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Premier Johnson winkt, als er mit Verlobter Carrie Symonds nach ihrer Stimmenabgabe das Londoner Methodist Central Hall verlässt.

© Matt Dunham/dpa

England, Schottland, Wales: Hier entscheidet sich der Popularitäts-Test für Boris Johnson

Zum ersten Mal seit 2019 können die Briten wieder per Stimmabgabe äußern, ob sie mit Premier Johnson zufrieden sind. Sein Problem liegt in Schottland.

Mit einem Pfund kann Boris Johnson in jedem Fall wuchern. Der zügige Fortschritt der Impfkampagne in Großbritannien dürfte dafür sorgen, dass der britische Premier bei den Wahlen, die am Donnerstag in England, Schottland und Wales stattfanden, nicht ganz schlecht dasteht. Millionen Briten waren bei den Wahlen zur Stimmabgabe aufgerufen. Mit endgültigen Ergebnissen wird  wegen der langsameren Auszählung unter Pandemiebedingungen zum Teil erst am Wochenende gerechnet.

Gegenwärtig haben mehr als 51 Prozent der Briten bei der Impfung gegen das Coronavirus zumindest eine erste Dosis erhalten. Dass Großbritannien damit weit vor der EU liegt, rechnet sich Johnson persönlich an. Daran liegt es auch, dass   der jüngste Skandal des Premierministers um die Renovierung seiner Dienstwohnung – angeblich mithilfe einer Parteispende – keine übermäßigen Wellen schlug.

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In England wurden am Donnerstag in zahlreichen Kommunen  die Gemeinderäte neu gewählt, in größeren Städten wie London war über die Bürgermeister-Posten zu entscheiden. Johnson setzt  darauf, seinen Erfolg bei der Unterhauswahl vom Dezember 2019 zu wiederholen. In der damaligen  Vor-Corona-Zeit gelang es ihm, der oppositionellen Labour-Partei zahlreiche traditionell „rote“ Wahlkreise im Norden Englands abzunehmen. Seinerzeit zog sein Slogan „Get Brexit Done“ auch im traditionellen Arbeitermilieu.

Dem Labour-Chef Starmer droht ein Dämpfer

Eine Wiederholung des Wahlerfolgs von 2019 wäre ein Dämpfer für den Labour-Vorsitzenden Keir Starmer. Der 58-Jährige hatte die Labour Party nach dem Debakel bei der letzten Unterhauswahl von seinem Vorgänger Jeremy Corbyn übernommen. Zu Beginn der Corona-Krise war es Starmer noch gelungen, den Premierminister wegen dessen Schlingerkurses  in die Enge zu treiben. Am Ende rang sich Johnson aber doch dazu durch, einen Lockdown zu verhängen, der mit strikteren Beschränkungen verbunden war als überall sonst in Europa.

Johnson hat es auch diesem harten Lockdown zu verdanken, dass die Pandemie im Vereinigten Königreich fürs Erste schneller zu Ende geht als auf dem Kontinent. Selbst der „Guardian“, der den regierenden Konservativen traditionell kritisch gegenübersteht, titelte jüngst: „Es gibt Anlass zum Optimismus, weil die Zahl der Toten gegen Null geht“.

Entscheidung im Wahlkreis Hartlepool

Ob Johnson sich nach der Wahl am „Super-Donnerstag“ zumindest in England als Sieger fühlen kann, wird sich am leichtesten am Ausgang einer Nachwahl in Hartlepool ablesen lassen. Das Mandat für das Unterhaus muss in dem nordenglischen Wahlkreis neu vergeben werden, weil der dortige Labour-Abgeordnete zurückgetreten ist. Für Johnson wäre ein Sieg der konservativen Tories in Hartlepool ein Prestigegewinn. Seit der Wahlkreis im Jahr 1974 geschaffen wurde, ist die Labour Party  bei Parlamentswahlen dort stets die stärkste Partei gewesen.

Um die Kräfteverhältnisse in der Hafenstadt umzudrehen, kam  Johnson gleich zu mehreren Wahlkampfauftritten in die Region. Zuletzt reiste er zu Beginn der Woche an, um die Tory-Kandidatin Jill Mortimer zu unterstützen. Der Premierminister gab bei dem Besuch zwar zu, dass der Nordosten Englands für die Tories ein schwieriges Terrain sei. Aber in den letzten zwei Jahrzehnten habe sich seine Partei gewandelt und vertrete nun keineswegs mehr allein den Süden Englands, beteuerte  Johnson weiter.

Als sichere Bastion gilt für die Labour Party hingegen Wales, wo die Wahl zur Regionalversammlung anstand. In Wales, wo die Unabhängigkeitsbestrebungen weniger stark ausgeprägt sind als in Schottland, regiert Mark Drakeford. Der 66-Jährige gehört zum linken Flügel der Labour Party. Es galt als denkbar, dass Drakeford nach der Wahl eine Minderheitsregierung bildet.

Schottische Regierung will Unabhängigkeits-Referendum

Die Augen der meisten Beobachter aus der EU richten sich unterdessen auf Schottland, wo am Donnerstag  ebenfalls ein neues Regionalparlament gewählt wurde. Die Regionalpräsidentin Nicola Sturgeon hat bereits die Parole ausgegeben, dass die Schotten erneut über ihre Unabhängigkeit abstimmen müssten, falls ihre Schottische Nationalpartei (SNP) die absolute Mehrheit der Mandate erhält. Auch für den Fall, dass Sturgeon die Grünen als Mehrheitsbeschaffer benötigen sollte, will die Regionalpräsidentin die Unabhängigkeits-Karte spielen: Das Referendum von 2014, bei dem sich eine knappe Mehrheit gegen die Loslösung von der Londoner Zentralregierung aussprach, soll wiederholt werden. Dem Kalkül zufolge sollen die Schotten, die mehrheitlich den Brexit ablehnten, als unabhängige Nation wieder den Rückweg in die EU finden.

Johnson will von zweiter Abstimmung nichts wissen

Allerdings ist allen Beteiligten auch klar, dass Sturgeons Plan nur aufgehen kann, wenn der Premierminister in London dabei auch mitspielt. Johnson müsste seine Zustimmung zu einem neuen Referendums-Anlauf geben. Und danach sieht es nicht aus. Es wäre „rücksichtslos“ und „unverantwortlich“, ausgerechnet jetzt, da die Pandemie noch nicht vorbei sei, ein zweites Unabhängigkeits-Referendum zu veranstalten, sagte Johnson bei einem Wahlkampfauftritt in den englischen Midlands.

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