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Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir im Juni 2023 auf dem Deutschen Bauerntag.

© dpa/Guido Kirchner

Update

Spalten Bauernproteste die Gesellschaft?: Özdemir warnt vor „Zuständen wie in den USA“

Die landesweiten Proteste seien gesellschaftlich gefährlich, sagt Agrarminister Özdemir. Beim Besuch einer Bauernkundgebung bekam er den Unmut lautstark zu spüren.

| Update:

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat am Mittwoch im baden-württembergischen Ellwangen lautstark den Unmut der Landwirte im Ostalbkreis zu spüren bekommen. Redner in und außerhalb der Stadthalle betonten, das Vertrauen in die Politik sei verloren gegangen. Özdemir sprach zuerst vor mehr als 700 Teilnehmern einer Bauernkundgebung in der Stadthalle. Dann forderte ihn die Menge vor der Stadthalle auf, sich Fragen draußen zu stellen. Dem kam Özdemir nach.

Stets wurden seine Worte mit Buhrufen und Trillerpfeifen begleitet. Özdemir betonte, dass er nicht mit den geplanten Subventionskürzungen für die Landwirte einverstanden sei. Er sei als Fachminister aber nicht mit einbezogen worden. „Wäre dies der Fall gewesen, wären die Beschlüsse so nicht gekommen“, sagte Özdemir.

Künftig dürfe so etwas nicht am grünen Tisch entschieden werden. Auch müsse der Berufsverband zwingend einbezogen werden. Özdemir sagte, er könne aber nicht für alle politischen Fehler der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich gemacht werden.

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Zuvor hatte Özdemir erklärt, dass er in den teilweise sehr emotionalen Bauernprotesten die Gefahr einer zunehmenden Spaltung der deutschen Gesellschaft sehe.

Die Menschen auf dem Land hätten das Gefühl, abgehängt zu sein, sagte der Grünen-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Sie sorgen sich, dass sie in einer zunehmend von Städtern dominierten Politik unter die Räder kommen.“

Özdemir fordert Tierwohlabgabe zugunsten der Bauern

„Das ist ein gefährlicher Spaltpilz, der zu Verhältnissen wie in den USA führen kann: Man redet nicht mehr miteinander, man glaubt einander nicht mehr und man unterstellt sich gegenseitig alles Böse dieser Welt“, so Özdemir. Das Ziel müsse sein, das Land „in der Mitte zusammenzuhalten“.

Am Montag hatten Landwirte eine bundesweite Aktionswoche gegen die bereits abgeschwächten agrarpolitischen Pläne der Ampel-Koalition gestartet. Konkret richten sich die Proteste gegen die schrittweise Kürzung von Subventionen für Agrar-Diesel. 

Wir haben ein massives Problem, wenn die Interessen von Verbrauchern und Landwirtschaft auseinandergehen.

Cem Özdemir, Bundeslandwirtschaftsminister

Özdemir rief nun dazu auf, grundsätzlich über die Rolle der Landwirtschaft zu reden, denn die Interessen der Verbraucher und der Landwirtschaft klafften auseinander.

„Der Verbraucher will mehr Tierwohl, mehr Klimaschutz, mehr Umwelt- und Artenvielfalt - und das ist auch gut so“, sagte Özdemir. „Aber er kauft nicht so ein, auch wenn er es sich leisten könnte.“

Es könne nicht sein, dass der Landwirt die Rechnung für die Wünsche der Verbraucherinnen und Verbraucher zahle, erklärte der Minister.

„Wenn wir beispielsweise mehr Tierschutz im Stall wollen, muss das finanziert werden, etwa durch eine Tierwohlabgabe“, sagte Özdemir. Das würde eine maßvolle Belastung beim Fleisch bedeuten - um wenige Cent pro Kilo. 

Der Minister rief in diesem Zusammenhang zu einem parteiübergreifenden Bündnis für eine Tierwohlabgabe auf. „Das Geld käme der Landwirtschaft zugute.“

Özdemir gegen Streichung der Dieselsubvention

Zugleich bestritt Özdemir, dass die Pläne zur Streichung der Subventionen für Agrardiesel aus seinem Ministerium kommen. Er habe sich als Minister gegen jede Einschränkung beim Agrardiesel ausgesprochen.

Mit den zunächst gefassten Beschlüssen wären die Landwirte überproportional betroffen gewesen, mahnte er. Er sei froh, dass die Bundesregierung die Streichung der Subventionen „an entscheidender Stelle korrigiert“ habe. 

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Bereits am Montag hatte Özdemir Kritik der Union an der Ampel-Koalition zurückgewiesen. In den vergangenen 40 Jahren seien die Agrarminister in 31 Jahren von CDU und CSU gestellt worden.

Lob für „gesetzeskonforme“ Bauernproteste

Zudem warnte Özdemir vor der Vereinnahmung der Proteste durch rechte Gruppierungen. Leider gebe es bei den Protesten der Landwirte Trittbrettfahrer, die „alles im Schilde führen, nur nicht die Interessen der Bauern. Ginge es nach der AfD, würde die Landwirtschaft einfach gar keine Subventionen mehr bekommen“, sagte er.

„Ich hoffe, dass es ihnen gelingt, den Protest weiterhin so zu organisieren, dass sich die Trittbrettfahrer nicht in den Vordergrund spielen“, so Özdemir.

Am Dienstag hatte Özdemir den Bauernverbänden dafür gedankt, dass die Proteste der Landwirte bislang „überwiegend absolut friedlich und gesetzeskonform“ gewesen seien.

Zuvor hatte er am Montag zu Beginn der bundesweiten Protestwoche von Landwirten erklärt, dass die Mehrheit der deutschen Landwirtinnen und Landwirte „ihre Anliegen mit demokratischen Mitteln“ vertrete. „Das ist ihr gutes Recht“, sagte er.

Mehrheit der Deutschen hat Verständnis für Bauern

Die deutschen Landwirte genießen dabei großen Rückhalt in der Bevölkerung. 81 Prozent der Deutschen haben laut einer Forsa-Umfrage für den „Stern“ Verständnis für die Bauern. Lediglich 18 Prozent haben kein Verständnis dafür, dass beim Protest gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung Autobahnzufahrten und Verkehrsknotenpunkte in ganz Deutschland blockiert werden. Ein Prozent der Befragten äußerte keine Meinung.

Am größten ist die Unterstützung für den Bauern-Protest den Angaben zufolge bei Anhängern der AfD: 98 Prozent signalisierten Verständnis. Auch die Wähler von CDU und CSU unterstützen zu 79 Prozent das Vorgehen der Landwirte.

Sogar bei Anhängern der Ampel-Koalition überwiegt das Verständnis: 80 Prozent der FDP-Wähler sympathisieren mit den Landwirten, ebenso 70 Prozent der SPD-Anhänger. Bei Grünen-Wählern hingegen ist der Wert mit 61 Prozent deutlich niedriger.

Aus der Umfrage geht zudem hervor, dass der Bauernprotest von Großstadt-Bewohnern und Landbevölkerung unterschiedlich beurteilt wird. Während in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern 73 Prozent Verständnis haben, sind es in Orten mit weniger als 5000 Einwohnern 88 Prozent. (Reuters, epd, dpa)

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