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Hunderte Landwirte demonstrierten mit einer Protestfahrt um den Frankfurter Flughafen gegen das Auslaufen der Steuererstattungen für Agrardiesel.

© dpa/Mike Seeboth

Update

Bauern in Deutschland und Frankreich: Der Protest schwelt weiter

Während die Proteste der Landwirte in Frankreich abgeebbt sind, schwelen sie in Deutschland weiter. Dennoch gibt es Parallelen. Fünf Gründe für den Protest in den beiden Ländern.

Der Protest der Landwirte in Deutschland schwelt weiter, nachdem der Bundestag am Freitag dem umstrittenen Abbau von Steuerentlastungen beim Agrardiesel zugestimmt hatte. Darauf hin kam es am Wochenende rund um den Frankfurter Flughafen zu Demonstrationen. Der Protest mit 400 Traktoren fiel allerdings kleiner aus, als von den Veranstaltern zuvor angekündigt worden war.

In Frankreich ist es dem neuen Premierminister Gabriel Attal inzwischen gelungen, den Protest der Landwirte zu entschärfen. Erst sagte er zu, dass die Regierung auf die geplanten Steuererhöhungen für den Agrardiesel verzichten werde. Dann kündigte er noch zusätzliche finanzielle Hilfen im Umfang von 150 Millionen Euro jährlich für Viehzüchter an.

Aber die Forderungen der Landwirte im Nachbarland gehen noch weiter. Sie richten sich unter anderem gegen das geplante EU-Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten und die von der EU-Kommission verlangte Flächenstilllegung. Unter dem Druck der Bauern in Frankreich hat die EU-Kommission die für dieses Jahr vorgesehene geplante Stilllegung von Flächen, die dem Artenschutz zugutekommen soll, wieder zurückgenommen.

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Fünf Faktoren beeinflussen den Protest der Landwirte in Deutschland und Frankreich.

1 Die Landwirte haben Zeit

Beim Bauernprotest in Deutschland und Frankreich gibt es eine gegenseitige Wechselwirkung. Im vergangenen November begannen Landwirte in Frankreich damit, landesweit fast 10.000 Schilder an Ortseingängen umzudrehen und damit auf ihre schwierige wirtschaftliche Situation aufmerksam zu machen. Das Motto des Protestes: „On marche sur la tête“ („Alles steht Kopf“). Im Dezember waren es dann Landwirte in Deutschland, welche die Symbolik übernahmen.

„Alles steht Kopf“. Bauernprotest in Frankreich: Ein umgedrehtes Ortsschild im Département Haute-Saone in Ostfrankreich.

© Albrecht Meier

Die weitere Verschärfung der Proteste nahm anschließend in Deutschland ihren Anfang. Als die Ampel-Regierung im Dezember die Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge und der Beihilfen beim Agrardiesel ankündigte, kam es zur ersten Großkundgebung in Berlin. Im Januar schwappte der massenhafte Protest der Landwirte nach Frankreich über.

Es ist kein Zufall, dass die Männer mit ihren Traktoren gerade jetzt in deutschen Innenstädten Präsenz zeigen. Derzeit ist auf den Feldern nichts zu tun. Bevor in diesem Monat wieder mit dem Pflügen begonnen wird, bleibt noch Zeit für Demonstrationen.

2 Die Form des Protestes

In beiden Ländern sind Landwirte in der Vergangenheit immer wieder auf die Straße gegangen. In Deutschland demonstrierten sie beispielsweise in der Amtszeit des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder (SPD) angesichts der massenhaften Keulung von Rindern, die wegen der BSE-Krise notgeschlachtet werden mussten.  „Schröder = Bauerntöter“ war 2001 damals auf Transparenten der Demonstranten zu lesen.

In Frankreich war der Protest von Vertretern der Agrarbranche stets robuster. Wenn Bauern im Nachbarland wie zuletzt aus Protest gegen Billigimporte ausländische Lkws angreifen und Ware zerstören, dann ist das nichts Neues. Im Fokus stand in der vergangenen Woche die Blockade von Autobahnen rund um Paris. Sie wurde nach den Zugeständnissen des Premierministers Attal beendet.

Landwirte blockieren in Jossigny eine Autobahn nach Paris.

© REUTERS/STEPHANIE LECOCQ

Das Einlenken des Regierungschefs kam nicht überraschend. Die Bauern-Lobby spielt im Flächenland Frankreich eine noch größere Rolle als in Deutschland. Das zeigt sich auch mit Blick auf die Zuwendungen von der EU. Kein anderes Land in der EU profitiert von der Gemeinsamen Agrarpolitik so wie Frankreich. Im Jahr 2022 erhielten französische Bauern 9,45 Milliarden Euro von der EU, noch vor Spanien (6,89 Milliarden) und Deutschland (6,33 Milliarden).

3 Streit um den Agrardiesel 

Vordergründig geht es in beiden Ländern darum, dass die Landwirte mit ihren Demonstrationen eines erreichen wollen: eine möglichst geringe finanzielle Belastung. In Deutschland hat sich die Ampel darauf festgelegt, dass die Beihilfen beim Agrardiesel bis zum Jahr 2026 abgeschmolzen werden sollen.

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Daran dürfte auch eine Initiative der Bundesländer unter der Federführung des Schweriner Landwirtschaftsministeriums nichts ändern. Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und das Saarland verlangen, dass der Abbau der Agrardiesel-Subventionen über einen längeren Zeitraum gestreckt wird. 

Traktoren blockieren eine Autobahnzufahrt.

© dpa/Martin Schutt

Dagegen ist die Regierung in Paris in diesem Punkt inzwischen komplett gegenüber den Bauern eingeknickt. In Frankreich wird es nicht zu der ursprünglich geplanten Steuererhöhung auf den im Nachbarland verwendeten Kraftstoff für landwirtschaftliche Fahrzeuge kommen. Ursprünglich wollte die Regierung die Steuer auf den Kraftstoff bis 2030 schrittweise erhöhen.

4 Streit um Mercosur-Abkommen

Weil die EU ein Handelsabkommen mit dem südamerikanischen Handelsraum Mercosur abschließen will, befürchten Frankreichs Landwirte eine zunehmende Konkurrenz mit ihren lateinamerikanischen Kollegen. Deshalb bekräftigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zuletzt beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche in Brüssel seine Ablehnung des geplanten Handelsabkommens.

Dagegen drang Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Brüssel auf den Abschluss des EU-Mercosur-Abkommens. „Ich wünsche mir mehr Freihandelsabkommen. Ich bedauere, wie zögerlich und langsam diese Dinge vorankommen und das gilt auch für dieses schon so lange verhandelte Abkommen“, sagte der Kanzler.

5 EU-Auflagen zur Flächenstilllegung

In Frankreich gingen die protestierenden Bauern davon aus, mit ihrem Protest eine Rücknahme der EU-Auflagen für die Brachflächen zu erreichen – und setzten sich durch. Eigentlich sollen laut der Brüsseler Gemeinsamen Agrarpolitik in diesem Jahr im Sinne der Artenvielfalt vier Prozent der Ackerflächen stillgelegt werden.

Aber Regierungschef Attal kündigte in seiner ersten Regierungserklärung an, man sei in den Gesprächen mit der EU „nahe an einer Vereinbarung“. Der Druck aus Frankreich wirkte: In der vergangenen Woche teilte die EU-Kommission mit, dass die Regelung zur Stilllegung auf vier Prozent der Flächen durch eine Mindestvorgabe für den Anbau von Zwischenfrüchten ersetzt wird. 

In Deutschland sagte indes Finanzminister Christian Lindner (FDP) bei einer Großkundgebung vor dem Brandenburger Tor Mitte Januar, jetzt sei „die Gelegenheit, EU-Pläne wie die Flächenstilllegung infrage zu stellen“.

Auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir will sich angesichts des jüngsten Vorschlages der EU-Kommission nicht querstellen. Der Grünen-Politiker gab zu Protokoll, dass er innerhalb der Bundesregierung dafür werbe, „dass wir dem Vorschlag der EU-Kommission zu den Brachflächen zustimmen“. 

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