chinesen.

„Deren Produktionskosten sind geringer, außerdem sind sie entschlossener, haben einen geografischen Vorteil, können die Initiative ergreifen. Deswegen müssen wir Amerikaner und unsere Verbündeten realistisch bleiben und entscheiden, wie wir unser Geld ausgeben: Putin hat in der Ukraine schreckliche Dinge getan. Aber Xi ist viel gefährlicher, weil China mächtiger ist“, sagte Colby.

Auf die Frage, ob ein Krieg um Taiwan unvermeidlich sei, sagte Colby: „Nein, ganz und gar nicht. Ich will ihn um jeden Preis verhindern. Im Kalten Krieg haben wir es geschafft, einen bewaffneten Konflikt abzuwenden, indem wir einerseits militärische Stärke gezeigt und andererseits unsere Grenzen deutlich gemacht und verteidigt haben. Das ist für mich das Vorbild.“

Die USA müssten sich aber auf jeden Fall bereit machen, mit eigenen Truppen in einem Krieg mit China zu kämpfen, sagte Colby weiter: „Meine Philosophie lautet: Rede sanft, aber halte einen dicken Knüppel in der Hand.“ (lem)

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