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Abgase kommen aus dem Auspuff eines Autos.

© dpa/Marijan Murat

Update

Expertenrat fordert stärkere CO₂-Reduktion: Klimaschutzmaßnahmen im Verkehrs- und Gebäudesektor nicht ausreichend

Der deutsche Ausstoß an Treibhausgasen ist 2023 deutlich gesunken. Das bestätigt der Prüfbericht des Klima-Expertenrats. Er zeigt aber auch: Vor allem im Verkehrssektor muss die Ampel nachsteuern.

Die kurzzeitige Euphorie unmittelbar nach Verkündung der rekordartigen Senkung der Treibhausgase im vergangenen Jahr ist mittlerweile verflogen. Einen Monat später ist die Ampelkoalition im politischen Alltagszwist angekommen. Es geht um den Umgang mit dem Klimasünder Verkehr. Die FDP wirft den Grünen vor, die Reform des Klimaschutzgesetzes zur Entlastung des Verkehrssektors zu blockieren und warnt vor Fahrverboten und „drakonischen Freiheitseinschränkungen“. Die Grünen tun das als Panikmache ab und erneuern ihre Forderung nach einem Tempolimit.

Der Expertenrat für Klimafragen hat nun am Montag mit seinem Prüfbericht den großen Rückgang der Emissionen bestätigt, aber zugleich mehr Klimaschutz im Verkehrssektor gefordert. Das fünfköpfige, unabhängige Gremium soll zum einen die CO₂-Projektionen des Umweltbundesamts prüfen und bewerten. Und zum anderen die Umsetzung des Klimaschutzprogramms sowie die für den Verkehrs- und Gebäudesektor erlassenen Sofortprogramme überwachen. Die vier wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

1 Treibhausgas-Einsparung von zehn Prozent nachvollziehbar

Deutschland ist wieder „auf Kurs“, erklärte Klimaminister Robert Habeck nach Vorstellung der Treibhausgas-Projektion am 15. März. Mit 674 Millionen Tonnen hat Deutschland 2023 über zehn Prozent weniger Treibhausgase als im Vorjahr ausgestoßen, meldete das Umweltbundesamt. Die Klimaziele wurden erreicht.

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Diese Berechnung kann auch der Expertenrat „grundsätzlich nachvollziehen“, teilte das Gremium am Montag mit. Damit bleibt es beim stärksten Rückgang der Emissionen innerhalb eines Jahres seit 1990. Vor allem im Bereich Energie (–20 Prozent) als auch der Industrie (–8 Prozent) sowie dem Gebäudesektor (ebenfalls –8 Prozent) sanken die Emissionen deutlich. Im Verkehrsbereich wurden die Ziele mit 12,8 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente erneut deutlich verfehlt.

2 Wirtschaftliche Lage und Produktionsrückgang trüben Ergebnisse

Ohne den Rückgang der energieintensiven Industrie und die erneut milde Witterung im Jahr 2023 hätten die Emissionen deutlich höher gelegen.

Hans-Martin Henning, Vorsitzender des Expertenrates

Der Expertenrat bestätigt allerdings auch, dass der Rückgang vor allem auf die schlechte wirtschaftliche Entwicklung zurückzuführen ist. Der Energiesektor stieß rund 52 Millionen Tonnen weniger Treibhausgase aus – vor allem, weil die energieintensive Industrie wegen Produktionsrückgängen weniger Strom nachfragte. Auch im Gebäudebereich war die Einsparung um acht Millionen Tonnen nicht politisch, sondern witterungsbedingt.

„Ohne den Rückgang der energieintensiven Industrie und die erneut milde Witterung im Jahr 2023 hätten die Emissionen deutlich höher gelegen“, stellte Hans-Martin Henning fest. Der Vorsitzende des Expertenrates sagte zudem, dass das für alle Sektoren aggregierte Jahresziel „vermutlich nicht erreicht worden wäre“.

3 Weitere Finanzierung für Klimaschutz unter Druck

Ein Risiko für die Einsparung von CO₂ in der Zukunft sieht das Expertengremium im angespannten Haushalt. Nachdem das Klimaschutzprogramm im Sommer 2023 beschlossen wurde, wurde der Klima- und Transformationsfonds nach dem Verfassungsgerichtsurteil im November zusammengestutzt. In der Folge musste gespart werden – auch beim Klimaschutz.

Vor allem im Verkehrssektor bleibt eine erhebliche Erfüllungslücke bis 2030.

Brigitte Knopf, Co-Vorsitzende des Expertenrats

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Dass die ursprünglich anvisierte Minderung der Emissionen angesichts dessen in Gänze realisierbar bleibt, bezweifelt der Expertenrat. Denn fast die Hälfte der Maßnahmen des Klimaschutzprogramms seien fiskalischer Natur, sagte die Co-Vorsitzende des Gremiums, Brigitte Knopf. Da der Bund zum Beispiel 2024 bei der Förderung effizienter Gebäude mit rund zwei Milliarden Euro weniger als geplant auskommen muss, können rund 72 Millionen Tonnen weniger Treibhausgase eingespart werden. Einsparungen gibt es auch bei der Bahn oder dem Ladesäulenausbau.

4 Umsetzung stockt: Verkehr und Gebäude bleiben Sorgenkinder

Dabei ist vor allem der Verkehrssektor das weitaus größte Sorgenkind auf dem steilen Weg zur Klimaneutralität. Zwar gingen die Emissionen im Straßengüterverkehr 2023 zurück (erneut: wegen der schwachen Wirtschaftslage), doch der Pkw-Verkehr und damit die Klimaschutzlücke wachsen weiter. Auch der Gebäudesektor hat 2023 seine Klimaziele verfehlt – allerdings nur um eine Megatonne. Da die Emissionsdaten eine „erhebliche Unsicherheit“ aufweisen, will der Expertenrat nicht ausschließen, dass der Gebäudesektor die Vorgaben doch eingehalten hat.

Schlecht sanierte Gebäude sind immer noch für einen großen Teil der CO₂-Emissionen verantwortlich.

© imago stock&people/imago stock&people

Wie auch im letzten Jahr kam das Expertengremium zum Entschluss, dass die zuständigen Minister für den Verkehrssektor (Wissing) sowie den Gebäudesektor (Bauministerin Klara Geywitz (SPD) sowie Habeck) Sofortprogramme vorlegen müssen. Die bisher in dem Klimaschutzprogramm der Bundesregierung vorgelegten Maßnahmen reichen nicht aus. „Vor allem im Verkehrssektor bleibt eine erhebliche Erfüllungslücke bis 2030“, sagte Knopf. Laut Umweltbundesamt liegt sie bei 180 Megatonnen CO₂.

In drei Monaten müssen die Sofortprogramme vorliegen. Es sei denn, die Grünen geben ihre Blockade bei der Klimaschutzgesetz-Reform im Bundestag auf. Dann könnten Fortschritte beim Klimaschutz unter den verschiedenen Sektoren verrechnet werden. Da Deutschland laut dem jüngsten Projektionsbericht des Umweltbundesamtes seine Klimaziele bis 2030 einhalten wird, wären keine weiteren Maßnahmen nötig. Ansonsten müsste Verkehrsminister Volker Wissing energisch die Emissionen im Straßenverkehr eindämmen – etwa mit einem Tempolimit oder Strafsteuern beim Kauf von neuen Verbrennern.

Der Expertenrat dringt darauf, mehr für den Klimaschutz im Verkehr zu tun. Auf einen dauerhaften Produktionsrückgang in der Industrie – und damit sinkende Emissionen – will sich das Gremium nicht verlassen. „Wir wissen nicht, wie sich das entwickelt“, sagte Henning. Man habe schon mehrfach betont, „dass der Verkehrssektor nicht auf Kurs ist“, sagte Knopf. „Wir brauchen eine ernsthafte Diskussion um mehr Maßnahmen im Verkehrssektor“, betonte sie. Die von Wissings ins Spiel gebrachten Fahrverbote hält die Forscherin jedoch nicht für nötig, damit der Verkehrssektor seine Ziele erreicht.

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