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Bei einer Fahrraddemo fahren Teilnehmer über die Avus in Berlin. Wird das jetzt bald zur Regel?

© dpa/Michael Kappeler

Klimastreit in der Regierung: Kommen jetzt wirklich autofreie Wochenenden?

Verkehrsminister Volker Wissing warnt, der Klimaschutz könne Fahrverbote nötig machen. Dabei hieß es zuletzt, Deutschland sei auf Kurs. Wie kann das sein? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Im März noch hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) triumphiert. Mit den beschlossenen Maßnahmen könne Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen. Knapp einen Monat später spricht Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nun davon, dass die Deutschen bald ihr Auto an Wochenenden stehen lassen müssen. Wie kann das sein? Die wichtigsten Fragen und Antworten.


Wie groß ist das Klimaschutz-Problem im Verkehr?

Der Verkehrssektor hat in den Jahren 2022 und 2023 seine Klimaziele deutlich verfehlt – genauer gesagt hat er rund 22 Millionen Tonnen CO₂ zu viel ausgestoßen. Laut Klimaschutzgesetz müsste Verkehrsminister Wissing nun bis zum Sommer ein Sofortprogramm vorlegen mit Maßnahmen, um diese Menge zusätzlich einzusparen.

Die neuen Klimaschutz-Instrumente müssen zudem erreichen, dass der Verkehr seine Klimaziele bis 2030 einhält. Derzeit geht das Umweltbundesamt davon aus, dass Flugzeuge, Lkw, Autos und Co. bis dahin 180 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente zu viel ausstoßen werden.


Warum warnt Wissing vor autofreien Wochenenden?

Wissing argumentiert, dass sich 22 Millionen Tonnen CO₂ ad hoc nur mit drastischen Maßnahmen einsparen lassen. Laut Wissing entspricht dies etwa 15 Prozent der Pkw-Fahrleistung und über zehn Prozent der Lkw-Fahrleistung in Deutschland.

Der Verkehrsminister hält laut einem Brief, den er an die Ampelfraktionen geschrieben hat, dafür „flächendeckende und unbefristete Fahrverbote an Samstagen und Sonntagen“ oder vergleichbar restriktive Maßnahmen für nötig.


Kommen jetzt Fahrverbote?

Fahrverbote werden aller Voraussicht nach trotzdem nicht kommen, denn niemand in der Ampelkoalition will sie einführen. Mit seinem Brief will Wissing den Druck auf die Grünen erhöhen, im Bundestag einer Reform des Klimaschutzgesetzes zuzustimmen.

Die Ampelspitzen haben sich nämlich bereits im März 2023 darauf geeinigt, die jährlich geltenden Klimaschutzziele für die einzelnen Wirtschaftssektoren aufzugeben. Stattdessen soll nur noch geprüft werden, ob Deutschland insgesamt seine Klimaziele bis 2030 einhält.

Tatsächlich geht das Umweltbundesamt in seiner aktuellen Prognose davon aus, dass die deutsche Volkswirtschaft 2030 wie geplant 65 Prozent weniger CO₂ als 1990 ausstoßen wird. Kommt die Reform des Klimaschutzgesetzes, wären deshalb auch Fahrverbote vom Tisch.

Doch die Reform des Gesetzes wird nun bereits seit neun Monaten im Bundestag debattiert. Auch am Donnerstagabend gab es dazu nach Tagesspiegel-Informationen wieder Gespräche. Ohne Ergebnis.

Die Grünen wollen sicherstellen, dass sich alle Sektoren weiter anstrengen, ihre Ziele zu erreichen. Denn dass Deutschland auf Kurs ist, seine Ziele bis 2030 zu erfüllen, liegt auch an der schlechten Konjunkturentwicklung. Die Grünen fürchten ein Problem, sollte sich die Wirtschaft schneller als erwartet erholen. Zudem verweisen die Grünen auf die europäische Klimaregulierung, hier drohen Strafzahlungen, wenn der Verkehr seine Ziele nicht erreicht.


Was ist mit einem Tempolimit?

Die Grünen werfen Wissing Panikmache vor. „Es ist nicht verantwortungsvoll für einen Minister, unbegründete Ängste zu schüren“, sagte die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge. Stattdessen solle er seine Aufgabe wahrnehmen und endlich sinnvolle Vorschläge für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor machen. Man warte seit zwei Jahren darauf, „dass der Verkehrsminister handelt“. Konkret hat die zuständige Fraktionsvize Julia Verlinden ein Tempolimit vorgeschlagen.

Wissing hat daraufhin sofort betont, dass ein Tempolimit allein die Klimaschutzlücke im Verkehr nicht schließe. Das bestätigte am Freitag auch das Umweltbundesamt (UBA). „Bis 2030 könnten wir damit in Summe rund 38 Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen – das sind rund 20 Prozent der bestehenden Lücke“, sagte UBA-Präsident Dirk Messner. Doch die FDP schließt ein Tempolimit aus.


Was könnte Wissing noch tun?

Das Umweltbundesamt hat bereits vor längerem eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen. Zentrale Stellschraube sei die Elektromobilität, so Messner. Neben einem beschleunigten Ausbau der Ladeinfrastruktur sei eine Reform der Kfz-Besteuerung nötig. Im ersten Jahr der Zulassung solle ein Zuschlag für Pkw mit hohen CO₂-Emissionen fällig werden und so der Kauf besonders klimaschädlicher Pkw verteuert werden. Mit dieser Strafsteuer auf Verbrenner könnte man dann den Kauf von E-Autos per Prämie fördern.

Auch das Dienstwagenprivileg würden UBA und Grüne gerne abschaffen. Nimmt man all diese Maßnahmen zusammen, so die Überzeugung von UBA und Grünen, bräuchte es keine Fahrverbote, um die Klimaziele im Verkehr einzuhalten. Doch eine merkliche Verteuerung von Verbrenner-Pkw will die FDP nicht mittragen.

Für Lkw hat Wissing hingegen bereits einen ähnlichen Schritt unternommen. Bei der Lkw-Maut wird seit Ende 2023 ein CO₂-Preis von 200 Euro pro Tonne fällig. Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass dies den Verkauf von E-Lkw in den kommenden Jahren kräftig ankurbeln wird. Doch den Verbrauchern will Wissing einen vergleichbaren Schritt bisher nicht zumuten. (mit dpa)

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