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Hubert Aiwanger (Freie Wähler) vor Beginn der Sondersitzung zum Flugblatt-Skandal.

© IMAGO/Sven Simon

Update

Sondersitzung zur Flugblatt-Affäre in Bayern: Aiwanger stellt sich Fragen der Opposition nicht

Nach der Sondersitzung steht fest: Aiwanger hat keine Fragen zur Flugblatt-Affäre beantwortet. SPD, Grüne und FDP übten scharfe Kritik. Die AfD solidarisierte sich mit dem Wirtschaftsminister.

Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat sich nach der Flugblattaffäre bei einer Sondersitzung im bayerischen Landtag nicht den Fragen der Opposition gestellt. Ein entsprechender Antrag auf eine separate Befragung Aiwangers wurde am Donnerstag von den Fraktionen der CSU, Freien Wähler und AfD ebenso abgelehnt wie ein Antrag von Grünen und SPD auf Entlassung Aiwangers. Bis zum Ende der Sitzung unterließ es der bayerische Vize-Regierungschef, das Wort zu ergreifen - trotz mehrfacher Aufforderungen der Opposition.

Die Mitglieder des sogenannten Zwischenausschusses waren im bayerischen Landtag zusammengekommen. Dieses spezielle Gremium ist in der Zeit kurz vor den Landtagswahlen für die Beratung dringender Angelegenheiten zuständig, ihm gehören aktuell 51 der insgesamt 205 Abgeordneten an.

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Es ist erst das siebte Mal in der Geschichte des bayerischen Landtags überhaupt, dass der Zwischenausschuss einberufen werden musste. Grüne, SPD und FDP hatten die Sitzung beantragt.

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Aiwanger und Söder bei Sondersitzung anwesend

Auch Aiwanger und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erschienen zu der Sitzung. Für Söder hatte eine Sprecherin allerdings schon am Vortag mitgeteilt, dass ein Redebeitrag „nicht vorgesehen“ sei.

Markus Söder (CSU) bei der Sondersitzung im Senatssaal des Bayerischen Landtags.
Markus Söder (CSU) bei der Sondersitzung im Senatssaal des Bayerischen Landtags.

© Sven Simon/Imago

CSU und Freie Wähler kritisieren Showeinlage der Opposition

Die bayerische FDP hatte einen Antrag eingebracht, Aiwanger separat befragen zu dürfen. Die Fraktion begründete ihren Vorstoß damit, dass der Wirtschaftsminister zuvor „unzureichende Antworten“ gegeben habe. Zwar betonte man, den Chef der Freien Wähler nicht vorverurteilen zu wollen. Doch forderte die FDP eine Aufarbeitung der Affäre. Es sei höchste Zeit, sich in Bayern wieder mit Sachfragen zu beschäftigen. CSU und Freie Wähler bezeichneten den Antrag ebenso wie jenen der Grünen hingegen als Showeinlage der Opposition.

Durch einen Medienbericht war im August bekannt geworden, dass Aiwanger als Oberstufenschüler ein antisemitisches Flugblatt bei sich geführt hatte. Dieses soll von seinem Bruder verfasst worden sein. Der damalige Sachverhalt und Aiwangers Umgang damit sorgten bundesweit für scharfe Kritik. Söder hielt aber an seinem Wirtschaftsminister fest. Aiwanger selbst entschuldigte sich zwar, sprach aber von einer medialen Schmutzkampagne gegen ihn. Am 8. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt.

Wie passen Ihre vielen Erinnerungslücken mit der Antwort zusammen, dass dieser Vorfall ein einschneidendes Erlebnis für Sie war?

Ludwig Hartmann, Grünen-Fraktionschef

Grüne stellen Erinnerungslücken von Aiwanger infrage

Grünen-Ko-Fraktionschef Ludwig Hartmann stellte in seinem Redebeitrag trotz des abgelehnten Antrags eine Reihe von Fragen an Aiwanger.

LudwigHartmann und KatharinaSchulze (Bündnis 90/Die Grünen) bei der Sitzung des Zwischenausschusses.
LudwigHartmann und KatharinaSchulze (Bündnis 90/Die Grünen) bei der Sitzung des Zwischenausschusses.

© IMAGO/Sven Simon

„Wie passen Ihre vielen Erinnerungslücken mit der Antwort zusammen, dass dieser Vorfall ein einschneidendes Erlebnis für Sie war?“, fragte er mit Blick auf die Antworten, die Aiwanger auf einen Fragenkatalog von Ministerpräsident Söder gegeben hatte „Finden Sie es angemessen, von einer medialen Schmutzkampagne zu sprechen? Welche Rolle nimmt für Sie denn Journalismus in unserer Demokratie ein?“, fuhr er fort.

Er warf zudem die Frage auf, warum Aiwanger sich zunächst Tage lang in Schweigen gehüllt habe, bevor er auf den Artikel der Süddeutschen Zeitung reagiert habe. „Warum haben Sie nicht sofort den Verfasser der Hetzschrift genannt?“, fragte Hartmann weiter.

Grüne und SPD: Aiwanger „nicht mehr tragbar“

Grünen-Ko-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze kritisierte die Entscheidung, Aiwanger im Amt zu belassen, scharf. „Als stellvertretender Regierungschef Bayern ist Hubert Aiwanger nicht mehr tragbar. Ich finde es schade, Herr Söder, dass Sie es nicht geschafft haben, Haltung zu zeigen, sondern Sie sich für Taktik entschieden haben“, sagte sie.

Für sie sei der Glaube etwas zerbrochen, dass demokratische Parteien sich auf den demokratischen Grundkonsens einigen könnten. „Herr Söder, Herr Aiwanger, ich finde, Sie haben diesen Konsens gefährdet und unserem Land geschadet.“

SPD-Fraktionschef Florian von Brunn betonte ebenfalls, dass die Sozialdemokraten Aiwanger als ungeeignet für sein Amt als Wirtschaftsminister und Vize-Regierungschef halten.

Ich finde es schade, Herr Söder, dass Sie es nicht geschafft haben, Haltung zu zeigen, sondern Sie sich für Taktik entschieden haben.

Katharina Schulze, Grünen-Ko-Fraktionsvorsitzende

FDP: Aiwanger ideologisch „auf die ganz schiefe Bahn geraten“

Martin Hagen, FDP-Fraktionsvorsitzender, sagte, Aiwanger sei als Jugendlicher offenbar ideologisch „auf die ganz schiefe Bahn geraten“. Doch man müsse jedem Menschen das Recht zugestehen, sich zu ändern.

Was ein Mensch mit 16 gesagt oder getan hat, darf ihn nicht ein Leben lang für politische Ämter disqualifizieren.

Martin Hagen, FDP-Fraktionsvorsitzender

„Was ein Mensch mit 16 gesagt oder getan hat, darf ihn nicht ein Leben lang für politische Ämter disqualifizieren“, so Hagen. Aber, schränkte er ein, in solchen Fällen seien ein ehrlicher Umgang und eine aufrichtige Läuterung notwendig.

„Ich halte Sie nicht für einen Antisemiten, aber Sie haben sich zunächst für Leugnung statt Aufarbeitung entschieden“, sagte er an Aiwanger gerichtet. Es sei „traurig“, dass er sich als Opfer eine Medienkampagne stilisiere. „Die Hand, die wir ihm reichen wollten, wurde nicht ergriffen“, so Hagen.

Söder habe eine Entscheidung mit Augenmaß und Haltung getroffen und sich nicht von „Geschrei“ der Opposition beeindrucken lassen, sagte der parlamentarische CSU-Geschäftsführer Tobias Reiß. Es gebe keinen Beweis, dass Aiwanger als Schüler das Hetzblatt verfasst oder verbreitet habe. „Dagegen steht seine Erklärung, dass er es nicht war.“ Reiß übte gleichwohl harsche Kritik an Aiwangers Umgang mit den Vorwürfen und seinem Krisenmanagement. Er habe sich erst spät entschuldigt. „Aufrecht, mutig und direkt heraus sein muss man nicht nur im Bierzelt.“

Freie Wähler stellen sich hinter Aiwanger

Der Fraktionschef der Freien Wähler, Florian Streibl distanzierte sich im Namen der Fraktion maximal vom Inhalt des Flugblatts, stellte sich aber weiter hinter Aiwanger. „Das Flugblatt, um das es heute geht, ist zutiefst menschenverachtend und ekelerregend. Wir distanzieren uns maximal von dem Inhalt“, sagte er.

Hubert Aiwanger bei der Sondersitzung zur Flugblatt-Affäre.
Hubert Aiwanger bei der Sondersitzung zur Flugblatt-Affäre.

© IMAGO/Sven Simon

Antisemitismusvorwürfe wögen für einen Politiker besonders schwer, fuhr er fort. Doch wenn die Fraktion Anlass gehabt hätte, an Aiwangers demokratischen Überzeugungen zu zweifeln, hätte sie selbst Konsequenzen gezogen, sagte er weiter.

Es sei zu Recht gefordert worden, dass der Sachverhalt geklärt werde. Aiwanger habe jedoch glaubhaft versichert, nicht der Verfasser zu sein und sich vom Inhalt distanziert.

Der richtige Verfasser habe seine Schuld eingeräumt. Von den ursprünglichen Verdächtigungen bleibe nur als Fakt übrig, dass Aiwanger eine oder mehrere Kopien des Flugblatts mit sich geführt habe. Aiwanger sei kein Antisemit, sagte Streibl.

AfD solidarisiert sich mit Aiwanger

Vertreter der AfD verteidigten Aiwanger ebenfalls. „Was wir da erlebt haben, war ein politisches Schmierentheater“, sagte der Fraktionsvorsitzende Ulrich Singer.

Als AfD wissen wir nur allzu gut, was es bedeutet, im Kreuzfeuer zu stehen.

Ingo Hahn, AfD-Landtagsabgeordnete

Der Freie-Wähler-Chef sei von Ministerpräsident Markus Söder mit dessen Fragenkatalog behandelt worden „wie ein Schuljunge“. Zudem lägen die Vorfälle mehr als 35 Jahre zurück und Aiwanger habe sich inzwischen entschuldigt, sagte Singer.

Auch der AfD-Landtagsabgeordnete Ingo Hahn solidarisierte sich mit Aiwanger: „Als AfD wissen wir nur allzu gut, was es bedeutet, im Kreuzfeuer zu stehen.“ Nach rund zwei Stunden ging die Sitzung des Gremiums zu Ende. (mit dpa)

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