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Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit CSU-Chef Horst Seehofer

© imago/photothek

Die Landtagswahl und die Bundespolitik: Wenn ein Bayern-Beben Berlin erreicht

Ein Abgang Seehofers, eine Niederlage Merkels als Parteichefin oder gar das Ende der Koalition? Die Bayern-Wahl könnte schwerwiegende Folgen im Bund haben.

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Dass ein Gesetzentwurf des Bundesinnenministers für weitere sichere Herkunftsländer demnächst an Bayern scheitern könnte, wirkt zwei Tage vor der Landtagswahl noch wie ein sehr abseitiger Gedanke. Doch wenn Markus Söder nach dem Sonntag nichts anderes übrig bleiben sollte, als die Grünen in die Regierung zu holen, kann dieses Szenario schnell eintreten. Dabei wäre es nicht einmal der schwerwiegendste Nebeneffekt, den das sich abzeichnende Bayern-Beben auf die Regierung in Berlin haben dürfte. Von harten Tagen für Kanzlerin, CSU- und SPD-Vorsitzende bis hin zum Ende der großen Koalition – weniges ist vorherzusehen, aber auch kaum etwas undenkbar. Ein Überblick über die möglichen Folgen der Bayern-Wahl am Sonntag.

Angela Merkel und die CDU

Angela Merkel hätte allen Grund, ihren ewigen Plagegeistern aus dem Süden eine Klatsche zu wünschen. Aber für die Kanzlerin wie für die CDU-Vorsitzende wäre Schadenfreude völlig unangebracht. Merkel trägt einen Teil an Mitverantwortung am schlechten Erscheinungsbild ihrer Bundesregierung, und die Aussichten auf Besserung stehen schlecht: Als Gedemütigte werden CSU wie SPD noch schwierigere Partner. Ob unter den Bedingungen weitere drei Jahre große Koalition unter Merkel noch sinnvoll wären, ist eine Frage, die selbst in der machtpragmatischen CDU mittlerweile nicht mehr tabu ist.

Parteiintern gilt allerdings noch nicht die Bayern-Wahl als Merkels Messlatte, sondern die Hessen-Wahl zwei Wochen später. Nicht zufällig will Merkel zur allfälligen Wahlanalyse am Montag gemeinsam mit Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier vor die Presse treten. Nicht zufällig tritt sie in der letzten Wahlkampfwoche vier Mal in Hessen auf. Denn ein Absturz der CSU ließe sich noch als Quittung für den Anti-Merkel-Kurs der Bayern deuten. Ein Absturz der CDU im schwarz-grün regierten Hessen träfe ihren eigenen pragmatisch-liberalen Mittekurs. Dass Merkel sich beim CDU-Parteitag im Dezember dann als Parteichefin behaupten kann, wäre nicht sicher. Und ohne Parteivorsitz Kanzlerin zu bleiben – das hat sie bisher eigentlich immer ausgeschlossen.

Horst Seehofer und die CSU

Man weiß nicht, was man Seehofer eher wünschen sollte – dass der Wahlabend seine Laufbahn beendet oder dass er den absehbaren Sturm vorerst überlebt. Im Berliner Regierungsgeschäft dürften sein Abgang wie sein Bleiben für Unruhe sorgen. Jagt die CSU den 69-Jährigen als Sündenbock in die Wüste, drohen harte Kämpfe um die Nachfolge. Wer auch immer den Parteivorsitz erbt, müsste sich danach in Berlin neu einordnen und frisch beweisen. Einem Nachfolger für das aufgeblähte Innen-Bau-Heimatministerium ginge es nicht anders.

Bleibt Seehofer dagegen als angeschossener Problembär in seinen Ämtern, wird er mit allen Mitteln versuchen, die prekäre Stellung zu festigen. Ruhige Regierungsarbeit zählt für den notorischen Unruhegeist aber nicht unter die erprobten Profilierungsmethoden. Die Aussicht wäre doppelt unerfreulich, käme es zum schwarz-grünen Bündnis in Bayern. Für die Landes-CSU und den Ministerpräsidenten Markus Söder mag die Aussicht befremdlich sein; andererseits berührt die Landespolitik nur selten die Punkte, an denen harte ideologische Differenzen zwischen den Parteien lauern.

Aber in Berlin könnte solch ein Bündnis zum regelrechten Kulturschock führen, zuvörderst innerhalb der Christsozialen. Deren Berliner CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat aus seiner Abneigung gegen die Grünen bekanntermaßen nie ein Hehl gemacht.

Andrea Nahles und die SPD

Bei den Sozialdemokraten ist ein miserables Ergebnis längst eingepreist. „Es werden sich alle zusammenreißen, schon wegen Hessen“, heißt es aus der Partei. Natürlich ist das disziplinierend gemeint, nach dem Motto: Wer nun etwa öffentlich eine Führungsdebatte anzettelt, stört damit den Wahlkampf der hessischen Genossen, die mit rund 23 Prozent in Umfragen weit vor der Bundes-SPD liegen. Hinter den Kulissen aber hat die Führungsdebatte längst eingesetzt, ein Desaster in Bayern würde den Druck erheblich verstärken.

Die Sitzung der Bundestagsfraktion am Dienstag, so sagen manche Teilnehmer, habe einen Vorgeschmack davon gegeben, wie die Parteispitze um Andrea Nahles künftig attackiert werden könnte. Inhaltlich ging es um die Zustimmung der SPD-Minister zu Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien im Bundessicherheitsrat. Nicht nur Parteilinke halten die Lieferungen für eine Schande, die die Glaubwürdigkeit der SPD zerstört. Außenminister Heiko Maas verteidigte die Lieferung von Patrouillenbooten, die ja keine Offensivwaffen seien. Applaus erntete er nicht, dafür seine Kritiker. „Nahles und Scholz sahen verdammt alt aus“, sagt ein bestens vernetzter Abgeordneter.

Die Stimmung in der Partei wird als unterirdisch beschrieben: „So geht’s nicht mehr weiter, alles ist Mist, wir lassen uns in der Groko über den Tisch ziehen, unsere Führung ist schlecht.“ Bei Vizekanzler Scholz sei immer noch kein Einsatz für ein sozialeres Europa erkennbar, klagt ein Abgeordneter, niemand merke, dass der Finanzminister ein SPD-Mann sei: „Olaf Scholz gibt es eigentlich gar nicht, Nahles müht sich ab.“ Die miserable Lage der Partei sei wichtigstes Gesprächsthema der Sozialdemokraten: „Jeder redet mit jedem, alle sagen, es muss was passieren, aber keiner weiß, was und wie.“

Nahles drohte diese Woche indirekt mit einem Ausstieg aus der großen Koalition. Wenn „der unionsinterne Zoff“ weiterhin die gute Regierungsleistung überlagere, mache „gute Sacharbeit natürlich irgendwann keinen Sinn mehr“, sagte sie der „Zeit“. Auch andere aus der Führung sagen, ein Ende der Koalition strebe man nicht an, aber man könne in die Lage kommen, wo man keine andere Wahl mehr habe. Für die Parteilinke, die sich mit der großen Koalition besonders schwertut, hatte Nahles ein Signal bereit. Sie kündigte an, die SPD werde sich aus „dem gedanklichen Gefängnis der Agendapolitik, über die wir viel zu lange rückwärtsgewandt geredet haben, befreien“. Der linke Flügel der Partei, der einen Sozialstaat möglichst ohne Sanktionen anstrebt, freute sich über die Ansage.

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