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Ja mei, is des schee! So sieht's in Bayern wirklich aus.

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Landtagswahl in Bayern: Warum wir Bayern mögen - und ein bisschen beneiden

Ja, freilich, sie können schon nerven, da unten im Freistaat. Mit ihrem Gepolter, das die ganze Republik in Atem hält. Aber für manches muss man sie lieben.

Und wieder schaut Deutschland verunsichert auf ein Bundesland im Süden. Wenn heute in Bayern gewählt wird, geht es nicht nur um die Sitzverteilung in einem Landtag. Pkw-Maut, Grenzkontrollen, Horst Seehofer – die Bayern und insbesondere ihre Regionalpartei CSU schaffen es mit ihrer Sturheit und ihren Personalquerelen immer wieder, dem ganzen Land auf die Nerven zu gehen. Diesmal hängt am Wahlergebnis wohl auch die politische Zukunft von SPD, Grünen und selbst Kanzlerin Angela Merkel. Es ist nicht leicht, Bayern dieser Tage zu lieben. Und vom FC Bayern brauchen wir gar nicht erst anzufangen. Aber ein bisschen Neid und Bewunderung schwingen immer mit. Was haben die, was wir nicht haben?

1. Sie haben Geld

Irgendwann im späten Januar oder frühen Februar eines jeden Jahres haben bayerische Finanzminister einen besonders wichtigen Termin. Dann flattert die erste Abrechnung des Länderfinanzausgleichs herein, und das ist ein politischer Feiertag in München. Dann wird schnurstracks die übliche Pressemitteilung in die Welt gesetzt: Bayern ist wieder Hauptzahlerland! In gewiefter Dialektik münzen bayerische Finanzminister dieses Zeichen großer Stärke um in die Klage, einmal mehr müsse Bayern den Rest der Republik durchfüttern, vor allem den post-preußischen Teil im Norden. Insbesondere Berlin, das Hauptnehmerland. 5,9 Milliarden Euro haben sie zuletzt in den direkten Finanzausgleich gezahlt. Berlin schluckte davon 4,2 Milliarden. Ums nicht zu komplizieren, werden die Bayern-Milliarden im Vorwegausgleich gar nicht erst thematisiert. Aber: Erst seit 1989, dem Jahr nach dem Tod von Franz Josef Strauß, ist Bayern so potent, dass es bluten muss. Davor war es Nehmerland. Und erst seit 2008 liegt es mit der Gesamtsumme regelmäßig vor Baden-Württemberg. Pro Kopf haben zudem Hessen oder Hamburg schon deutlich mehr gezahlt. Im Übrigen ist Bayern auch nicht so produktiv, wie es sich gerne gibt. Denn ein Teil der Milliarden kommt von dort, wo sie wieder hinfließen. Bayern hat eine ganze Reihe Konzernzentralen, wo mitversteuert wird, was in anderen Ländern erwirtschaftet wurde. Aber das würde man in Berlin wohl auch lieber verschweigen, wäre man Zahlerland.

2. Sie haben eine eigene Sprache

Ja, Bairisch (nicht Bayrisch oder Bayerisch) ist eine Sprache – kein Dialekt. „Allein schon von den grammatischen Besonderheiten her ist das Eigengepräge des Bairischen gegenüber dem Schriftdeutschen so stark, dass es genügen würde, ihm den Status einer eigenen Sprache zu verleihen“, erklärt der Germanist Robert Hinderling vom Förderverein Bairische Sprache und Dialekte. Ihm zufolge ist der Abstand zwischen Bairisch – zu dem unter anderem auch fast alle österreichischen Mundarten gezählt werden – und Hochdeutsch sogar größer als der zwischen Tschechisch und Slowakisch.

Anders als das Berlinerische, bei dem es sich je nach Blickwinkel nur um einen Dia-, Sozio- oder Metrolekt handelt, nahm die Unesco das Bairische schon 2009 auf in ihre Liste der schützenswerten Idiome. Gebracht hat das wenig. Sprachwissenschaftler prognostizieren, dass in München spätestens im Jahre 2040 keiner mehr die Sprache sprechen wird. Das Aussterben sei auch eine Folge des gewaltigen Zuzugs ins Bundesland, sagt der Förderverein. Nach der CSU, wie Edmund Stoiber analysierte, machen die Zugezogenen nun also auch noch die Sprache kaputt.

3. Sie haben Köpfchen

Diese Schlauberger. Denken sowieso schon, sie wüssten alles besser, und dann stimmt das auch noch. Jedenfalls dann, wenn man sich die Bildungsstatistiken anschaut. Schon die bayerischen Grundschüler können besser lesen als die in Sachsen, besser rechnen als die Berliner und praktisch alles besser als die Dussel in NRW. Die kommen ja ohnehin nur halbwegs unfallfrei durchs Leben, weil’s ihnen so leicht gemacht wird. Was anderswo eine Zwei auf dem Zeugnis wäre, langt in Bayern gerade für eine Vier. Sagen jedenfalls die Bayern.

Haben sie erst mal das hart verdiente Abitur geschafft, müssen sie sich entscheiden: Ausbildung oder Studium. Beides ist, na klar, spitze. 2017 kamen auf 100 Bewerber 104 Ausbildungsplätze. Mehr als in jedem anderen Bundesland. Wenn das so weitergeht, hofieren demnächst die Chefs die Azubis, nicht umgekehrt. Arbeitgeber nennen das Fachkräftemangel, Kultusminister Bernd Sibler spricht vom „Spitzenreiter bei beruflicher Bildung“.

Wer lieber studieren geht, dem droht die nächste schwierige Entscheidung. Welche Spitzenhochschule soll’s denn sein? Die Ludwig-Maximilians-Universität streitet sich in diversen Rankings mit ihrer Nachbarin, der TU München, wer Nummer eins in Deutschland ist. In Nürnberg verdrehen sie darüber nur die Augen und bauen sich gleich eine eigene „Super-Uni“. Spitze hat nicht mehr gereicht.

4. Sie haben das Bier im Blut

Selbst der übelste Saupreiß würde den Bayern zwar womöglich attestieren, dass ihr gesamter Freistaat, dort aber noch lange nicht Hopfen und Malz verloren seien. Die Bayern und ihr Bier sind ein Bund, der auch nach mehr als 500 Jahren Reinheitsgebot noch leidenschaftlich ist wie am ersten Tag. Die erste Halbe zum Frühstück ist noch lang kein Grund, jemanden komisch anzuschauen. Bier ist Genuss und Genuss ist Kultur.

Und davon haben die Bayern reichlich. 642 Brauereien gibt es hier, Stand 2017. Mehr als 4000 verschiedene Sorten bieten diese an. Würde man jeden Tag eines probieren, man bräuchte elf Jahre, bis man durch ist. Wer so viel hat, der kann auch geben. Da halten sie’s wie beim Länderfinanzausgleich. Selbst die in Malzsachen komplett kulturlosen Berliner werden mittlerweile an jedem Späti mit Büble und Augustiner zugeschüttet. Manchmal, so weit ist die Bayerisierung bereits, sieht man nun auch schon früh um sieben Menschen mit Hellem statt Sterni in der S-Bahn. Wenigstens in Sachen Verkehrssicherheit also ein Punkt für Berlin. Denn wohl aus einer Bierlaune heraus befand der damalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein einst, nach zwei Maß könne man, wenn man nur gemächlich trinke, ruhig noch Auto fahren. Da wurden dann sogar ein paar Bayern skeptisch.

5. Sie haben Unternehmen

Wer in Brandenburg in eine Kleinstadt kommt, der ist froh, wenn er dort wenigstens einen Supermarkt findet. Wer hingegen in Bayern durch eine Kleinstadt fährt, passiert womöglich ein Dax-Unternehmen, ohne es zu merken. Zum Beispiel in Aschheim. In diesem 9000-Seelen-Ort sitzt der Zahlungsanbieter Wirecard, der seit diesem Herbst zu den 30 größten Unternehmen Deutschlands gehört. Oder Neubiberg, wo Infineon im vergangenen Jahr über sieben Milliarden Euro umsetzte. Oder natürlich Herzogenaurach, wo die Brüder Adolf und Rudolf Dassler in den 1920er Jahren begannen, Sportschuhe zu entwickeln. Es ist wohl kein Zufall, dass in der Audi-Stadt Ingolstadt mit durchschnittlich 4635 Euro pro Monat das höchste Bruttoeinkommen in ganz Deutschland gezahlt wird. Aber Bayern wäre nicht Bayern, wenn nicht auch die stolze Landeshauptstadt ein paar Weltkonzerne vorweisen könnte. Allianz, Linde, BMW – wen kümmert es da, dass mit Siemens das nach Mitarbeiterzahl größte Münchener Unternehmen eigentlich aus Berlin kommt?

6. Sie haben die Alpen

Braucht es da etwa mehr Worte?

Die Frauenkirche in München vor der Kulisse der Alpen.
Die Frauenkirche in München vor der Kulisse der Alpen.

© Peter Kneffel/dpa

7. Sie haben eine Verwaltung

Ein gängiger Spruch unter Beamten lautet: Regierungen kommen und gehen, die Verwaltung bleibt bestehen. Da nun in Bayern die Regierungen längere Zeit praktisch kaum gewechselt haben, weil ja die CSU immer regierte, könnte man meinen, dass die bayerische Verwaltung nun eine Art Unterabteilung der Staatspartei ist. Geprägt von Parteibuchwirtschaft bis hinein in die Vorzimmer von Referatsleitern oder Finanzamtsvorstehern. Doch weit gefehlt. Zwar gibt es Verfilzungen allenthalben auch in Bayern. Aber der Staatsapparat, also das, was nach allgemeinen Verständnis zum Beispiel in Berlin nicht ganz so gut funktioniert, ist dort eine recht effiziente Angelegenheit. Unter anderem deshalb, weil dieser Apparat sich früher als anderswo in Deutschland als eigenständige Kraft zu fühlen begann und so mit einem Grundvertrauen zu sich selbst in die halbe Ewigkeit der CSU-Herrschaft eintrat. Der Urvater des parallel zur Parteienherrschaft praktizierten Etatismus ist Maximilian Joseph von Montgelas, ein Mann, dessen Name in Bayern vom Amtsrat bis hinauf zur Ministerialdirektorin alle kennen und schätzen. Er ist für den Staatsdiener das, was Franz Josef Strauß für den CSU-Menschen ist. Montgelas hat mit seinen Staatsreformen um 1800 herum die Basis gelegt für den bayerischen Beamtenstaat. Das Vorbild war Frankreich, aber weil Bayern in eben jenen Jahren stark wuchs und weil seither Franken, Schwaben und Oberpfälzer permanent integriert werden müssen, ist München doch nicht ganz Paris geworden. Man hat daher in Bayern den dezentralisierten Zentralismus entwickelt. An dem aufgeklärten Absolutisten von einst kommt die CSU bis heute nicht vorbei, wenn’s ums Staatliche geht. Als der Finanzminister Markus Söder vor einigen Jahren eine Digitalisierungsstrategie vorstellte, hieß die „Montgelas 3.0“.

8. Sie haben einen Flughafen

Anders als Berlin hat München einen Flughafen. Genauer: nur einen Flughafen. Aber immerhin einen, der funktioniert. Auch wenn er weit drauußen liegt. Die Zahl der Passagiere ist so rasant gestiegen, dass die Münchener bereits zwei weitere Terminals ins Erdinger Moos stellen mussten; zum Teil mitfinanziert von der Lufthansa. Auf ein solches Engagement hat man in Berlin vergeblich gewartet. Nur die vom Flughafen so dringend gewünschte dritte Start- und Landebahn ist – noch– nicht gekommen. Auch die Träume auf einen Transrapid-Anschluss sind verflogen. Auf der Schiene ist der Flughafen von München aus weiter nur mit der S-Bahn zu erreichen. Unter dem BER in Schönefeld wartet dagegen ein sechsgleisiger Fern-, Regional- und S-Bahnhof auf Passagiere.

Trotzdem ist der Flughafen Franz Josef Strauß in kurzer Zeit nach der Eröffnung 1992 zum zweitgrößten in Deutschland geworden. Mit 44,6 Millionen Passagieren im Jahr 2017 gehört er zu den größten Drehkreuzen in Europa. Weiterer Standortvorteil: Der Weg zum Oktoberfest ist erheblich kürzer als von Berlin aus. Kein Wunder, dass Flughafenchef Michael Kerkloh regelmäßiger Gast ist.

9. Sie haben gute Abwehrkräfte

Gesundheitlich läuft es bei den Bayern. Der Freistaat ist nach Baden-Württemberg das Bundesland mit dem niedrigsten Krankenstand. Im vergangenen Jahr waren die Leute hier laut „Techniker Krankenkasse“ (TK) durchschnittlich nur 13 Tage krankgeschrieben. In Berlin waren es gut 16 Tage. Kommt die bayerische Robustheit von ausgedehnten Bergtouren? Der guten Luft da oben? Darauf geben die Statistiken keine Antwort. Aber Indizien finden sich. So schaut der Bayer im Bundesdurchschnitt am wenigsten fern: laut Media Control 187 Minuten am Tag. Die Berliner verbringen mit 256 Minuten gut eine Stunde mehr vorm Fernseher. Und die Bayern sind sportlicher. Ein Drittel der Menschen bewegt sich im Alltag mehr als eine Stunde am Tag, wie eine andere TK- Erhebung ergab. Die Berliner verbringen dagegen den Abend im Bundesvergleich am häufigsten auf dem Sofa. Im Freistaat gilt außerdem ein recht striktes Rauchverbot, während der Berliner vielerorts auch als Nichtraucher in Nikotinschwaden sitzt. Alles super also? Nicht ganz. Jeder zweite Erwachsene in Bayern ist übergewichtig. Da schmeckt der Leberkäs’ eben doch zu gut.

10. Sie haben Gott

Der Draht nach ganz oben ist in Bayern besonders gut. Okay, die Zahl der Gläubigen sinkt auch dort. Aber zumindest beim letzten Zensus 2011 waren noch mehr als die Hälfte der Bayern Katholiken, so viel wie in keinem anderen Bundesland. Jeder Fünfte ist außerdem Protestant. Und die Bayern waren auch schon mal Papst. Der Bayer Benedikt XVI., auch bekannt als Joseph Ratzinger, war bis 2013 Oberhaupt der katholischen Kirche. Und er wohnt noch immer im Vatikan. Quasi eine göttliche Standleitung. Das lohnt sich: Bayern ist das Bundesland mit den meisten Feiertagen. 13 freie Tage haben sie in Gemeinden mit überwiegend katholischer Bevölkerung, in den protestantischen Orten gibt es einen weniger. Luxuriös im Gegensatz zu Berlin mit mageren neun Feiertagen. Dafür muss der Bayer aber jede Menge Glockengeläut ertragen. Auch wenn es darüber keine Statistik gibt, hat Bayern die wohl höchste Kirchendichte in der Bundesrepublik. Ministerpräsident Markus Söder hat die diplomatischen Beziehungen zum Schöpfer seit dem 1. Juni sogar noch einmal verbessert. Dank seines Kreuzerlasses muss nun in jeder bayerischen Behörde gut sichtbar ein Kruzifix hängen. Gott steh’ uns bei ...

Und ach ja, Obazda haben Sie auch noch...

Okay, er stinkt. Hässlich sieht er außerdem aus, so rötlich verschmiert. Aber er schmeckt. Großartig. Und das Beste: Obazda, wie er auf Hochdeutsch heißt, kann jeder Depp in ein paar Minuten anrühren: Im Verhältnis zwei Drittel vollreifen Camembert (Brie geht auch), ein Drittel Butter, beides nicht kühlschrankkalt, sondern zimmerwarm, mit der Gabel zermanschen – nicht pürieren! Man will noch auf ein paar Käsestückchen beißen. Paprika edelsüß tönt das Ganze rosarot. Wer’s gern milder hat, mischt etwas Frischkäse drunter. Aber die Bayern sind hart. Die Preußen auch. Connaisseure schmecken mit Weißbier ab. Jetzt kommt die Deko für den Obazda, den man auch Obazde, Obatzta oder Obatzter nennen könnte, aber auf diese Diskussion lassen wir uns nicht ein. Die Deko also: Radieschenscheiben, Schnittlauchröllchen oder Zwiebelringe. Oder auch nix. Wichtiger ist die Beilage, eine ordentliche Brezn. An Guadn!

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