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Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied (rechts) war zu Gast bei der Klausur von Alexander Dobrindt (weiße Jacke) und seiner CSU-Landesgruppe im Chiemgau.

© dpa/Peter Kneffel

Viele Vorschläge, wenig Widerhall: Die CSU täuscht sich über ihre Machtlosigkeit hinweg

Die Bundestagsvertreter der bayerischen Partei haben drei Tage lang an einem Beschluss gearbeitet. Doch ohne Regierungsverantwortung lässt sich davon nichts umsetzen.

Ein Kommentar von Christiane Rebhan

Die Kulisse des malerisch am See gelegenen, verschneiten Kloster Seeon, die perfekte Inszenierung mit Parteifähnchen und blauer Beleuchtung können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die drei vergangenen Tage eigentlich viel Lärm um nichts war.

Hier haben sich die Bundestagsabgeordneten einer Oppositionspartei getroffen, um nach den Aussagen von Parteichef Markus Söder und dem Landesgruppenvorsitzenden Alexander Dobrindt eine Art alternatives „Regierungsprogramm“ zu verfassen. Dabei ist die CSU so weit weg vom Regieren wie Scholz von Führung.

Die Union hätte gerne, dass mit der Europawahl im Juni auch ein neuer Bundestag gewählt wird

In den Umfragen liegt die Union bundesweit etwa bei 31 Prozent und damit fast gleichauf mit der Ampelkoalition. Aber es gibt nur einen Weg aus der Bedeutungslosigkeit und der führt über eine vorgezogene Neuwahl.

Nur weil die CSU-Vorderen wie Parteichef Markus Söder und sein Generalsekretär Martin Huber diese Forderung mantraartig seit Wochen wiederholen, wird sie deswegen nicht wahr. Und so richtig daran glauben, tun sie doch selbst nicht. Denn die Ampel ist rechtmäßig gewählt. Damit es zu Neuwahlen kommt, müsste Bundeskanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage stellen und verlieren.

Warum sollte Scholz diesen Schritt gehen? Selbst wenn die SPD bei der Europawahl miserabel abschneidet, singen Spitzenpolitiker jetzt schon das Lied von der Protestwahl. Damit baut man vor, sich den Schuh der Wählerungunst anziehen zu müssen. Ausschlaggebender sind da schon die Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Dort gilt in den Umfragen bisher nur die AfD zu den Gewinnern.

Die demokratischen Parteien müssen in diesem Jahr noch viel Überzeugungsarbeit leisten, damit diese Wahlen sowie die Europawahl nicht zu einem Debakel werden. Selbst an der internen FDP-Abstimmung über den Verbleib in der Ampel und die schwierigen Haushaltsverhandlungen ist die Ampel nicht zerbrochen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) regiert mit einer Drei-Parteien-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Die Ampel ringt häufig um Einigkeit.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) regiert mit einer Drei-Parteien-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Die Ampel ringt häufig um Einigkeit.

© REUTERS/LIESA JOHANNSSEN

Folglich werden die 25 Seiten des CSU-Beschlusses ganz schnell wieder in der Schublade verschwinden. Um politische Forderungen durchzusetzen, braucht man Macht. Und die ist selbst in Bayern nicht mehr grenzenlos – die 50 Jahre lang gültige absolute Mehrheit ist im Freistaat passé. Die letzte Wahl, bei der die CSU auf 60 Prozent kam, ist schon zwanzig Jahre her.

Immerhin könnte die CSU in den Verhandlungen mit der CDU ihre Punkte anbringen. Mit der Schwesterpartei ist man sich schließlich einiger den je, was die Inhalte angeht. Dafür sind die Kanzlerschaftsansprüche des bayerischen Ministerpräsidenten wieder deutlich leiser geworden. Die CSU-Abgeordneten haben sich mit Friedrich Merz als gemeinsamen Kandidaten der Union inzwischen angefreundet.

Das Schreckgespenst der CSU heißt Fünf-Prozent-Hürde

Was den CSU-Vertretern stattdessen aufs Gemüt drücken sollte: Keiner weiß, ob die Partei nach der Wahl 2025 überhaupt noch im Bundestag vertreten sein wird. Sollte das neue Wahlrecht nicht doch noch gekippt werden, muss die CSU in Bayern mindestens fünf Prozent der bundesweit abgegebenen Stimmen holen, um den Wiedereinzug zu schaffen.

Andernfalls verfielen alle gewonnenen Direktmandate. Zur Einordnung: Bei der Bundestagswahl 2021 hatte die CSU ein Ergebnis von 5,2 Prozent erzielt. Daher degradieren böse Zungen die CSU bloß mehr zur bedeutungslosen Regionalpartei.

Angesichts dieser Perspektiven war es überraschend, mit welchem Selbstbewusstsein besonders Söder, aber auch sein Kollege Dobrindt in Seeon aufgetreten sind. Unbeirrt gaben sie ihre Botschaften von der Wiedereinführung der Wehrpflicht und Atomstrom von sich und klangen damit reichlich unmodern.

Lieber sonnte man sich im Licht der spannenden Gesprächspartner vom dänischen Integrationsminister über die bulgarische Außenministerin zum Ifo-Präsidenten und der Ethikratsvorsitzenden – und natürlich Joachim Rukwied, Präsident des Bauernverbands. „So tolle Gäste und das, obwohl wir Opposition sind“, hörte man von einigen Abgeordneten.

Die Gäste und natürlich auch wir Pressevertreter spielten das Spiel mit. Schließlich ist Söder immer für einen markigen Spruch gut und dafür bekannt, die Ampel vor sich herzutreiben. In ruhigerer Runde äußerten Dobrindt und Söder allerdings auch Sorgen, weil Rechte angekündigt hatten, die Bauernproteste zu unterwandern und generell über den Zustand des Landes. Das nahm man ihnen wohl ab.

Sowohl Merz als auch Dobrindt hatten Scholz in all den Krisen der letzten beiden Jahre mehrmals das Gespräch angeboten. Die Regierungsansprüche der Union werden deswegen nicht leiser, aber in einem Jahr, indem wegen Protestwahlen ein politischer Gau droht, beweist man Führungsansprüche vor allem durch Diplomatie und Zusammenarbeit unter Demokraten.

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