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Die Klausuren sollen nun am Freitag nachgeholt werden.

© dpa/Oliver Berg

Ärger um verschobene Abi-Klausuren: „Der Vorgang zeigt die verschlafene Digitalisierung in Deutschland“

Wegen technischer Probleme mussten in NRW Klausuren an 900 Schulen verschoben werden. Die Betroffenen erfuhren erst kurzfristig davon.

Es klingt wie ein Schülerstreich – oder wie eine besonders spitze Persiflage auf das deutsche Schulsystem: Rund 30.000 Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen (NRW) hätten am Mittwoch Abiturklausuren schreiben sollen. Am Dienstagabend erfahren sie, dass daraus nichts wird. Wegen technischer Probleme.

Die technische Plattform für die Abiturprüfung wird seit einigen Jahren von einem externen IT-Dienstleister zur Verfügung gestellt, am Tag vor der Prüfung sollen die Schulen die Aufgaben herunterladen können. Dieses Mal klappt das nur bei 300 von 900 Schulen. Einen Testlauf hatte es nicht gegeben.

Zweimal hätte man sich authentifizieren, dann einen Code eingeben müssen, „um auf die Homepage zu gelangen, das war neu“, erklärt Andreas Bartsch, Präsident des nordrheinwestfälischen Lehrerverbands die unglücklichen Verkettungen.

30.000
Schüler:innen konnten am Mittwoch ihre Abiturprüfungen nicht schreiben.

Bis 16.30 Uhr sei eine Deadline gesetzt worden, um die Sache in den Griff zu bekommen, eine zweite bis 19.30, erst dann habe das Ministerium kapituliert: kein Abi am Mittwoch.

Klausuren sind auf Freitag verschoben

Sie sei erst um 21 Uhr per Mail über den Ausfall informiert worden, sagte eine betroffene Lehrerin dem Tagesspiegel. Dass diese Info auch zu allen Prüflingen vorgedrungen sei, hält sie für unwahrscheinlich. Das Bildungsministerium hatte am Mittag von den Komplikationen erfahren, wenig später war auch die Presse im Bilde.

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Lehrkräfte, Schüler:innen und Eltern hingen viele Stunden in der Luft – während das Ministerium sich in Schweigen hüllte. „Die Kommunikation war schlecht“, sagt Bartsch. „Das Ministerium hätte eine Hotline einrichten müssen, in den Schulen hat man sich teilweise die Finger wund telefoniert, ohne Erfolg.“

Die Klausuren sind nun auf Freitag verschoben, doch noch sind laut Andreas Bartsch nicht alle Unklarheiten beseitigt. „Die Klausuren sind in der Welt, es ist fraglich, ob die Aufgaben überhaupt noch gestellt werden dürfen.“

Besonders in der Kritik für die IT-Panne steht Schulministerin Dorothee Feller. Das hätte nie passieren dürfen, sagte die Ministerin in einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Schulministerin Dorothee Feller bittet um Entschuldigung

Sie entschuldigte sich bei Lehrern und Schülern, nannte den Vorgang „ärgerlich“. Auch Ministerpräsident Hendrik Wüst bat via Twitter bei allen Betroffenen um Entschuldigung.

Fünf Stunden lang keinen Telefonhörer abzunehmen und auf Tauchstation zu gehen, das ist nicht nur Kommunikationsversagen. Das ist auch Verwaltungsversagen. Dafür tragen Frau Feller und ihr Staatssekretär die Verantwortung.

Dilek Engin, schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Nordrhein-Westfalen.

Der Opposition reicht das nicht aus. Alle Beteiligten schlicht im Regen stehen zu lassen, dürfe nicht passieren, sagte Dilek Engin, die schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion in NRW, dem Tagesspiegel.

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„Fünf Stunden lang keinen Telefonhörer abzunehmen und auf Tauchstation zu gehen, das ist nicht nur Kommunikationsversagen. Das ist auch Verwaltungsversagen. Dafür tragen Frau Feller und ihr Staatssekretär die Verantwortung.“

Für Irritationen sorgt auch der Ersatztermin am Freitag, zum einen, weil die Bahn großflächige Streiks angekündigt hat, zum anderen, weil Muslime und Musliminnen an diesem Tag das Zuckerfest, das Ende der Fastenzeit, feiern. Die Landesregierung habe die Problemlage noch gar nicht richtig erkannt, meint Dilek Engin.

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„Lieber MP Wüst: bitte Entscheidung korrigieren im Sinne des Respektes, der Achtsamkeit und der Rücksicht“, fordert Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime Deutschlands, auf Twitter: „Wir haben beinah eine halbe Million muslimische Schülerinnen in NRW, viele Tausende machen derzeit Abitur.“

Der Fall um das Abi-Chaos in NRW schlägt bundesweit hohe Wellen – weil er exemplarisch für Versäumnisse in ganz Deutschland steht. Nina Stahr, Sprecherin für Bildung und Forschung der Grünen-Bundestagsfraktion, bezeichnet die Verschiebung der Klausuren als Zumutung.

Der Vorgang zeige erneut die verschlafene Digitalisierung in Deutschland, sagte sie dem Tagesspiegel. „Es ist ärgerlich, dass diese zu Lasten der jungen Generation geht. Alle politischen Ebenen müssen nicht nur verstärkt in die digitale Bildung von Schüler:innen investieren, sondern auch in die IT-Strukturen und -Kompetenzen der öffentlichen Verwaltungen.” 

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